Wie sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel?

Brauche ich sie und wenn ja, welche? Worauf sollte man bei Kauf und Dosierung achten? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Nahrungsergänzungsmittel (kurz NEM) findest du hier im Überblick.

Wie sinnvoll sind Multivitamin-Präparate?

“Das kommt ganz auf die Ernährungsweise an”, erläutert die ganzheitliche Pharmazeutin Sherry Torkos. Wenn du die berühmten fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag nicht schaffst und häufig zu ‘To go’-Essen oder Fertiggerichten greifst, dann können Multivitaminpräparate helfen, Mängel auszugleichen und deinen Nährstoffbedarf zu decken. Hast du dagegen kein Problem mit der ‘5 am Tag’-Regel und nimmst dazu regelmäßig Nüsse, Samen und ausreichend Proteine zu dir, dann bekommt dein Körper aller Wahrscheinlichkeit nach alles, was er an Vitaminen braucht. Andere Faktoren, die es laut Torkos zu berücksichtigen gilt: “Ihr allgemeiner Gesundheitszustand, Vorerkrankungen oder Medikamente, die Sie einnehmen.” So fehlt es zum Beispiel Frauen, die die Pille nehmen, häufig an Vitamin B6 und C sowie Folsäure. Auch Menschen mit Magen-Darm-Leiden, die die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen, etwa Zöliakie oder Morbus Crohn, können Torkos zufolge von Multivitaminpräparaten profitieren.

Wie sinnvoll sind Vitamin D Präparate?

“Seit der Jahrtausendwende ist Vitamin D mehr und mehr in den Fokus geraten, da es neben dem schon bekannten Einfluss auf die Knochengesundheit noch viele weitere Vorzüge zu haben scheint”, erklärt Dr. Howard Sesso, der mehrere Studien zum Thema durchgeführt hat. Vieles deutet darauf hin, dass etwa Leiden wie Arthritis, Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Multiple Sklerose oder Parkinson mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel in Zusammenhang stehen. Allerdings sind sich die Wissenschaftler weitgehend einig, dass diese Studien noch nicht aussagekräftig genug sind, um blindlings zu supplementieren. Wichtig zu wissen: Der Körper bildet Vitamin D durch über die Haut aufgenommenes Sonnenlicht. Als Faustregel gilt, dass 50 Prozent der Haut täglich 10-20 Minuten ungeschützt der Sonne ausgesetzt sein müssen, um die erforderliche Menge Vitamin D zu produzieren. Entsprechend kann man die Dosis im Sommer reduzieren oder ganz auf die Pillen verzichten. Allerdings gilt zu beachten, dass es einige Variablen gibt, die die tatsächliche Sonnenlicht-Aufnahme beeinflussen, etwa Alter oder Hautfarbe: Jüngere Menschen bzw. hellere Hauttypen wandeln das Licht effizienter um. Außerdem spielt es eine Rolle, zu welcher Tageszeit du dich der Sonne aussetzt. Wenn du über 50 bist, die Knochen öfters schmerzen, deine Muskeln schwach sind oder du unter Stimmungsschwankungen leidest, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du zu der einen Milliarde Menschen zählst, die weltweit unter einem Vitamin-D-Mangel leiden. Ob dem so ist, kannst du durch einen Bluttest leicht bestimmen lassen. Als Richtwert für den empfohlenen Tagesbedarf nennt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) 20 μg bzw. 800 Internationale Einheiten (IU) für Kinder ab einem Jahr und Erwachsene, wobei dieser Wert für den Fall gilt, dass keinerlei Eigenproduktion des Körpers stattfindet. Der tatsächliche Zufuhrbedarf liegt also darunter.

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Benötige ich Probiotika?

Probiotika sind lebensfähige Mikroorganismen (“gute Bakterien”), die als Lebensmittelzusatz oder in Form von Kapseln und Pulvern die Darmflora ins Gleichgewicht bringen, schädliche Keime bekämpfen und eine gute Nährstofffaufnahme gewährleisten sollen – alles Faktoren, die auch wichtig sind, um das Immunsystem zu stärken. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Idealerweise sorgt schon die Ernährung für eine gesunde Darmflora: Viele Vollkorn- und sonstige ballaststoffreiche Lebensmittel enthalten Präbiotika, das sind nicht verdauliche Pflanzenfasern, die Aktivität und Anzahl der “guten” Dickdarmbakterien erhöhen. Häufig nehmen wir allerdings nicht ausreichend Ballaststoffe zu uns, außerdem kann die Einnahme von Antibiotika einen Großteil der “guten Bakterien” abtöten. Bislang haben sich nur einige wenige Probiotika-Stämme als wirklich gesundheitsfördernd erwiesen. So zeigten Testreihen, dass das Milchsäurebakterium Lactobacillus GG sowie Zuckerhefen (Saccharomces) bei Durchfall helfen können. Andere Studien bestätigen, dass Bifidobakterien Reizdarmbeschwerden, Magenkrämpfe und Blähungen lindern sowie die Stressverarbeitung erleichtern können.

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Hat die Darreichungsform einen Einfluss auf die Wirksamkeit?

Tatsächlich kann die Form sowohl die Verträglichkeit als auch die Effizienz beeinflussen. “Vitamin-Gummis etwa enthalten häufig zu wenig oder zu viel an bestimmten Nährstoffen, weil der Herstellungsprozess es schwierig macht, die Menge zu kontrollieren”, erklärt der Arzt Dr. Tod Cooperman, Gründer und Präsident von ConsumerLab, einer Organisation, die unabhängige Studien zu Ernährungs-, Wellness- und Gesundheitsprodukten veröffentlicht. “Außerdem schmecken Gummis wie Süßigkeiten und sehen auch so aus, wodurch man in Versuchung geführt wird, mehr als die empfohlene Tagesdosis zu sich zu nehmen, die verträgliche Menge also zu überschreiten.” Liquids oder Sublingualtabetten (also solche, die du unter die Zunge legst) sowie Sprays können gegenüber klassischen Pillen und Kapseln einige Vorteile haben. “Flüssiges Fischöl kann zum Beispiel schneller verwertet werden als ein Softgel”, führt die Pharmazeutin Sherry Torkos aus. “Allerdings ist ein Sofort-Effekt bei Fischöl nicht unbedingt nötig.” Anders als etwa bei Melatonin, das möglichst schnell beim Einschlafen helfen soll. Apropos Melatonin: Dieses normalerweise von der Zirbeldrüse produzierte “Schlafhormon” ist in den USA frei in Drogerien und Supermärkten erhältlich, ob nun als Spray, Kapsel, Liquid oder Gel. Hierzulande ist die Zulassung bislang rechtlich umstritten, was zu vielen Unklarheiten führt. Hochdosiertes Melatonin (über 0,5 mg) ist eigentlich rezeptpflichtig, dennoch gab es Gerichtsurteile, die bestimmte Präparate als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen haben.

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Kann eine Überdosierung schaden?

Nahrungsergänzungsmittel Überdosierung
Für Vitamine und Mineralien gibt es empfohlene Höchstverzehrmengen, die auf der Packung angegeben sind.

“Ja”, sagt Dr. Howard Sesso, Mediziner, Ernährungsforscher und Epidemologe an der Harvard T.H. Chan School of Public Health. “Viele groß angelegte Studien zeigen, dass eine höhere Dosis nicht nur keinen höheren gesundheitlichen Effekt hat, sondern weit schlimmer: Bei bestimmten Vitaminen kann eine Überdosierung gefährliche Nebenwirkungen haben, von Magenbeschwerden über Geburtsfehlern bis hin zu Gehirnblutungen, die zum Schlaganfall führen.” Für Vitamine und Mineralien gibt es deshalb empfohlene Höchstverzehrmengen, die auf der Packung angegeben sind. Da die Studienlage jedoch nicht immer eindeutig ist, solltest du im Zweifel auf Nummer Sicher gehen und lieber etwas weniger einnehmen als zu viel. Ziel sollte es sein, nur die ernährungsbedingten Mängel auszugleichen anstatt sich willkürlich mit Vitaminen, Mineralien und Kräuterauszügen vollzustopfen. Besondere Skepsis ist daher bei “Mega-Dosis-Produkten” angebracht. Das sind Nahrungsergänzungsmittel, die pro Ration mehr als 100 Prozent der vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlenen Höchstmenge beinhalten. Das Komplizierte an der Sache: Derzeit gibt es noch keine EU-weite Regelung. Produkte, die zwar die für Deutschland gesetzlich festgelegte Menge überschreiten, im europäischen Herstellerland aber legal sind, dürfen wegen des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung auch hierzulande verkauft werden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat jedoch bei der EU die Erarbeitung einheitlicher Richtlinien eingefordert, sodass die Lage hoffentlich in naher Zukunft etwas weniger verwirrend aussieht.

Welche gesetzlichen Regelungen gibt es hierzulande?

Was die zugelassenen Vitamine und Mineralien sowie die Kennzeichnung angeht, gibt es europaweite Regelungen; in Bezug auf die Mindest- und Höchstmenge herrscht derzeit aber noch keine Einigkeit. Erlaubte Vitamine sind A, C, D, E, K, B1, B2, B6, B12, Niacin, Pantothensäure, Folsäure und Biotin; erlaubte Mineralstoffe Kalzium, Magnesium, Eisen, Kupfer, Jod, Zink, Mangan, Natrium, Kalium, Selen, Chrom, Molybdän, Fluor, Chlor, Phosphor, Bor und Silicium. Regelungen fehlen derzeit noch für Pflanzenzubereitungen wie Aloe Vera, Goji oder Noni sowie für sekundäre Pflanzenstoffe und Fettsäuren. Vorgeschrieben sind neben den Inhaltsstoffen auch einige Hinweise auf der Packung, darunter zum Beispiel der, dass Nahrungsergänzungsmittel eine vollwertige Ernährung nicht ersetzen und dass die ebenfalls anzugebene empfohlene Höchstmenge nicht überschritten werden darf. Heilsversprechen sind verboten, erlaubt dagegen Formulierungen wie “hilft bei” oder “senkt das Risiko von” – nach Überprüfung durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA).

Gibt es Testsiegel für Nahrungsergänzungsmittel?

Ja, jede Menge. Allerdings sind das gerne auch mal Fantasie-Siegel, die im Grunde nichts aussagen. Verlassen kannst du dich auf das internationale HACCP-Siegel (Hazard Analysis and Critical Control Points), das Einhalten von Kontrollmaßnahmen und Hygieneregeln garantiert. Ebenfalls hilfreich: Das TÜV-oder BIO-Siegel sowie DIN-Normen wie z.B. DIN ISO 9001.

Gibt es Tricks, die die Wirksamkeit verbessern?

Die meisten Nahrungsergänzungsmittel wirken besser, wenn man sie nicht auf leeren Magen, sondern zu einer Mahlzeit einnimmt. Im Optimalfall handelt es sich dabei um ein “ausgewogenes Gericht, das Proteine, Kohlenhydrate und Fett beinhaltet und die Magensäureproduktion anregt, was ausschlaggebend dafür sein kann, wie gut die Nährstoffe vom Körper aufgenommen und verarbeitet werden”, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Lauri Wright. Außerdem wirken einige Nährstoffe besonders gut, wenn man sie miteinander kombiniert. Hier zum Beispiel drei optimale Paarungen:

  • Eisen und Vitamin C: Die Säure in Vitamin-C-haltigen Produkten (etwa Beeren, Zitrusfrüchten oder Apfelessig) erleichtert die Verarbeitung des Eisens.
  • Kalzium/Magnesium und Vitamin D: Ohne ausreichend Vitamin D kann der Körper Kalzium und Magnesium nicht richtig aufnehmen. Vitamin D verbessert zudem die Fähigkeit der Nieren, Kalzium aufzuspalten, das andernfalls einfach ausgeschieden würde.
  • Vitamin A, D, E und Fett: Die fettlöslichen Vitamine A, D und E sollten mit einer kleinen Menge gesundem Fett eingenommen werden, wie es etwa in Nüssen, Olivenöl oder Avocados enthalten ist. (Achtung bei Avocados: Klimabilanz im Auge behalten!)

Welche Gegenanzeigen sollte ich kennen?

Einige Vitamine und Kräuter können sich gegenseitig beeinflussen oder auch die Wirksamkeit anderer Medikamente beeinträchtigen“, warnt die Pharmazeutin Sherry Torkos. Darum ist es immer sinnvoll, mit deinem Arzt oder Apotheker über Präparate zu sprechen, die du einnehmen sollst oder einnehmen willst. Die folgenden Gegenanzeigen (Kontraindikationen) solltest du kennen:

  • Wenn du Blutverdünner nimmst, solltest du nichts schlucken, was das Blut weiter verdünnen kann, wie zum Beispiel Vitamin E, hochdosierte Omega-3-Fettsäuren und Gingko. Auch bei Vitamin K ist Vorsicht geboten, da es die Wirksamkeit bestimmter Medikamente beeinflussen kann.
  • Hast du vor, dich längere Zeit in der Sonne aufzuhalten, dann lasse die Finger von Johanniskrautextrakt, Niacin und Vitamin B3, da diese die Lichtempfindlichkeit erhöhen und zu sonnenbedingten Hautreaktionen wie Ausschlägen führen können.
  • Bei einer Dünndarmfehlbesiedlung solltest du die Einnahme von Pro- und Präbiotika vermeiden, denn diese könnten deinen Darm mit Bakterien überschwemmen und deine Blähungen verschlimmern, erklärt Dr. Gerard Guillory, ein Integrativmediziner, der sich auf Reizdarmbeschwerden und das sogenannte Leaky-Gut-Syndrom (leaky gut = löchriger Darm) spezialisiert hat.

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