Das volle Potenzial von Yoga (und dein persönliches) wird immer dann erfahrbar, wenn es gelingt, sich beim Üben mit einem umfassenden Energiefluss zu verbinden. Stress verfliegt, Herz und Geist werden weit, das Gefühl des Getrenntseins schwindet. Die Yogalehrerin von Deepak Chopra – Sarah Platt-Finger – zeigt hier, wie das gelingen kann.
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So-Ham-Atmung
Nimm eine bequeme Sitzhaltung ein, in der du die Wirbelsäule ohne Anstrengung aufrichten kannst. Mit jeder Einatmung wiederholst du laut oder innerlich das Mantra “So”. Diese so genannte “Keimsilbe” steht für reine Energie, Bewusstsein und Inspiration. Spüre, wie deine Wirbelsäule sich längt, die Krone deines Kopfes nach oben strebt und sich deine Rippen zu den Seiten ausdehnen. Visualisiere einen Energiefluss, der zwischen dem Schädeldach und dem unteren Ende der Wirbelsäule verläuft. Mit jeder Ausatmung wiederholst du das Mantra “Ham”. Diese Silbe ist der Klang des individuellen Bewusstseins und der Transformation. Dabei ziehst du den unteren Bauch sanft zur Wirbelsäule hin und stellst dir vor, wie Bewusstsein in jede deiner Zellen strömt.
Effekt: Diese Atemübung hilft dir, Körper und Geist zu klären und dich für Inspiration zu öffnen. Du kannst sie als Meditationsmantra nutzen, aber auch ganz banal beim Arbeiten, Einkaufen oder Spazierengehen. Zu Beginn der Yogapraxis übst du die So-Ham-Atmung 3 bis 5 Minuten lang. Während der folgenden Haltungen setzt du sie immer wieder ein, um den Energiefluss entlang deiner Wirbelsäule zu reinigen und Raum für Bewusstsein zu schaffen.
2. Anjaneyasana, tiefer Ausfallschritt
Setze aus dem Vierfüßlerstand den rechten Fuß nach vorn zwischen die Hände. Mit der nächsten Einatmung richtest du dich auf und hebst die Arme. Dabei achtest du darauf, dass die Hüften über den Knien stehen und das rechte Knie über dem rechten Knöchel. Aktiviere sanft den Bauch, um den unteren Rücken zu schützen und den Energiefluss entlang deiner Wirbelsäule aufrechtzuerhalten. Genau wie kein Wasser durch einen geknickten Strohhalm fließen kann, wird in ungünstigen Körperhaltungen auch der Fluss von Energie blockiert. Versuche deshalb, deinen Rumpf durchlässig zu halten und auch die hinteren Rippen anzuheben. Die Körperrückseite repräsentiert die Vergangenheit und die Verbindung nach innen. Die Körpervorderseite steht für Willenskraft, das Vorwärtsschreiten in die Zukunft und die Verbindung nach außen. Weite dein Herz und finde die Mitte zwischen Vorder- und Rückseite, Zukunft und Vergangenheit. Nach 5 bis 8 Atemzügen auf So Ham wechselst du die Seite.
Effekt: Diese Haltung dehnt die Körpervorderseite und wirkt stimmungshebend. Das Weiten der Herzgegend hilft dir wahrzunehmen, dass in allem Verbindung möglich ist. Nicht nur im eigenen Körper (vorne, hinten, oben, unten) und im eigenen Leben (Zukunft und Vergangenheit, Körper und Geist), sondern auch mit allem, was uns umgibt.
3. Adho Mukha Shvanasana, herabschauender Hund
Spreize im Vierfüßlerstand die Finger und erde die Hände, vor allem Zeigefinger und Daumen. Schiebe anschließend das Becken nach hinten oben und lass dabei den Oberkörper lang und weit werden. Verbinde dich erneut mit dem Energiefluss entlang deiner Wirbelsäule und stell dir vor, wie er sich durch Arme und Beine zum Boden hin verlängert. Strebe mit den Fersen währenddessen Richtung Boden, ohne dabei die Ausrichtung von Rumpf und Schultern zu verändern.
Effekt: Diese Haltung dehnt die Beinrückseiten, die für das Unbewusste, für unverarbeitete Gefühle und eingefahrene Muster stehen. Wenn man in Emotionen gefangen ist, fällt es schwer, Verbundenheit zu spüren. Haltungen, die die Beinrückseiten dehnen, können helfen loszulassen im Yoga, was wir vielleicht unbewusst festhalten wollen. Deshalb eröffnet das eine ganzheitlichere Selbsterfahrung und schafft Verbindung zu universeller Intelligenz und Bewusstsein. Bleibe 8 bis 10 Atemzüge lang in der Haltung und atme dabei auf So Ham.
4. Parshva Tadasana, Berghaltung mit Seitbeuge
Verwurzel im Stehen die Füße in der Erde und richte ich von dort aus durch den gesamten Körper sanft auf. Dann hebe mit einer Einatmung die Arme und lege die Handflächen aneinander. Um den unteren Rücken zu stabilisieren sind Beine und Bauchmuskeln. Schultern und Nacken entspannt. Wachse nun mit der Einatmung über die Schädeldecke hinaus nach oben. Gleichzeitig wahrst du aber über die Füße deine Verbindung zur Erde. So bleibst du ganz in der körperlichen Erfahrung und kannst dich ausdehnen. Mit einer Ausatmung beugst du dich sanft nach rechts. Nach 5 Atemzügen auf So Ham kehrst du einatmend zurück zur Mitte. Dann beugst du dich wieder ausatmend für 5 Atemzüge nach links.
Effekt: Diese Stehhaltung schafft mehr Raum für den Atem. Sie mobilisiert die Zwischenrippenmuskulatur, die sich mit jedem Atemzug ausdehnt und wieder zusammenzieht. Über den Atem wird belebendes Prana aufgenommen, das Körper und Geist verbindet.
5. Utthita Trikonasana, gestrecktes Dreieck
Stelle die Füße zuerst parallel und eine Beinlänge voneinander entfernt. Drehe danach den rechten Fuß um 90 Grad auswärts und den linken Fuß leicht einwärts. Mit einer Einatmung hebst du die Arme auf Schulterhöhe zu den Seiten. Ausatmend streckst du dich nach rechts. Lass die Wirbelsäule lang werden, bevor du die rechte Hand am Boden, auf einem Block oder einem Hocker unterhalb der rechten Schulter absetzt. Den linken Arm führst du dann gelöst in die Senkrechte oder du legst die Hand ans Kreuzbein. Spüre des Weiteren den feinen Energiefluss, der von deiner Schädeldecke zum unteren Ende der Wirbelsäule verläuft. Atme 8 bis 10 Mal auf So Ham. Dann hebst du den Rumpf mit einer Einatmung wieder und übst das Dreieck für ebenso viele Atemzüge auf der linken Seite.
Effekt: Das Dreieck ist eine weitere Asana, die gleichzeitig Erdung und Verbindung nach oben, in unbegrenzte Weiten, vermittelt.
6. Dhanurasana, Bogen
Beuge in Bauchlage die Knie und umgreife Füße oder Knöchel. Wenn sich dabei der untere Rücken eng und gestaucht anfühlt, verwende einen Gurt oder üben eine sanftere Rückbeuge wie Shalabhasana (Heuschrecke). Hebe jetzt einatmend Kopf und Oberkörper und schiebe die Füße gegen die Hände. Dadurch kann der Brustkorb sich weiter heben. Halte die Asana während etwa 5 Atemzügen auf So Ham. Dann entspannst du einen Moment in der Stellung des Kindes.
Effekt: Der Bogen hilft, die Körpervorderseite weiter zu dehnen. Die Dehnung des Brustkorbs entspricht energetisch der Öffnung des Herzchakras – der Brücke zwischen Materie und Geist. Ein ausgeglichenes Herzchakra erleichtert es dir, die allem innewohnende Verbundenheit tiefer zu erfahren und sich in Ihrem Gegenüber wiederzuerkennen.
7. Baddha Konasana, gebundene Winkelhaltung
Nimm einen bequemen Sitz ein und ziehe die aneinandergelegten Fußsohlen möglichst nah in Richtung Schritt. Falls die Knie dabei deutlich höher stehen als das Becken, setze dich erhöht und stütze die Knie ab. Lass hierbei einatmend die Wirbelsäule lang werden, dann beugst du dich ausatmend langsam und sanft nach vorn. Sei dir auch hier des Energiefluss gewahr, der entlang der Wirbelsäule verläuft. Während 8 Atemzügen auf So Ham betonst du mit jeder Einatmung die Länge der Wirbelsäule, mit jeder Ausatmung lässt du dich sanft in die Vorwärtsbeuge sinken.
Effekt: Diese Haltung stärkt einerseits die Verbindung zur Körperrückseite, die unter anderem für die Fähigkeit zur Innenschau steht. Baddha Konasana bringt Körper und Geist andererseits zur Ruhe und bereitet dich auf die Endentspannung oder Meditation vor. Wenn die Wahrnehmung langsam feinstofflicher wird, kann Transformation geschehen. Die Hüftmobilisation unterstützt das Gefühl von Ruhe.
8. Supta Baddha Konasana, gebundene Winkelhaltung im Liegen
Lege den Rücken in Baddha Konasana, dem Schmetterling in Rückenlage, auf einer zusammengerollten Decke ab. Bei Bedarf stützt oder erhöhst du zusätzlich Kopf und Knie, damit Körper und Geist besser loslassen können. Die Gelenke sollten sich weit und entspannt anfühlen. Breite die Arme als nächstes locker zu den Seiten aus, drehe die Handflächen nach oben und schließe die Augen. Nimm die Gedanken wahr, die dir durch den Kopf gehen, und verweile solange in Supta Baddha Konasana, bis du spürst, dass du zur Ruhe kommst.
Effekt: Solange man durch Gedanken darüber, wie man zu sein hat oder hätte sein sollen, begrenzt wird, ist es schwer, sein wahres Selbst zu spüren. Um reines Bewusstsein oder die eigene wahre Essenz zu erfahren, muss man lernen, all diese Gedanken bewusst loszulassen. Ein Akt der Hingabe.
Zu dieser Yoga-Sequenz passt besonders unsere Herzöffner-Playlist von Veronika Rössel.
Sarah Platt-Finger, die hier nicht nur als Autorin, sondern auch als Model fungiert hat, ist Mitbegründerin von Ishta-Yoga in New York. Gemeinsam mit ihrem Mann Alan Finger unterrichtet sie zudem weltweit Workshops, Yogalehrer-Ausbildungen und Retreats. Im Vorstand der Organisation Exhale to Inhale fördert sie Yogakurse für Opfer häuslicher Gewalt.
Vielen lieben Dank, es wurde wunderbar beschrieben wozu diese Übungen genutzt werden können.
Lg