Das Herz als Symbol: Mehr als ein Organ

Da ist etwas, das uns verbindet. Trotz aller Unterschiede, die Menschen und Kulturen ausmachen, ähnelt sich vieles auf der ganzen Welt. Zum Beispiel das Herz als Symbol und die Vorstellung, dass die Seele im Herzen zu finden ist. Ein kleiner Abriss über kulturgeschichtliche Herzensangelegenheiten.

Mit Symbolen ist das ja so eine Sache: Wer zum Beispiel durch Indien reist, wird dort (und auch in anderen asiatischen Ländern) immer wieder auf ein Glück verheißendes Zeichen stoßen, das für die Weltseele, das Brahman der Upanischaden, steht oder auch für den Sonnengott des Hinduismus, Surya oder Aditya. Es schmückt Gebäude, Eingangstore, Brückengeländer, ja sogar Servietten oder Blumentöpfe. Für europäische Augen ist dieses “Sonnenrad” erst mal ein irritierender Anblick, denn wir sehen in der Swastika – das berüchtigte Hakenkreuz.

Wie viel einfacher macht es uns da das Herz als Symbol, das weltweit mit Liebe assoziiert wird, und zwar nicht nur die Liebe im romantisch-erotischen, sondern auch im göttlich-geistigen Sinn. Kein anderes Organ hat eine ähnliche “Karriere” gemacht, wenngleich, für unsere Ohren ganz amüsant, im Indonesischen die Liebe auch in der Leber (“hati”) verortet wird und Herzschmerzgeplagte dort unter “patah hati”, einer “gebrochenen Leber” leiden. Eher eine Ausnahme. Ansonsten spielt in fast allen Kulturen das Herz eine zentrale Rolle – wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten.

In unserer Praxisstrecke für ein heilendes Herz zeigen wir dir, welche Asanas dir helfen die Herzgegend mit Energie zu versorgen.

Herz als Symbol für Geist: Die indischen Upanishaden

Interessant ist zum Beispiel eine Stelle in der Aitareya-Upanishad. Darin fahren die Gottheiten auf der Suche nach einer Behausung schließlich in den Menschen ein und manifestieren so seine Verbindung mit dem Kosmos: “Das Feuer wurde zur Rede und ging in den Mund ein. Der Wind wurde zu Atem und ging in die Nasenlöcher ein. Die Sonne wurde zum Sehen und ging in die Augen ein. Die Himmelsgegenden wurden zum Gehör und gingen in die Ohren ein. Die Kräuter und Bäume wurden zu Haaren und gingen in die Haut ein. Der Mond wurde zum Denken und ging in das Herz ein. Der Tod wurde zum Aushauch und ging in den Nabel ein. Die Wasser wurden zum Samen und gingen in das Glied ein.” Das Herz steht hier also für den Geist – eine Vorstellung, die uns vielleicht dabei helfen kann, Denken und Fühlen nicht als Gegensatz aufzufassen, sondern in Harmonie zu vereinen.

Herz-Chakra: Die Magie der Lotusblume

Die zwölfblättrige Lotusblume symbolisiert im Chakrensystem das Herz-Chakra und steht für Weisheit, Harmonie, hingebungsvolle, bedingungslose Liebe sowie die Vollkommenheit und Reinheit des Herzens. Eine Symbolik, die auf der Natur dieser faszinierenden Pflanze basiert, die in der Nacht ihre Blüte schließt und in den schlammigen Wassertiefen versinkt, um im Morgengrauen wieder an der Oberfläche zu erscheinen und sich in ihrer ganzen Schönheit zu entfalten – wobei ihre noppenartigen Blätter Wasser und Schmutz abperlen lassen. Der Legende nach ist Buddha auf einer Lotusblüte geboren, in der man mit etwas Fantasie auch das uns bekannte Herz Symbol erkennen kann.

Das Herz als Symbol für den Sitz der Seele

Herz als SymbolDas Herz als Sitz der Seele ist für uns heutzutage ein fast schon selbstverständlich erscheinendes Bild. Doch das war nicht immer so. Bei den alten Griechen etwa wurden eher Leber und Lunge als “beseelte” Organe wahrgenommen. Es war Aristoteles, der die Vorstellung von der im Herzen wohnenden Seele prägte – und damit unter anderem seinem Lehrer Platon widersprach, der sich die Seele dreigeteilt vorstellte und ihr verschiedene Körperteile zuteilte, als Vernunft (Gehirn), Begehren (Rumpf ) und Willen (Herz). Während er dem Gehirn die höchste Bedeutung zuschreibt, ist für Aristoteles ganz klar: Dieses fungiert lediglich als eine Art “Kühlfunktion” für das Herz und das wallende Blut. Im Herzen aber müsse die Seele wohnen, das sei schon dadurch belegt, dass es all unsere Empfindungen begleite, etwa bei Aufregung schneller schlage.

Mitten ins Herz: Die Liebe des christlichen Gottes

Die zentrale Rolle, die das Herz in unserer Kultur spielt, liegt im Christentum begründet, insbesondere im Herz-Jesu-Kult. Das durchbohrte Herz des Gottessohnes gilt als Sinnbild für die göttliche Liebe zum Menschen. Über das Herz als Symbol kommuniziert der gläubige Christ mit Jesus und damit Gott. Im Herzen sitzt auch dem christlichen Verständnis nach die Seele – und damit sowohl das Böse, die irdischen Begierden, als auch der göttliche Funke, der uns das Gute und Übersinnliche erkennen lässt. Unser Herz ist diesem Verständnis nach hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zur Welt. Um diese Spaltung aufzuheben, gilt es, die göttlichen Gesetze zu befolgen und sich loszusagen von egoistischen Trieben. Im europäischen Adel kommt es übrigens bis heute vor, dass das Herz getrennt vom Leichnam beigesetzt wird!

Herzen für den Sonnengott: Aztekische Rituale

Grausam ging es bei den Azteken zu. In der aztekischen Vorstellung war die Welt instabil, stets droht ihr Untergang. Um die Ordnung aufrechtzuerhalten, waren große Opfer erforderlich. Vor allem dem Sonnengott Huitzilopochtli, aber auch mindestens zwölf weiteren Göttern wurden Menschenopfer dargebracht, Kriegsgefangene zumeist, die – vermutlich unter Drogen gesetzt – auf den Gipfel der Tempelpyramide gebracht wurden, wo ihnen bei lebendigem Leib das Herz herausgeschnitten wurde, das man, noch pochend, der aufgehenden Sonne entgegen hielt. Diesem Ritual liegt die Vorstellung zugrunde, dass die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan das Zentrum der Erde, das Herz das Zentrum des Menschen und die – oft auch als Herz dargestellte – Sonne das Zentrum des Kosmos ist.

Das Herz, ein ägyptisches Superorgan

Auch im alten Ägypten stand das Herz als Symbol im Mittelpunkt. Es galt als Sitz der Seele, war mit der Sonne verbunden und quasi für alles zuständig: Gefühle, Vernunft, Wille, Fortpflanzung und Kommunikation mit den Göttern. Weil man davon ausging, dass das Herz vor dem Totengericht des schakalköpfigen Gottes Anubis die Rechtschaffenheit oder Sündhaftigkeit eines Menschen verriet, legte man es, speziell konserviert, bei der Einbalsamierung als einziges wieder zurück in die Leiche, während die anderen Organe und Eingeweide in Extra-Gefäße kamen und das als unwichtig geltende Gehirn weggeworfen wurde. Übrigens: Ein “Herz aus Stein” galt bei den alten Ägyptern als etwas Positives, signalisierte es doch Stärke und Stabilität. Und ein “herzloser” Mensch konnte auch schlicht ein Dummkopf sein. So ändern sich die Zeiten …

Im Herzen lesen: Mohammeds Traum

Die “vielleicht letzte überlebende”, zumindest aber die “ausgeprägteste Herzenskultur” nennt der norwegische Kulturwissenschaftler Ole Martin Høystad in seinem 2006 erschienenen Buch “Kulturgeschichte des Herzens” den Islam. Das Herz steht in dieser Religion sowohl für sinnliche Wahrnehmung und Erkenntnisfähigkeit als auch für Inspiration und göttliche Einsicht. Gott ist Liebe und Liebe ist Gott – im Herzen kann der Mensch seinem Schöpfer begegnen, wenn es sich seiner dort sitzenden Kraft öffnet. Im Islam geht es viel um Offenbarung. So soll der Legende nach dem Propheten Mohammed im Traum der Erzengel Gabriel erschienen sein und ihm befohlen haben: “Lies!” Beim Aufwachen stand Mohammed das Wort Gottes ins Herz geschrieben, das er fortan der Welt verkünden sollte.

Herz auf Wanderschaft: Afrikanische Vorstellungen

In fast allen bekannten afrikanischen Kulturen geht man davon aus, dass die Seele nach dem Tod fortbesteht. Die nigerianischen Yoruba etwa gehen von einer geteilten Seele aus, wobei die vitale Seele oder der spirituelle Körper Emin zwischen Herz und Lunge sitzt, die Ojiji-Seele uns quasi ständig begleitet und im Himmel wieder auf uns wartet, die Elda- oder Ori-Seele uns beschützt und die die “Herz-Seele” Okan wandert. Dabei gibt es die Vorstellung, dass die
“Herz-Seele” eines Vorfahren versucht, bei der Geburt eines Nachkommen in dessen Körper zu schlüpfen. Durch solch eine Reinkarnation könne sich die spirituelle Essenz im Herzen des jeweiligen Trägers weiterentwickeln und verfeinern.

Wenn dich nicht nur das Thema “Herz als Symbol”, sondern auch das Organ selbst interessiert, dann erfährst du in unserer Reihe “Herzensangelegenheitenwelche Rolle Yoga für deine Herzgesundheit spielt.

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