In der Yogapraxis auf Gelenkgesundheit zu achten, ist nicht dasselbe wie Yogatherapie – aber es ergibt sehr viel Sinn. Kristin Rübesamen zeigt dir in diesem Teil ihrer Artikelreihe über Gelenkgesundheit einige Übungen, mit denen du dazu beiträgst, deine Schultern gesund zu erhalten und ihre Beweglichkeit und Kraft besser zu verstehen. Bei Verletzungen oder Schmerzen solltest du sie aber nur sehr vorsichtig einsetzen.
Text: Kristin Rübesamen / Fotos: Nela König
Das Schultergelenk
Das Kugelgelenk gehört zu unseren beweglichsten Gelenken und wird von Schulterblatt (Scapula) und Oberarmknochen (Humerus) gebildet. Die Gelenkpfanne liegt am äußeren Rand des Schulterblatts und ist von einer dicken, hyalinen Knorpelschicht überzogen. Darin hängt der deutlich größere, kugelförmige Oberarmkopf, der ebenso von einer Knorpelschicht überzogen ist. Die fehlende knöcherne Führung wird weniger durch die relativ dünne, weite Gelenkkapsel kompensiert als durch die umgebende Muskulatur. Neben der Stabilisierung des Schultergelenks ist es aber auch wichtig, die Beweglichkeit des Gelenks zu erhalten.
1. Schultermobilisation im Sitzen

Mit diesen kreisenden Bewegungen erzeugst du Elastizität in der Rotatoren-Manschette und löst verhärtete Muskeln und Faszien im Schultergürtel.
Setze dich aufrecht auf deine Fersen oder einen Klotz. Strecke beide Arme auf Schulterhöhe nach vorne und leicht nach außen. Beginne die Arme aus den Schultern in großen, ruhigen Bewegungen kreisen zu lassen. Achte darauf, dass die Arme lang bleiben und wechsle nach einer Weile die Kreisrichtung. Übe gerne 20 Wiederholungen pro Richtung.
2. Humble Warrior

Eine wunderbare Variante zum bekannten Krieger 1, bei der du nicht nur die Beine kräftigst, sondern auch deine Schultern mobilisierst. Lass dabei die Schwerkraft wirken: Das Gewicht deines Kopfes sorgt für eine heilsame Dehnung in Schultern, Nacken und Brust.
Setze aus dem Stand den rechten Fuß in einem großen Schritt nach hinten und stell ihn so auf, dass die Fersen deiner Füße in einer Linie oder breiter stehen und der hintere Fuß diagonal ausgedreht ist. Dein vorderer Fuß zeigt nach vorn und du beugst das Knie, sodass es etwa senkrecht über dem Fußgelenk steht. Das Becken ist möglichst gerade nach vorn ausgerichtet. Aktiviere deine Körpermitte, richte dich lang auf und strecke die Arme zunächst parallel nach oben. Dann beschreibst du einen weiten Bogen nach vorn, senkst den Oberkörper über das vordere Knie und führst die Arme hinter dem Körper so gestreckt wie möglich nach oben. Wenn es dir gut möglich ist, kannst du sie verschränken, ansonsten verwendest du einen Klotz oder Gurt. Richte dich aus der Kraft deiner Mitte wieder auf und wechsle zur anderen Seite.
3. Hoher Ausfallschritt mit Klotz

In dieser Variante kommt es darauf an, Füße, Beine und Mitte noch stärker zu aktivieren als gewöhnlich, um dich zu stabilisieren. Gleichzeitig kräftigst du deine hintere und obere Schultermuskulatur.
Setze den rechten Fuß in einem weiten Ausfallschritt nach hinten, die Füße sind etwa hüftbreit und zeigen beide nach vorn, die hintere Ferse ist in der Luft. Ziehe deine Beininnenseiten nach innen, den Beckenboden nach oben und den Nabel nach hinten zur Wirbelsäule. Aus dieser Stabilität heraus kannst du dich nabelaufwärts entspannt aufrichten, das Brustbein heben und die Vorderseite des Oberkörpers in einer leichten Rückbeuge aufspannen. Führe die Arme lang hinter den Körper, nimm einen Klotz zwischen die Hände und lass den Brustraum mit der Atmung immer weiter werden. Optional gehst du von hier aus weiter und lehnst dich mit festem Bauch und aktiviertem hinteren Bein nach vorne in die Diagonale. Hebe die gestreckten Arme vorsichtig und halte den Klotz fest zwischen den Händen.
Achtung: Diese Asana entfaltet ihre Wirkung nur, wenn deine Schultern nicht nach vorne rollen und Richtung Ohren schieben. Nachdem du dich kontrolliert wieder aufgerichtet hast, übst du die zweite Seite.
4. Anahatasana mit Klötzen

Anahatasana ist nicht nur ein hinreißender Herzöffner, sondern auch eine intensive Mobilisierung für die Schultern. In dieser Variante wird das durch die Erhöhung der Ellenbogen und den weiteren Winkel noch intensiviert.
Starte im Vierfüßler und wandere mit den Händen etwa um eine Unterarmlänge nach vorn. Lege die Ellenbogen hier jeweils auf einem Klotz und ziehe dann mit der Ausatmung das Becken zurück, bis es etwa senkrecht über den Knien steht. Lass deine Brust sinken, sodass sich das Herz dem Boden nähert und lege die Handflächen hinter dem Nacken sanft aneinander. Achte darauf, dass dein Becken über den Knien bleibt. Nachdem du dich behutsam wieder aus der Haltung gelöst hast, entspannst du Rücken und Schultern in der Haltung des Kindes.
5. Sphinx mit Klötzen

Die Klötze entlasten in dieser Variante die Handgelenke und richten den Fokus zurück auf die Abduktion des Schulterblatts und die Erfahrung von Weite in Schultergelenk und Brustkorb.
Starte in der Bauchlage. Deine Beine sind lang nach hinten gestreckt, deine Fußrücken berühren den Boden. Aktiviere Beine und Körpermitte, bevor du Kopf und Brust hebst und auf deine Unterarme kommst. Schiebe die Unterarme gegen die Matte, um deine Schultern zu aktivieren. Dabei bewegst du die Spitzen deiner Schulterblätter nach hinten-unten und zueinander hin. Weite deine Schlüsselbeine, richte deinen Blick locker nach vorne und lasse deine Aufmerksamkeit tiefer in die Herzgegend sinken. Nach einigen Atemzügen in dieser klassischen Haltung ziehst du die Ellenbogen rechtwinklig auseinander und legst deine Hände erhöht auf zwei Klötze. Entspanne deine Schultern und lasse sie schwer werden.
6. Dynamisches Gomukhasana in Bauchlage

Von dieser Variation des sitzenden “Kuhgesichts” profitiert die Schultermuskulatur, besonders die Muskelansätze der Rotatorenmanschette, gleichzeitig wird der Brustmuskel gedehnt.
Achte auch hier darauf, Becken und Lendenwirbelsäule stabil und lang zu halten. Dabei unterstützen dich aktive Beine, eine subtile Spannung im unteren Bauch und die Vorstellung, die unteren Rippen vom Nabel weg zu atmen. Aus dieser Stabilität heraus streckst du deinen rechten Arm gerade nach vorn und deinen linken Arm nach hinten. Dann beugst du langsam und kontrolliert beide Ellenbogen, sodass rechte Handfläche und linker Handrücken knapp über dem Rücken schweben. Ob sich die Fingerspitzen deiner Hände dabei berühren, ist nicht entscheidend. Strecke beide Arme langsam zurück in die Ausgangsposition und mache dann, weiterhin in Zeitlupe, einen Seitenwechsel.
Übe beide Seiten gleich oft und lege dabei nie die Hände ab. Spüre, wie wohltuend anstrengend die kontinuierliche Bewegung sein kann, und achte dabei darauf, dir den nötigen Spielraum für die Rotation gewissermaßen zu “eratmen”.
7. Schulterdehnung in Bauchlage

In dieser Variante erfahren wir auf mehreren Ebenen, wie sich das Schulterblatt bewegt: Es rotiert bei beiden Armen nach außen. Zusätzlich wird am unteren Arm die seitliche Schultergelenksmuskulatur gedehnt.
Strecke den linken Arm lang nach vorne und fädele den rechten ebenfalls lang gestreckt unter der linken Schulter hindurch. Dabei dreht die rechte Handfläche automatisch nach oben. Lasse deinen Kopf entspannt sinken und atme einige Atemzüge lang bewusst in die Region zwischen den Schulterblättern. Anschließend wechselst du behutsam die Seite.
8. Schulterdehnung im Sitzen

Mit dieser Übung kannst du die seitliche Schultergelenksmuskulatur mobilisieren, die gerade bei viel Schreibtischarbeit oft verspannt ist.
Finde eine stabile Sitzposition, in der du Becken und Wirbelsäule entspannt aufrichten kannst. Strecke dann den rechten Arm auf Schulterhöhe entlang der Brust weit nach links. Diese Dehnung unterstützt du, indem du den linken Arm anwinkelst und den rechten sanft damit zur Brust ziehst. Achte darauf, dass die rechte Schulter nicht nach oben ausweicht und der rechte Arm bis in die Fingerspitzen gestreckt ist. Bleibe einige Atemzüge und wechsle dann die Seite.
Im ersten Teil unserer Reihe berichtete Kristin Rübesamen über die Basics der Gelenkgesundheit und zeigte Übungen für die Knie. Sie hat sich als Yogalehrerin, Podcasterin und Autorin in der Yogaszene und weit darüber hinaus einen Namen gemacht. Außerdem organisiert und leitet sie Yoga und Wander-Retreats. Mehr zu Kristin und ihrer Arbeit auf yogahikes.de und auf Instagram @yogahikes__
Hier geht’s zum Intro-Artikel von Kristin Rübesamen über Gelenkgesundheit: