Wir haben sie alle schon gehört: die Anweisung, im ersten Krieger (oder auch: Helden) den hinteren Fuß auszudrehen, die Ferse aufzusetzen, das Becken parallel zum vorderen Mattenrand auszurichten und den Oberkörper aufzurichten. Funktioniert das wirklich? Ja, aber nicht für alle.
Text & Foto: Timo Wahl
In diesem Artikel möchte ich die gängige Vorstellung von Virabhadrasana I unter die Lupe nehmen und nach möglichen alternativen Herangehensweisen suchen. Was steckt dahinter? Die Kriegerstellung ist eine wichtige Übung zur Kräftigung der Beine. Dabei werden beim vorderen Bein sowohl die Streckermuskeln an der Vorderseite als auch die Beuger und das Gesäß an der Rückseite angesprochen. Aber auch das hintere Bein spielt eine wichtige Rolle. Hier werden die vorderen Muskelzüge, bestehend aus dem Hüftbeuger und den vier Schenkelstreckern, exzentrisch beansprucht. Das bedeutet, diese Muskeln müssen aktiviert werden, um das hintere Bein zu stabilisieren, während sie sich zugleich dehnen müssen. Genau diese exzentrische Beanspruchung ermöglicht es uns später, das Becken leichter gegen den Widerstand der vorderen Beinmuskulatur in Rückbeugen zu bewegen. Diese spezifische Kräftigung beider Beine ist also eine der wichtigsten Wirkungen der Asana.
Die Problematik
Wenn uns gesagt wird, dass in Virabhadrasana I der hintere Fuß vollständigen Bodenkontakt haben soll, entsteht zwar ein sicherer und stabiler Stand, aber gleichzeitig muss das hintere Bein gestreckt bleiben, um die Ferse an den Boden zu bringen: Der hintere Fuß fixiert also die Position des Unterschenkels, da das Sprunggelenk nicht drehen kann. So weit, so gut. Wenn wir nun versuchen, die zweite klassische Anweisung umzusetzen und das Becken parallel nach vorne zu drehen, wird der Hüftbeuger des hinteren Beins gedehnt. Dies geschieht durch die zunehmende Rotation des Oberschenkels in der Hüfte und die sich verändernden Winkel zwischen dem hinteren Bein und dem Becken. Für die meisten Menschen ist diese Dehnung allerdings zu stark. Die Bewegung stoppt, noch bevor das Becken annähernd nach vorne zeigt.
Typische Ausweichmanöver
Um dies zu korrigieren, könnte der Schritt stark verkürzt und gleichzeitig verbreitert werden, was jedoch zu einer Abschwächung der Wirkung führen würde. Die häufigste Reaktion besteht jedoch darin, das hintere Bein zu beugen, um die Dehnung zu verringern. Dadurch entsteht eine Beugung im Knie, gefolgt von einer Innenrotation des Oberschenkels gegenüber dem Unterschenkel. Das Ergebnis: Belastung am Innenmeniskus! Eine andere Ausweichreaktion, nämlich das Kippen des Beckens nach vorn führt ins extreme Hohlkreuz und dies führt wiederum zu Belastungen im unteren Rücken.
Wie kann eine sinnvolle Alternative aussehen?
Eine Möglichkeit besteht darin, den Krieger mit einer Ausfallschritt-Position der Beine zu kombinieren. Die Ferse des hinteren Beins bleibt dabei angehoben. Wenn das Bein gebeugt wird, kann der Winkel so gewählt werden, dass eine maximale exzentrische Dehnung erreicht und gleichzeitig eine optimale Ausrichtung des Beckens erzielt wird. Der Trick dabei ist einfach: Beuge das hintere Bein so weit wie nötig und strecke es so weit wie möglich!
Fazit:
Diese Variation ermöglicht eine effektive Aktivierung der relevanten Muskulatur, ohne dabei unnötige Belastungen oder Kompromisse in Kauf nehmen zu müssen. Sie eröffnet eine neue Perspektive auf die Kriegerstellung und lädt dazu ein, den eigenen Körper bewusster zu spüren und Positionen bedarfsorientierter anzupassen. Bleibe also offen für alternative Ansätze und finde heraus, welche Variationen am besten zu dir passen. Probiere es aus und genieße die Erforschung deiner persönlichen “Heldenreise”!
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Im letzten Teil von Timos Kolumne ging es um Drehungen. Du findest den Artikel hier: