Was bedeutet eigentlich Karma?

Gutes Karma, schlechtes Karma. Doch was bedeutet Karma überhaupt? Mit einem gewissen Verständnis können wir einen Grundstein für die Zukunft unserer Träume legen.

“Karma” ist ein Wort, das man in der Yoga-Szene häufig hört – und trotzdem wird der Begriff oft missverstanden und bleibt vielen unklar. Nicht ohne Grund interessiert uns dieses faszinierende Thema: Karma ist sowohl im Yoga als auch in den Traditionen des Buddhismus ein wesentliches Prinzip. Seine grundlegenden Lehren können uns dabei helfen, viele Zusammenhänge im Leben zu begreifen. Wenn man das Konzept des Karmas versteht, kann das eine neue Sichtweise auf wichtige Beziehungen, auf die Arbeit und die finanzielle Situation ermöglichen – und sogar auf die eigenen Gedankenmuster und die Verhaltensweisen, die daraus entstehen. Karma fasziniert. Es gibt Rätsel auf. Und viele von uns stellen sich dieselben Fragen dazu. Deswegen will ich versuchen, einige davon zu beantworten. Aber zuerst möchte ich die grundlegenden Prinzipien des Karmas aus yogischer Perspektive beleuchten.

Das Gesetz des Karmas

Das Wort “Karma” kommt aus dem Sanskrit und seine Wurzel bedeutet übersetzt einfach nur “Handeln” – alles, was man sagt, tut oder sogar denkt. Die Tradition des Yoga jedoch definiert das Wort Karma auf drei verschiedene Arten: erstens als die gegenwärtigen Handlungen; zweitens als die Wirkung, die vergangene Handlungsweisen auf unseren jetzigen Charakter und unser Leben haben; und drittens als das, was man im Westen oft als “Schicksal” bezeichnet. Wenn man sagt, dass etwas im Leben “Karma” sei, bezieht man sich meist auf die zweite Bedeutung des Wortes: Man beschreibt damit, dass man in der Gegenwart die Folgen dessen erntet, was man in der Vergangenheit gesät hat.

Karma – die Kraft hinter jeder Veränderung

Das yogische Konzept des Karmas beinhaltet die Erkenntnis, dass Gedanken und Handlungen uns verändern und dass die Welt durch unsere Gedanken und Taten verändert wird. Das ist das erste Prinzip des Karmas: Handlungen haben Folgen. Das Gesetz des Karmas, so wie es in der Tradition des Yoga beschrieben wird, ist eigentlich das Gesetz von Ursache und Wirkung. Schon in der Bibel steht geschrieben: “Man erntet, was man sät.” Und das ist eine wichtige Erkenntnis – auch wenn es auf den ersten Blick trivial erscheint. Das Gesetz des Karmas – die Tatsache, dass jede Handlung eine Wirkung hat – ist es, was Veränderung, Wachstum und Entwicklung im Menschen anstößt. In diesem Sinne ist Karma die Kraft hinter jeder Veränderung.

Alles eins – das Geflecht von Karma

In der Yogawelt halten viele Karma für etwas ganz Persönliches und denken nur an ihre eigenen Handlungen und deren Konsequenzen. Aber wir leben nicht isoliert voneinander. Nach der Lehre des Yoga werden wir nicht nur durch unsere eigenen Entscheidungen beeinflusst, sondern auch durch das kollektive Karma unserer Zeit und des Orts, an dem wir leben, sowie durch die Kräfte, die auf unseren Planeten und sogar auf den Kosmos einwirken. Auf einer Ebene ist dieses Universum ein Geflecht aus Materie und Energie. Wir können es aber auch als ein Geflecht von Karma betrachten – einen Teppich aus Handlungen, Intentionen und ihren Folgen. Um ein bekanntes Beispiel zu bemühen: Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Hongkong kann Einfluss auf einen Hurrikan haben, der sich im Südatlantik bildet. Die Finanzkrise an der Wall Street 2008 beeinflusst das Leben der Bauern in Argentinien. Unser eigenes Leben ist unauflösbar mit dem Ganzen verbunden.

Verändere deine Gewohnheiten

Infolgedessen spielen aus der yogischen Perspektive persönliche Entscheidungen die größte Rolle. Denn hier kann man das Gesetz des Karmas nutzen, um Veränderung und Wachstum anzustoßen. Das führt zum zweiten Prinzip des Karmas: Gedanken und Handlungen in der Vergangenheit haben unser gegenwärtiges Leben mitbestimmt und unsere gegenwärtigen Gedanken und Handlungen haben großen Einfluss auf unser künftiges Leben. Vielleicht kennst du das Sprichwort: “Wenn du wissen willst, was du früher getan hast, betrachte dein gegenwärtiges Leben. Wenn du wissen willst, was für ein Mensch du in der Zukunft sein wirst, sieh dir deine gegenwärtigen Gedanken und Handlungen an.”

Karmische Eindrücke – die Samskara

Das ist der Punkt, an dem das Thema Karma interessant wird – und zugegebenermaßen auch etwas mysteriös. In den Traditionen des Yoga, des Buddhismus und des orthodoxen Judentums wird gelehrt, dass individuelles Bewusstsein sich durch viele verschiedene Lebensalter bewegt. Im Yoga Sutra, einem der Grundlagentexte des Yoga, sagt Patanjali, dass vergangene Gedanken und Handlungen Eindrücke im Unterbewusstsein hinterlassen. Diese Eindrücke, auch Samskaras genannt, werden im unbewussten Gedächtnis gespeichert. Sie wirken wie Spurrillen oder Furchen in unserem Unbewussten, die sich in unseren Denkweisen und Neigungen zeigen. Zusammengenommen bestimmen diese Denkweisen und Neigungen unseren Charakter und erschaffen die Linse, durch die wir die Welt betrachten. Unser vergangenes Karma drückt sich in diesen angesammelten Samskaras aus, die auch karmische Tendenzen, karmische Eindrücke oder karmische Muster genannt werden. Unsere Samskaras sind ein Ausdruck unseres vergangenen Karmas und sie werden auch unser Verhalten in der Zukunft mit beeinflussen. Wenn man seine Verhaltensweisen verändert, schafft man neue Samskaras und so auch neue karmische Auswirkungen.

Aber das funktioniert auch andersherum: Wenn man seine Samskaras ändert, indem man seine Gedankenmuster transformiert, beeinflusst das auch das Verhalten. Ein modernes Sprichwort sagt: “Säe einen Gedanken und du erntest eine Gewohnheit. Säe eine Gewohnheit und du erntest einen Charakter. Säe einen Charakter und du erntest ein Schicksal.” Kurz gesagt: Gespeicherte Eindrücke, die unbewusste Erinnerungen an vergangene Gedanken und Taten sind, sind ebenso die Wurzel zukünftiger Erfahrungen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich mit gewohnten Gedankenmustern zu beschäftigen, wenn man sein Leben verändern will.

Gutes Karma, schlechtes Karma

In der Tradition des Yoga heißt es, dass Samskaras aus früheren Leben die Situation bestimmen, in die wir hineingeboren werden: Wie unsere Eltern sind, unser Temperament und vieles mehr. Das ist natürlich mit der Vorstellung der Wiedergeburt verbunden – ein Konzept, das für viele Menschen aus westlichen Ländern schwer annehmbar ist. Aber selbst wenn man nicht an vergangene oder zukünftige Leben glaubt, kann das Verständnis der wichtigsten Grundlagen des Karmas sehr wirkungsvoll dabei helfen, unser Leben zu verstehen. Yoga lehrt, dass vergangene Handlungen und Gedanken die Vorlage schaffen, von der aus man wachsen und sich weiterentwickeln kann – im Hier und Jetzt.

Du willst herausfinden, wie das praktisch funktioniert? Diese 3 Schritte zeigen dir, wie es geht:

  • Notiere dir drei deiner größten Fähigkeiten, Begabungen oder Gebiete, auf denen du Glück hast – die Yoga-Tradition bezeichnet diese Begriffe als die guten Karmas.
  • Schreibe danach die drei größten Herausforderungen deines Lebens auf – emotionale und mentale Blockaden, Gebiete, auf denen du Schwierigkeiten hast (beispielsweise gesundheitliche Probleme oder Familienthemen), oder andere Bereiche, unter denen du leidest oder die du als Belastung empfindest. Anders ausgedrückt: deine negativen Karmas.
  • Überlege dir, wie dieses Geflecht aus positiven und negativen Seiten deines Lebens dein persönliches Wachstum beflügelt und welche Veränderungen sie bewirkt haben. Wie haben Belastungen und Verletzungen dir geholfen, zu wachsen? Wie haben die leichten Seiten deines Lebens dir das Gefühl von Erfolg und Flow vermittelt? Wie haben die miteinander verbundenen negativen und positiven Karmas also dazu beigetragen, dass du jetzt der Mensch bist, der du bist?

Durch Karma richtig handeln – im Hier und Jetzt

So wie die Theorie des Karmas davon ausgeht, dass die Gegenwart durch frühere Gedanken und Handlungen beeinflusst wird, ist auch die Zukunft eng mit unseren gegenwärtigen Handlungen verbunden. Der yogische Gelehrte Vasistha fasste die tiefste Wahrheit über Karma so zusammen: “Es gibt auf Erden keine größere Kraft als das richtige Handeln im Hier und Jetzt.” Das ist das dritte Prinzip des Karmas – und das wichtigste: Man hat immer eine Wahl. Selbst wenn die Dinge im Moment nicht so laufen, wie man sich das vorgestellt hat, besagt das Gesetz des Karmas, dass positive Bemühungen unausweichlich Früchte tragen werden. Das trifft sowohl auf alltäglicher als auch auf spiritueller Ebene zu. Egal, ob du versuchst, deine Gewohnheiten zu ändern oder dein wahres Selbst zu erwecken. Wenn du das Gesetz des Karmas verstanden hast, weißt du, dass deine Bemühungen am Ende erfolgreich sein werden. Deine früheren Handlungen stehen dir vielleicht im Weg, aber deine gegenwärtigen Handlungen können dir dabei helfen, diese Hindernisse zu überwinden. Nach der Lehre des Karmas ist jeder Augenblick sowohl Ergebnis Ihrer Vergangenheit als auch der Samen für deine Zukunft.

Was bedeutet Karma im Alltag

Zugleich bedeutet die Veränderung des Karmas auch eine Veränderung des Alltags. Man muss viele kleine Entscheidungen fällen, um die Muster zu verändern, die vielleicht noch an alten Karmas festhalten. Kelly, eine meiner Schülerinnen, stammt beispielsweise aus einer sehr voreingenommenen Familie und hatte immer Probleme damit, enge Freundschaften zu schließen. Vor einigen Jahren fing sie an, sich zu wundern, warum sie sich so oft allein fühlte. Als sie darüber nachdachte, erkannte sie, dass ihre Beziehungsprobleme mit ihrer Neigung zu Klatsch und Tratsch zusammenhingen. So entschied sie sich, diesem Bedürfnis nicht mehr nachzugeben. Nachdem sie das ein Jahr lang erfolgreich geschafft hatte, stellte Kelly fest, dass wieder mehr ihrer alten Freunde anriefen. Menschen, denen sie begegnete, waren freundlicher zu ihr. Sogar ihre Yogalehrerin schenkte ihr während der Stunden mehr Aufmerksamkeit. Sie erkannte: Durch ihre aktive Entscheidung, das negative karmische Muster zu verändern, welches sie so hart über andere urteilen ließ, hatte sich ihre Fähigkeit, Freundschaften zu schließen und zu pflegen, maßgeblich verändert.

Auf das Handeln kommt es an

Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel für einen der wichtigsten Leitgedanken der Karma-Lehre: Auf das Handeln kommt es an. Wir sind das Ergebnis unseres Handelns. Unsere Handlungen spielen nicht nur in unseren eigenen Beziehungen und für unsere persönliche und spirituelle Entwicklung eine Rolle, sondern auch in dem großen karmischen Geflecht, das das Leben auf diesem Planeten bestimmt. Jede Entscheidung, die man aus Mitgefühl trifft, und jeder Moment, den man innehält, um über die Konsequenzen des eigenen Handelns für das große Ganze nachzudenken, beeinflusst tatsächlich das große Ganze. Wenn man die Lehre des Karmas auf die eigene Entwicklung anwendet, hilft man auch dabei, das Bewusstsein der Menschen im eigenen Umfeld zu verändern – in der Familie, im Freundeskreis und sogar in der Welt.

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