SUP-Yoga: Navasana mal anders

Wasserratten ahoi!

Am malerischen Ammersee bietet Percy Shakti Johannsen yogischen Wasserratten die Möglichkeit, auf einem Paddleboard zu praktizieren und sich dabei auf ihre eigene Mitte zu konzentrieren.

YOGA JOURNAL: Percy, was sind die Ursprünge von Stand-Up-Paddleboard-Yoga?
PERCY JOHANNSEN: Stand Up Paddle (SUP) Surfing geht ursprünglich auf polynesische Fischer zurück, die sich in ihren Kanus stehend auf dem Meer fortbewegten. In den letzten Jahren fand SUP immer mehr Verbreitung als Freizeitsport und entwickelte sich zu einer eigenständigen Wassersportart. Da Yoga um einiges älter ist als SUP und es schon lange Yogis gibt, die auch surfen, ist anzunehmen, dass die ersten Yogis unmittelbar nach Entwicklung dieses stabilen Surfbretts bereits Yoga darauf übten.

Was ist das Besondere an einer Yogastunde auf dem Wasser?
Die einzigartige Verbindung und die Nähe zur Natur und sie mit allen Sinnen bewusst wahrzunehmen: das Geräusch, wenn das Brett über die kleinen Wellen gleitet, das Glitzern der Sonne auf dem Wasser, das Gefühl des warmen Sommerwinds, der Geruch von Sonnencreme und der Geschmack des Wassers, wenn man doch mal vom Brett fällt. Es ist wirklich eine wunderschöne Herausforderung, all die auf der Yogamatte gemeisterten Asanas auf einem beweglichen Untergrund auszuprobieren, zu üben – und zu genießen.

Braucht man Vorkenntnisse, um an einer SUP-Yogastunde teilzunehmen?
Grundsätzlich braucht man keine Vorkenntnisse. Für SUP-Anfänger bieten wir im Vorfeld einen halbstündigen Einführungskurs zu den Grundlagen beim Stand Up Paddling an, Yoga-Anfänger werden, genau wie bei „normalen“ Stunden auf festem Untergrund, sanft durch die verschiedenen Asanas begleitet. Auf den SUP-Brettern steht man erstaunlich sicher und selbst Anfänger können sofort loslegen. Und mit der Balance ist es genau das Gleiche wie an Land: Hör auf deine innere Stimme und übe deiner Verfassung entsprechend. So bleibt ein unerwünschter Badespaß aus, wobei das kühle Nass hin und wieder auch eine sehr willkommene Erfrischung bietet.

Besteht nicht die Gefahr, dass jeder Schüler auf seinem Board in eine andere Richtung driftet? Wie hält man die Gruppe auf dem Wasser zusammen?
Bei schönem Wetter und Windstille geht das ganz gut, ansonsten paddelt man einfach
zurück, sobald die Stimme des Lehrers so leise wird, dass man nichts mehr versteht. Und inzwischen haben wir auch ein tolles System mit Seilen entwickelt, mit dessen Hilfe das Auseinanderdriften verhindert wird.

Kühlt man nicht sehr schnell aus, wenn man auf dem Wasser praktiziert?
Ich passe das Stundenbild den Schülern und der Wetterlage an, so dass es in der Regel immer angenehm warm ist. Für den Fall der Fälle kann man über uns auch Neoprenanzüge leihen und damit aufs Wasser gehen. Die Anzüge schützen vor kaltem Wasser und Wind.

Percy Shakti Johannsen ist Visionär, Numerologe und ärztlich geprüfter Yogalehrer. 2008 gründete er zusammen mit seiner Frau das Namasté Yoga Studio in Herrsching am Ammersee, wo er seit 2011 auch SUP-Yogastunden gibt. Mehr Infos unter www.shaktiji.com

Kochen Mit: Katharina Bretsch

Lauwarmer Salat vom Kräuter- und Austernseitling mit Avocado-Granatapfel-Dressing

250 g Kräuterseitlinge
250 g Austernseitlinge
1 Granatapfel
2 Avocados
Saft von 1 Zitrone
2 rote Zwiebeln
1 1/2 TL Senf
4 EL Essig
5 EL ÖL
1/2 TL Zucker
2 EL Wasser
Salz
frisch gemahlener Pfeffer

  • Die Kerne aus dem Granatapfel lösen. Senf, Essig, drei Esslöffel Öl, Zucker und Wasser vermengen und anschließend die Granatapfelkerne, Salz und Pfeffer zufügen.
  • Die beiden Avocados schälen, das Fruchtfleisch in Würfel schneiden und sofort mit Zitronensaft beträufeln. Kurz ziehen lassen und zum Dressing geben.
  • Zwiebeln in feine Ringe schneiden und in einem Esslöffel Öl anbraten.
  • Die Kräuter- und Austernseitlinge in mundgerechte Stücke schneiden, im restlichen Öl kurz scharf anbraten und sofort mit den Zwiebelringen in eine Schüssel geben.
  • Danach mit dem Dressing vermengen und nochmals mit Salz und Pfeffer abschmecken.
  • Am besten lauwarm servieren.

Mit einer Scheibe Bauernbrot wird das Gericht übrigens auch zu einer tollen Hauptspeise!

„Kochen ohne Tiere“ ist für Katharina Bretsch eine Selbstverständlichkeit. Die Verantwortung in Bezug auf die eigene Ernährung ist für die Stuttgarter Grafikerin (31) so essenziell, dass sie sich damit sogar in ihrer Diplomarbeit im Fach Kommunikationsdesign auseinandergesetzt und ihr eigenes vegan-illustratives Kochbuch gestaltet hat. Sechs Wochen hat sie dafür am Stück gekocht und ständig Freunde zu ausgedehnten Ess-Orgien eingeladen. Am Ende haben es dann von den 150 nachgekochten Rezepten 55 in den Druck geschafft, die Diplomarbeit wurde mit dem Prädikat „ausgezeichnet“ versehen und als Buch „Kochen ohne Tiere“ innerhalb kürzester Zeit verlegt. Ob sie einige ihrer Freunde von der veganen Kochkunst überzeugen konnte? „Ich komme sowieso aus einem sehr vegetarier- und veganerfreundlichen Kreis. Dadurch, dass ich aus den Probe-Essen immer Riesenevents mit teilweise Acht-Gänge-Menüs gemacht habe, wurde die ganze Aktion zu einem großen Spaß. Ich liebe das Kochen und mir macht es unglaubliche Freude, Menschen davon zu überzeugen, dass köstlich nicht gleich mit tierischen Produkten zusammenhängt.“ www.jumi-jami.blog.de

 

OFF THE MAT INTO THE WORLD

Die Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Off the Mat Into The World Deutschland, Gaby Haiber, bekommt tatkräftige Unterstützung von der Berliner Yogalehrerin Frauke Schroth. Im Namen des Yoga-Aktivismus startet Sie mit Ihrem ersten Projekt „108 x 108 Sonnengrüsse für den Regenwald und die Menschenrechte in Ecuador“.

Wann war deine erste Begegnung mit OTM, also Off the Mat?
2010 nahm ich das erste Mal an einem OTM-Workshop teil, als Seane Corn (eine der Gründerinnen) in Deutschland war. Sie und das ganze Projekt haben mich sehr inspiriert und ich wusste schnell, dass ich ein Teil davon sein wollte. Damals kam ich allerdings ganz frisch aus meiner Yogalehrerausbildung und musste mich erst einmal orientieren. 2012 bin ich dann zu einem OTM-Training nach New York gereist. Voll Tatendrang zurück, konnte ich am Anfang nur schwer glauben, dass niemand außer Gaby Haiber aktiv tätig war, obwohl es ein so sinnvolles, wundervolles Projekt ist. Also habe ich Gaby kontaktiert – und jetzt stützen wir uns gegenseitig. Ich habe das Gefühl, dass sich das Rad wieder dreht und wir auch in Zukunft einiges bewegen können.

Hast du dich im Vorfeld auch schon sozial engagiert?
Nach dem Abitur habe ich während meiner Weltreise mehrere soziale Projekte begleitet. Durch Praktika und das Studium der Medieninformatik habe ich diesen Weg allerdings wieder etwas aus den Augen verloren. Auf der Reise kam ich das erste Mal mit Yoga in Berührung und habe mich nach dem Studium zu einer Yogalehrerausbildung entschlossen. Jetzt unterrichte ich bereits seit drei Jahren und kann mit Hilfe von OT M die Brücke zwischen Yoga und Aktivismus schlagen.

Du hast gerade den yogischen Spendenmarathon „108 x 108“ für die Global Seva Challenge (GSC ) organisiert. Was hat es damit auf sich?
Die GSC ist ein weltweiter von OT M initiierter Spendenaufruf. Die Teilnehmer werden dazu motiviert, 15 000 Euro Spenden zu sammeln. Diejenigen, die diese Grenze erreichen, werden im darauf folgenden Jahr auf die „Bare Witness Tour“ mitgenommen. Dieses Mal geht es in den Amazonas, wohin auch die Spenden fließen. „108 x 108“ ist mein Versuch, diese Summe zu sammeln. Dafür machen 108 Yogis 108 Sonnengrüße. Jeder Yogi bringt zusätzlich Sponsoren mit, die Spendengelder beisteuern. Es geht aber nicht nur um Geld, sondern auch darum, eine Gemeinschaft zu bilden, ein Zeichen zu setzen und die daraus entstehende Kraft für etwas Größeres zu nutzen. Natürlich kann man auch auf der Homepage der GSC einen Teilnehmer aus einem Land aussuchen, der das Ziel noch nicht erreicht hat und für ihn spenden.

Wollt ihr euch in Zukunft auch um soziale Probleme in Deutschland kümmern?
Das ist der Plan und ich habe auch schon einige Ideen. In Kürze können wir mehr dazu sagen. „108 x 108“ bleibt wohl das einzige Projekt für dieses Jahr, aber danach geht’s auf jeden Fall weiter. Ich bin offen und für jede Schandtat bereit.

Von Laura Hirch

Frauke Schroth unterrichtet seit drei Jahren in Berlin und hat als Mitglied von
Off The Mat Into The World Deutschland Anfang August 2013 den yogischen Spendenmarathon
„108 x 108“ organisiert. Weitere Informationen unter:
www.fraukeschroth.com und
www.offthematintotheworlddeutschland.wordpress.com

Interview: Tex / Christoph Drieschner

Wie Innen, so Aussen

Als Freund der leisen Töne beschäftigt sich der Mathematiker, Musiker und Moderator Christoph Drieschner alias „Tex“ auch mit Yoga. Im Herbst geht er mit einem Live-Programm zu Khalil Gibrans spirituellem Text „Der Prophet“ auf Tour.

YOGA JOURNAL: Tex, du bist durch deine Musik bekannt geworden, aber ein Millionenpublikum hast du als Moderator deiner Live- und Web-Musikshow „TV Noir“ gefunden. Mittlerweile läuft sie auf ZDFkultur und war sogar für den Grimme-Preis nominiert. Was spielt momentan die größere Rolle in deinem Leben?
TEX: Ich sehe mich immer noch zuerst als Sänger und Songschreiber, die Rolle des Moderators und Gastgebers hat sich eher ergeben. Ich mag es, einen Rahmen zu schaffen, in dem meine Gäste das zeigen können, was sie unverwechselbar macht.

Deine Show hat ein sehr spielerisches Moment, trotzdem merkt man, wie intensiv du dich auf jeden Gast vorbereitest. Du hast früher als Karikaturist für verschiedene Zeitungen gearbeitet – kommt daher das Interesse daran, bei den Menschen die Essenz zu finden?
… und die Dinge auf die Spitze zu treiben (lacht). Tatsächlich war ich auch als Karikaturist auf der Suche nach dem Besonderen und dem Berührenden. Es ging mir dabei nie um ein möglichst gutes Bild, sondern darum, sehr nah heranzukommen. Bei „TV Noir“ haben wir kein festes Verfahren, sondern versuchen, Verbindung zwischen uns, den Gästen und dem Publikum herzustellen.

In einem anderen Zusammenhang sagtest du einmal: „Musik hat viel mit einer Haltung zu tun, die man pflegen und verfeinern kann.“ In diesem Sinn ist es interessant, dass du Anusara Yoga übst …
Wir sind gerade dabei, „TV Noir“ als Marke auszubauen. Mit „Marke“ meine ich allerdings nicht nur ein Marketinginstrument, sondern eine Orientierungshilfe nach innen: Für das, wofür man steht, und die Haltung, mit der wir an die Sachen herangehen. Es gibt keinen Tag, an dem mich dabei nicht das Prinzip des Anusara Yoga inspiriert: „Stabilize the periphery and move from the core“ – „Stabilisiere dich im Außen und bewege dich aus dem innersten Kern heraus.“

Eine Art Balance zwischen Basis und Improvisation?
Es bringt nichts, Yogahaltungen statisch auszuführen. Im Anusara Yoga spricht man vom Schwingen zwischen muskulärer und organischer Energie. Von meinem Mathematikstudium und meiner späteren Arbeit als Software-Entwickler habe ich mir das iterative Arbeiten abgeschaut. Darunter fallen sehr klar definierte Prozesse, der Wunsch, bei jeder neuen Runde besser zu werden, leichtgewichtig zu experimentieren, Prototypen zu erstellen und sie dann weiterzuentwickeln. Auch im Yoga sind wir immer im Wandel. Da gibt es nichts Perfektes, sondern einen kontinuierlichen, liebevollen Prozess. Auf atmende, wiederholende Weise gehen wir immer wieder neu heran. Statt die Dinge nach festen Kriterien zu beurteilen, schenken wir ihnen Aufmerksamkeit. Wir haben kein Ziel im Auge, sondern richten uns von innen aus. Da ist es immer gut, die Justierung zu überprüfen: Wie fließt die Energie, wie fühlt sich das an, wie lautet das emotionale Ergebnis?

Erschließen wir uns eher einen Raum als eine Form?
Ja, ein extrem kreativer Prozess, den ich übrigens auch in der Mathematik fand: Dort sind wenige Beweise so einfach, dass sie sich ganz ohne Intuition erschließen. Spannend wird es bei schwierigen Fällen, dann geht es um den Weg dorthin – beim Songschreiben ist es ähnlich. In beiden Fällen brauchst du eine Grundahnung, musst dein Hirn dann regelrecht fluten, eine Spiellust und einen Jagdinstinkt entwickeln. Du brauchst geniale Ideen, solltest sie aber nicht so früh auskristallisieren lassen, sondern alle Möglichkeiten offen halten und die verschiedenen Enden so verknüpfen, dass es am Ende gut passt und Eleganz hat.

Eleganz und Emotionalität sind nicht die ersten Erinnerungen, die ich an meinen Mathematikunterricht in der Schule habe …
Weil wir es in der Schule mit fertigen Algorithmen zu tun haben. Deshalb werden die, die sich im Leistungskurs durch Fleiß noch gut geschlagen haben, im Mathestudium oft nicht glücklich. Dort geht es um Beweise, stundenlanges Tüfteln und im Dunkeln Tappen mit einer Vision, in welche Richtung es gehen könnte. Ich habe wochenlang mit hochrotem Kopf an Problemen gesessen – wenn das nicht emotional ist.

Aus Optionen heraus den schönsten Weg zu finden: Das scheint dein persönliches Leitmotiv zu sein.
Im Yoga hatte ich in dieser Hinsicht sehr gute Lehrer: Über Lalleshvari und Vilas Turske habe ich die tiefen Wurzeln der Yogahaltungen in der tantrischen Lebensphilosophie kennengelernt, die meiner eigenen sehr entspricht.

Wie funktioniert diese Haltung in der Berliner Medienwelt und speziell in deiner Szene?
Ich sehe es als Privileg, mir meine Umgebung suchen und gestalten zu können. Nicht umsonst nennen wir unser Projekt „Wohnzimmer der Songwriter“, es herrscht eine sehr menschliche Atmosphäre. Als Projektleiter habe ich Interesse daran, Leute zusammenzubringen, Visionen zu teilen, die Firma zu prägen und zu gestalten. Dazu gehört unsere wöchentliche Yogastunde mit der Anusara-Lehrerin Kristina Mann in unserem Büro in Kreuzberg. Wir entscheiden aktiv, wie wir arbeiten und wie viel Hektik, Zynismus und Arroganz wir an uns heranlassen wollen. Ich brauche Yoga nicht als Oase, um anderes ertragen zu können, sondern um Inhalte zu schaffen, die zu meiner und unserer inneren Kultur passen. Durch die Praxis werde ich sensibler und bekomme mehr mit.

Im Herbst gehst du mit dem Buch „Der Prophet“ des libanesischen Poeten Khalil Gibran auf Tour, du hast das Buch auch als Hörbuch gelesen und vertont. Was fasziniert dich an diesem Text?
Dieses Buch singt das Leben! Für mich hat es viele Überschneidungen mit dem yogischen Begriff „Satya“, der meist etwas holprig mit „Wahrheit“ übersetzt wird: Dem Weggehen von der Vorstellung, wie etwas sein soll, stattdessen größere Aufmerksamkeit aufbringen. Es ist, was es ist. Khalil Gibran bejaht und zelebriert, was 1923, im Jahr der Veröffentlichung, eigentlich tabu war, unter anderem Schmerz, das Körperliche, Sexualität, Tod. Damit liefert „Der Prophet“ einen Schlüssel zur tantrischen Philosophie, der sehr kompatibel mit dem ist, was ich im Anusara Yoga kennengelernt habe.

Deine Art, den Text vorzutragen und mit deiner Musik zu begleiten, unterstützt diese Schönheit – weil sie so schlicht ist.
„Der Prophet“ ist inhaltlich so dicht, so auf den Punkt, so lebensweise und so inspirierend, dass dies für mich die angemessenste Weise war. Khalil Gibran hat ja jahrzehntelang daran geschrieben und die rund 100 Seiten immer wieder extrem verfeinert. Heute würden wir sagen, dass er sehr im „Flow“ gearbeitet hat, nie in Routine verfallen ist, sondern meditativ, konzentriert und erfüllend vorgegangen ist. Wie im Yoga – oder auch, wie ich komponiere. Ich habe auch schon ein halbes Jahr an einem einzigen Song gearbeitet.

Weitere Infos zu Tex’ Musik, seinem „TV Noir“ und zum Hörbuch „Der Prophet“ (Argon Balance, 17 Euro) gibt es unter www.tvnoir.de und www.texorama.de

Gibt es die (eine) Yogaphilosophie?

In vielen Yogastudios gehört es zum guten Ton, aus „alten Schriften“ zu zitieren oder gar Yogaphilosophie zu lehren. Dabei hat man immer öfter das Gefühl, man müsse diese Philosophie dringend gegen ihre Freunde verteidigen.

Die Topseller im Bereich der „Yogaphilosophie“ sind sicherlich Patanjalis Yogasutra und die Bhagavad Gita. Mit einigem Abstand folgt noch die so genannte Hatha Yoga Pradipika. Warum ausgerechnet diese drei Werke die zentralen Quellentexte für Yoga sein sollen und nicht noch viele andere, wäre erklärungsbedürftig – bleibt aber im Dunkeln. Neben der mitunter unklaren Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Texte steht also schon am Anfang die Frage, wer eigentlich über ihre Auswahl und Relevanz entscheidet? Vermutlich sehen wir nur einen Bruchteil. Immerhin ist die Bhagavad Gita auch die wichtigste Schrift einer ganz anderen Tradition, nämlich des Hinduismus.

Aber einmal vorausgesetzt, die Yogaphilosophie-Lehrer halten den „richtigen“ Text von den „richtigen“ Leuten in Händen, müssen sie sich doch zwei Fragen stellen: Verstehen wir das, was da geschrieben steht? Und stimmt es denn auch? Die Frage nach dem Verständnis ist alles andere als trivial: Kaum jemand spricht Sanskrit oder kann die Qualität der unterschiedlichen Übersetzungen beurteilen. Die fünf oder sechs verschiedenen deutschen Versionen der ersten Sutras von Patanjali, die ich kenne, liegen meilenweit auseinander. Ich nehme also die, die mir am besten gefällt – es fehlt mir jedoch ein hartes Kriterium, um diese Wahl argumentativ zu begründen. Trotzdem führt der Vergleich von mehreren Übersetzungen zumindest zu der wichtigen Einsicht, dass es sich jeweils um Interpretationen des Originals durch verschiedene Autoren handelt. Ein Hauch von kritischer Distanz könnte sich einstellen.

Zum Verständnis gehört neben der Sprache auch der gedanklich transportierte Inhalt. Vielleicht erfassen wir ja tatsächlich die generelle Idee eines solchen Sutra? Komischerweise wird in der Yogaszene die Plausibilität der so genannten „alten Schriften“ nie ernsthaft bezweifelt oder auch nur im Ansatz diskutiert. In keinem Yogabuch der letzten Jahre habe ich je gelesen, dass das, was da steht, aus diesem oder jenem Grund nicht stimmen würde. Das heißt, es gibt hierzulande offenbar keinerlei kritische Auseinandersetzung mit der „Philosophie“ des Yoga. Und das ist wirklich schlecht. Jede Philosophie, die diesen Namen verdient, sollte kontrovers diskutiert werden, muss kritisiert und geprüft werden, sich bewähren und darf sich auch als falsch erweisen. Das Problem ist aber, dass die genannten

Texte als zeitloses Offenbarungswissen aufgefasst werden und deswegen gegen Kritik und Widerspruch immun sind. Wie soll sich der Gott Krishna in der Bhagavad Gita irren und gleichzeitig ein Gott sein? Die Texte werden dadurch zu einem Dogma – und sind keine Philosophie. Nun ist Yoga selbst, so wie ich es verstehe, allerdings ein undogmatisches System. Und zwar eines, das äußerst dynamisch ist. Im Kern ist Yoga eben nicht statisch und unverrückbar, sondern beweglich und evolutionär. Die gleichen Lehrer, die von „Loslassen“ und „Prozessen der Veränderung“ sprechen, tragen eine in Stein gemeißelte „Philosophie“ ewiger Prinzipien mit sich herum.

Ein weiteres Problem ist, dass in den neuen Yogabüchern meist nichts Neues steht. Es fehlt schlicht an Originalität. Und es wird tatsächlich nur nachgebetet, was schon seit Jahren überall so steht. Wo bleibt der Fortschritt, die Weiterentwicklung, die Neuinterpretation – all das, was eine gute Idee locker verträgt, sie geradezu ausmacht? Autoren, Lehrer und Schüler haben sich offenbar von ein paar alten Texten aus Indien entmündigen lassen. Der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno warnt vor den „Fassaden höheren, tieferen Sinns“, vor dem „raunendem Beteuern, es gebe eine überindividuelle, zeitlose Ordnung“. Er empfiehlt zunächst das Nicht-Einverständnis und „abweichendes Verhalten gegenüber dem kompakten Kollektiv“, die permanente Revolution. Auch das muss man nicht glauben; doch es hört sich ziemlich aufgeklärt, selbstständig und unabhängig an. Auf jeden Fall sind wir gut beraten, wenn wir herauszufinden versuchen, ob unsere eigenen Ideen richtig sind – indem wir prüfen, ob sie vielleicht falsch sein könnten.

 

Michi Kern ist einer der Mitbegründer der Jivamukti- Yogaschulen in München, wo er auch unterrichtet. Er betreibt diverse Clubs sowie (vegane) Restaurants und studiert Philosophie

Schuld und Sühne

Drogen, Kriminalität und Gewalt prägten seine Vergangenheit. Schließlich beging Dieter Gurkasch sogar einen Mord und sass 25 Jahre lang im Knast. In der Mai/Juni-Ausgabe 2010 berichtete YOGA JOURNAL darüber, wie er in der JVA Fuhlsbüttel eine Yogagruppe ins Leben rief. Jetzt ist er wieder frei.

Als unsere Redakteurin Monique Opetz 2010 nach Hamburg fuhr, um mit Dieter Gurkasch über seine Praxis zu sprechen, hatte der Häftling mit Yoga einen Weg zu innerem Frieden gefunden. Heute, mehr als drei Jahre später, trifft YOGA JOURNAL ihn zum Interview unter einem freien Sylter Himmel. Er ist zu einem tief gläubigen Menschen und überzeugtem Yogi geworden. Ein Dialog über die hart erkämpfte Freiheit – und die Erlösung von der Schuld.

YOGA JOURNAL: Wie fühlt es sich an, wenn man nach 25 Jahren – teilweise in Sicherheitsverwahrung und mehr als sieben Jahre in Isolation – das Gefängnis hinter sich lässt und in die Freiheit zurückkehrt?
DIETER GURKASCH: Gut (lacht). Zunächst ist der Schritt in die Freiheit nach so langer Haft natürlich verunsichernd. Es lässt sich kaum anders beschreiben, als dass ich mich wie ein Außerirdischer gefühlt habe. Ich gehörte nicht zu der Gemeinschaft draußen. Vielleicht kennst du das Gefühl, fremd in einer anderen Stadt zu sein: Die Bewohner merken dir das an. Deine Energie ist anders. Der Kick kommt von der Entlassung: Plötzlich bist du frei – die Mauern fallen! Durch diese Euphorie wird die Umwelt mit all ihren Herausforderungen wahrgenommen. Es war ein Teil meines Freiheitsgefühls, Neues zu lernen: skypen, chatten, mailen, twittern – ich hatte von alledem keine Ahnung und kam mir erst einmal unglaublich blöde vor. Aber ich hatte einen roten Faden, der mich zuverlässig durch diese Phase navigiert hat: meine Yogapraxis. Davon ausgehend konnte ich mein neues Dasein in Freiheit aufbauen.

Du hast dich quasi bereits im Gefängnis selbst befreit, so dass du den Weg in die Freiheit „draußen“ angstfrei gehen konntest?
Die Freiheit ist mir regelrecht auf dem Fuße nachgefolgt. Angstgefühle hatte ich nie: Ich war keinen Moment verunsichert in dem, was ich tue. Die spontane, unangekündigte Entlassung war für mich ein klarer Beweis, dass mein Leben von der Liebe geführt wird und ich heute nahezu sorglos und wirklich befreit durchs Leben gehen kann. Zuvor war das ganz anders – ich habe mit Gott und dem ganzen Universum gehadert. Ich sollte ja bereits 2006 in Vollzugslockerung kommen, um 2007 entlassen zu werden. Doch die Justizanstalt sah das anders und ich saß länger, als meine Haftstrafe dauerte. Ich war total verzweifelt, weil ich nicht wusste, ob ich je wieder aus dem Knast komme: Warum wurde ich nochmals diesem Zweifel und der Unsicherheit ausgesetzt? Heute verstehe ich diese Prüfung und bin dankbar dafür: Hätte ich einen geregelten Übergang durchlaufen – mit Freigang, Job und Entlassung auf Bewährung etc. –, wäre ich niemals auf meinen Weg gekommen. Ich hätte einen Job gesucht und wäre ganz konventionell ins Leben zurückgekehrt. So aber bin ich quasi aus dem Knast geschmissen worden: Am 30.11.2011 erhielt ich um 15 Uhr die Nachricht meiner Entlassung. Und um 17 Uhr stand ich mit zehn Müllsäcken voller Kram, der mein Leben bedeutet hatte, vor den Toren von Santa Fu. Diesem Umstand verdanke ich die Möglichkeit, mich voll und ganz auf meine große Aufgabe zu konzentrieren, dass sich immer mehr Menschen dafür begeistern und engagieren, Yoga ins Gefängnis zu bringen.

Du hast im Drogenrausch einen Menschen umgebracht. Kann man von der Last solch einer Schuld je wieder frei werden?
Ja, wenn man allen Wesen, die an einem selbst schuldig geworden sind, vergibt – aus ganzem Herzen. Dann wird auch alle eigene Schuld vergeben. Das ist der Grund, warum Jesus in die Welt gekommen ist: um alle Schuld zu vergeben. Diese Stricke, mit denen wir uns über Schuld – Karma – aneinander binden, müssen wir durchtrennen und durch Vergebung auflösen. Wir sind immer sowohl Opfer als auch Täter, das ist der karmische Weg durchs Leben. Du bist aus dem Knast ausgebrochen – es gab mehrere Fluchtversuche und einmal hat es geklappt. Hätte dich eine gelungene Flucht, die gestohlene Freiheit, das Leben gekostet? Eindeutig ja, denn eine Flucht hätte das potenziert, was ich nach meiner ersten Entlassung gelebt habe: Ich wäre ein Gangster auf der Flucht gewesen. Ein potenziell gewaltbereiter Mensch, der den Kick sucht und den Stress braucht. Bereit, zu töten und getötet zu werden. So ist es ja dann auch tatsächlich fast gekommen: Ich bin auf offener Straße angeschossen worden.

Dann hast du dich bewusst für die andere Seite entschieden.
Ja. Ich habe mich früher – verblendet durch Schmerz – der dunklen Seite der Macht zugewandt. Diese Entscheidung habe ich rückgängig gemacht. Das ist es ja, was mich umtreibt. Ich möchte den Menschen sagen: Ihr könnt das auch – jederzeit! Egal, was ihr getan habt, egal, wer oder wo ihr seid: Ihr könnt euch umentscheiden. Du kannst dich in dieser Sekunde für ein Nein entscheiden, das keinen destruktiven Gedanken mehr Raum gibt. Dann kannst du beginnen, etwas zu verändern. Vielleicht wird die Veränderung nicht in ihrem ganzen Umfang gleich heute kommen. Aber wenn du ernsthaft daran arbeitest, wird sich der Wandel früher oder später vollziehen.

Deine spätere Ehefrau Fee hast du während deiner Gefangenschaft kennengelernt: Was hat euch zusammengeführt und verbunden?
Unser Konsens war, dass wir beide wussten und genau artikulierten, was und wie wir nicht leben wollten. Nachdem ich 1988 aus dem Knast ausgebrochen bin, wurde ich im selben Haus in Altona verhaftet, in dem sie damals wohnte. So bin ich in ihr Blickfeld geraten. Sie fand das alles sehr spannend: Ich war ein Abenteurer. Ein wilder Mann und Rebell, der sich gegen das System auflehnte. Das hat sie, eine junge Frau Anfang zwanzig, beeindruckt. Wir lehnten die Konsumgesellschaft im vollen Umfang ab, wollten keinen der stereotypen Wege durchlaufen. Fee und ich haben damals zueinander gefunden, egal wie viele Mauern dazwischen waren.

Wie konnte eure Beziehung – in der zweiten Etappe – bestehen:sie in Freiheit, du im Knast?
Anfangs war die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft unser Motor und wir setzten auf den gemeinsamen Spaß, als Krücke für den fehlenden Sinn. Die zweite Etappe – die Knaststrecke nach dem Ausbruch und meiner Verletzung – verband uns noch stärker: Fee hat mich angenommen, obwohl plötzlich all meine Stärke weg war. Ich lag mit meiner Schussverletzung in der Isolation und jedem war klar, dass mit mir nichts mehr los war und ich in Zukunft auf andere angewiesen sein würde, um halbwegs leben zu können. Mit dieser Demonstration ihrer Liebe hat sie mich von dem Trugschluss erlöst, dass ich stark sein muss, um geliebt zu werden. Unsere Beziehung erreichte eine neue Ebene in einer parallel verlaufenden spirituellen Entwicklung, die durch Yoga und Meditation initiiert wurde. Yoga hat uns die Kraft für den Kurswechsel gegeben, denn es stärkt die Lebensenergie.

Du hast insgesamt 25 Jahre und 38 Tage in Gefangenschaft verbracht …
Nach fünf Jahren Haft und dem Ausbruch 1988 kam ich für sieben Monate in Isolationshaft. Anschließend habe ich eine Gefangenenrevolte mit angezettelt und durchgezogen, wofür ich nochmals vier Jahre in Isolation kassierte, und bin dann über den offenen Vollzug in die Freiheit entlassen worden. Ich war einige Zeit draußen, stürzte wieder auf Drogen ab. Dann gab es eine Schießerei mit der Polizei – aufgrund dessen bin ich zu zwölf Jahren und einem Bewährungswiderruf von zwei Jahren und drei Monaten mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt worden.

Wie hast du auf das zweite Urteil reagiert?
Ich wäre während der Schießerei beinahe gestorben. Eine Kugel traf mich im Rücken und trat knapp über dem Herzen wieder aus – und ich habe das Gefühl, dass mich dadurch der Hass verlassen hat. Als ich nach dem Krankenhausaufenthalt wieder im Knast landete, hatte sich jedenfalls etwas in mir verändert: Meine Kraft war geschwächt und dadurch wurde ich durchlässiger, konnte mein eigenes Bollwerk nicht mehr aufrechterhalten. Mein Therapeut erklärte mir, dass mein System – wie ein Computer – durch den Sterbeprozess, den ich durchlaufen habe, neu gestartet wurde: ein Reboot sozusagen. Das Gehirn wurde quasi neu verschaltet, alte Muster teilweise gelöscht. Ich war am Boden zerstört, denn mein gesamtes Lebenskonzept war ausgelöscht. Das nun fehlende Muster, diese von Wut gespeiste Hasswelle, nötigte mich zum Umdenken. Ich konnte plötzlich meine große Angst wahrnehmen, die ich mit jenen Mustern überschrieben hatte, und lernte, sie zuzulassen. Und damit setzte die Heilung und der spirituelle Prozess ein – bedingt auch durch Selbstreflektion in der Meditation.

Warum ist es dir wichtig, Yoga in die Gefängnisse zu bringen?
Yoga ist ein therapeutischer Ansatz, der die Menschen da abholt, wo sie sind – es ist die älteste und fundierteste psychotherapeutische Maßnahme, die es gibt. Und Yoga ist eine Technik, die über körperliche Übungen psychologische Energien kanalisiert und zutiefst reinigend wirkt. Zudem verfügt diese Technik über eine mindestens 3000-jährige Erfahrung. Der bundesdeutsche Strafvollzug soll auf Therapie ausgerichtet sein, das ist die oberste Anweisung vom Bundesverfassungsgericht. Was spricht also dafür, dass die Justiz das erfolgreichste, älteste und dazu kostengünstigste Therapieangebot ausschlägt? Ich gebe dem Knast noch zehn Jahre – und dann gibt es in jedem Gefängnis Yoga. Letztendlich haben sie keine Chance, denn die Yogawelle in der Gesellschaft baut sich immer weiter auf und wird auch vor den Gefängnismauern keinen Halt machen. Alle Krankenkassen haben Yoga als Therapieform anerkannt. Das hilft enorm bei der Argumentation. Das Besondere an Yoga ist, dass du ein ungeheures Maß an Kraft für den Prozess der Wandlung erhältst. Das ist der vorrangige Grund, Yoga in die Gefängnisse zu bringen. Denn auch die Gesellschaft wird davon profitieren, wenn wir Gefängnisse in Orte echter Rehabilitation verwandeln, statt weiterhin Lager bestrafender Sühne zu unterhalten. Eine Strafe, die den Menschen nicht verbessert oder ändert, ist nichts als Rache. Wenn 70 Prozent aller ehemaligen Gefangenen wieder straffällig werden, dann bewirkt die Strafe rein gar nichts.

Steht hinter der Freiheit immer der Glaube?
Auf jeden Fall basiert Freiheit immer auf Vertrauen – Vertrauen in das Leben. Um frei zu sein, musst du die Angst loslassen. Und um die Angst zu verlieren, musst du glauben.

Von Barbara Decker

Munich Sessions – Tickets

Ticket-Information:

Early Bird Regulär ab 1.10 Einzel-Workshop
Fr. oder Mo. 89,00 108,00 60,00
Sa. oder So. 159,00 189,00
Sa. und So. 250,00* 299,00*
Komplett inkl. Pre/Post 399,00* 480,00*
Kirtan immer enthalten, nur für Externe 10,00 € am Sa. Abend

 

Hier geht es zum Ticket Shop! 

Reisen Sie mit einer Gruppe bestehend aus 6 Teilnehmern an, zahlen Sie nur 5 Tickets. Wenn Ihre Gruppe aus mehr als 12 Teilnehmern besteht, kontaktieren Sie uns bitte für ein individuelles Gruppenangebot direkt über munichsessions@yogajournal.de

Achtung: Bitte beachten Sie, dass Sie bei Kauf eines mit Sternchen(*) gekennzeichneten Tickets bevorzugten Eintritt zu den angebotenen Sessions erhalten werden.

Übrigens: Die Anreise (Zugtickets, Flüge), sowie Hotelzimmer können über unseren Partner Yogatravel.de zum Vorzugspreis gebucht werden. Hier kommen Sie zum Anfrageformular.

 

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Early Bird Regular Price from 1st Oct Single Workshop
Fri or Mon € 89 € 108 € 60
Sat or Sun € 159 € 189
Sat and Sun € 250* € 299*
Entire conference (incl. pre/post) € 399* € 480*
Kirtan included except Sat night: €10 per person

Ticket Shop

Group discount: Buy five tickets and get one for free! If you are a group of twelve people or more please contact us directly via munichsessions@yogajournal.de and get your individual group ticket.

Please note: Tickets marked with an asterisk(*) include priority access to all yoga classes and workshops at the Munich Sessions.

By the way: You can book your train or plane ticket to Munich and your accommodation in Munich at a preferential rate with our partner Yogatravel.de. Click here for more information and the application form.

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Interview: Anoushka Shankar – Eine musikalische Reise zwischen zwei Kulturen 

Geboren in London, aufgewachsen in Indien und den USA – die Sitar-Musikerin Anoushka Shankar sprach mit YOGA JOURNAL über ihr Leben in mehreren Kulturen, den Einfluss ihres legendären und kürzlich verstorbenen Vaters Ravi Shankar auf ihre musikalische Arbeit sowie über die Bedeutung von Spiritualität und ihre eigene Yogapraxis.

Anoushka Shankar engagiert sich politisch und sozial. Als erste indische Botschafterin für das United Nations World Food Programme etwa oder als Unterstützerin der Tierrechte bei PETA. Meist tut sie das im Stillen, weswegen sie auch mit YOGA JOURNAL lieber über ihre musikalische Arbeit und ihren künstlerischen Ausdruck sprach. Als allerdings die Debatte über Frauenrechte in Indien anlässlich der Massenvergewaltigung einer Studentin entbrannte, offenbarte sie sich, kurz nachdem wir dieses Interview geführt hatten, in einer Videobotschaft selbst als Opfer emotionaler und sexueller Gewalt. Sie unterstützt damit lautstark die globale Kampagne für Frauenrechte „One Billion Rising“ („Eine Milliarde erhebt sich“). Eine Tatsache, die an dieser Stelle selbstverständlich nicht unerwähnt bleiben soll.

YOGA JOURNAL: Anoushka, wie ist es, zwei unterschiedliche Leben auf einmal zu leben? Einerseits haben Sie bereits mit 13 Jahren zusammen mit Ihrem Vater Ravi Shankar in der Carnegie Hall und anderen riesigen Konzertsälen der Welt gespielt; andererseits wollten Sie ein ganz „normales“ Mädchen sein. Wie gelang und gelingt Ihnen dieser Spagat zwischen den beiden Welten?
ANOUSHKA SHANKAR: Für mich ist es seit meiner Geburt normal, in zwei Kulturen und Ländern zuhause zu sein. Deswegen ist es nicht ganz einfach, diese Frage zu beantworten. So aufzuwachsen wie ich, kann natürlich seine Schwierigkeiten haben, weil sich so normale Fragen nach der Identität und die Suche nach sich selbst komplizierter gestalten. Andererseits bietet ein solches Leben auch ein hohes Maß an Freiheit, um sich selbst zu formen und zu entscheiden, wer und wie man im Leben denn sein möchte. Für mich war es immer eine Frage der Balance, der Auswahl und vor allem der Prioritätensetzung. Ich hatte einen Traum und meine Leidenschaft für Musik, der ich mich völlig verschrieben hatte. Gleichzeitig bin ich ein Mensch, der vielfältige Interessen hat und es genießt, das Leben voll auszukosten.

Der Crossover von östlicher und westlicher Kultur und Musik ist eins Ihrer großen Themen. Auf Ihrer aktuellen CD „Traveller“ treffen indische Folklore und Flamenco aufeinander. Wie kamen Sie auf die Idee, diese beiden doch sehr unterschiedlichen Stilrichtungen miteinander zu verbinden?
Die Wahl des Flamenco erschien mir naheliegend, nachdem ich diesen Musikstil schon immer geliebt habe und die Möglichkeit sehr aufregend war, ihn mithilfe meiner eigenen Musik zu erforschen. Ich war mir auch der historischen Verbindung der beiden Stile bewusst. Eine Theorie besagt, dass es Wanderbewegungen von Rajasthan aus Richtung Westen gab – und ich war sehr daran interessiert, herauszufinden, welche musikalischen Verbindungen das Ergebnis dieser Reise gewesen sein könnten.

Ihr aktuelles Album trägt den Titel „Traveller“, was man sowohl mit „Reisende/r“ als auch mit „fahrendes Volk“ übersetzen kann. Was bedeutet Ihnen das Reisen? Sehen Sie sich auch als spirituell Reisende?
Ich mag das Wort und wie es auf ein Gefühl der Bohemiens verweist, dieses unbeschwerte Gefühl des Unterwegs-Seins und Erkundens. Beides bezieht sich für mich sowohl auf die physische als auch auf die spirituelle Ebene. Hier auf Erden sind wir doch alle Reisende und ich persönlich glaube fest daran, dass unsere kurz bemessene Zeit nur ein kleiner Teil einer viel größeren Reise ist. Ich versuche, meine Zeit hier auf dieser Welt auf dieselbe Art zu leben, mit der ich ein neues Land entdecke: mit Neugier, Liebe und Respekt für alles und jeden.

Was gehört für Sie alles zur klassisch indischen Tradition dazu?
Klassische indische Musik unterscheidet sich sehr von jeder anderen Musik auf der Welt. Sie ist äußerst komplex und systematisch, während sie gleichzeitig großen Wert auf die Betonung von Freiheit und Improvisation in der Form legt. Dieser scheinbare Widerspruch ist unglaublich schön und verbindet einen Künstler sowohl mit einer langen Geschichte und dem kulturellen Erbe Indiens, als auch mit der eigenen künstlerischen Identität und dem Augenblick. Die indische Tradition ist eine der mündlichen Überlieferung und als solche ist sie noch immer lebendig; sie entwickelt sich von Generation zu Generation weiter und beinhaltet großartige Lehren fürs Leben; sowohl, was die Achtung für die Vergangenheit angeht, als auch hinsichtlich der Zukunft.
Auch innerhalb der Musik gibt es all das, was ich liebe – von den tief spirituellen Ragas, über die verspielten und romantischen Elemente, bis hin zu den komplizierten und komplexen rhythmischen Mustern, die ich immer genossen habe.

Mit Ihrem kürzlich verstorbenen Vater Ravi Shankar waren Sie sehr eng verbunden. Treten Sie nun musikalisch sein Erbe an?
Mein Vater ist ein großer Teil meiner künstlerischen Identität, sowohl in dem offensichtlichen Sinn, mein Lehrer gewesen zu sein, der von Anfang an meine musikalischen Studien begleitete, als auch als mein Vater. Und als der Mensch, in dessen Nähe ich aufwuchs, mit dem ich die meiste Zeit meines Lebens reiste und auf Tour war. Die Musik meines Vaters lebt in seinen unzähligen Aufnahmen und in der Musik all seiner Schüler fort, mich eingeschlossen. Ich hoffe sehr, dass ich seine Lehre der klassischen indischen Musik weiterführen kann, um dadurch als Künstlerin weiter zu wachsen und mein Können zu vertiefen.

Der Titel Ihres Tanzprogramms „Svatantrya“ bedeutet so viel wie „vollkommene Freiheit“. Was bedeutet Ihnen Freiheit?
Bei „Svatantrya“ geht es um den freien Willen. Es geht darum, die Verbindung vom universellen Bewusstsein mit der eigenen Identität zu erfahren. Dabei sollte man sich auf eine unabhängige Weise einzigartig und gleichzeitig doch mit allem verbunden fühlen. Dies ist für mich die große Lektion des Lebens und ein Ziel, das ich ständig zu erreichen versuche. Sich zu erinnern, dass man mit allem und jedem verbunden ist, würde automatisch Sensibilität, Mitgefühl und Freundlichkeit bewirken. Ebenso wie jede Arbeit und Kreativität, die wir in die Welt bringen, umfassende positive Veränderung schafft – und gleichzeitig die eigene Rolle auf der Welt mit Bedeutung füllt.

In Dortmund werden Sie an einem Abend klassische indische Ragas präsentieren. Was sind Ragas und ist ein solcher Konzertabend immer auch eine Reise zu Ihren Wurzeln? Welche Bedeutung haben die spirituellen Elemente in Ihrer Musik für Sie?
Es ist schwer, in wenigen Worten zu erklären, was ein Raga ist, aber eine grundlegende Erklärung wäre die, dass es eine melodische Form ist, bestehend aus einer präzisen Abfolge von auf- und absteigenden Tönen, die jedem Raga einen ganz spezifischen Charakter und eine eigene Stimmung verleiht. Deswegen sollten einzelne Ragas auch zu bestimmten Tageszeiten gespielt werden. Auch wenn meine Musik experimentell ist, so ist sie doch noch immer von einer klassisch indischen Ader durchzogen. Deswegen fühlt es sich für mich nicht so an, als ob ich mich von meinen Wurzeln entfernt hätte; vielmehr glaube ich, dass ich diese Wurzeln im Kontext unterschiedlicher Genres und Stile immer wieder von Neuem ergründe. Spiritualität ist ein zentraler Bestandteil für das Verständnis und die Interpretation der klassischen indischen Musik, aber für mich ist Spiritualität etwas, was einen mit dem tiefsten inneren Kern verbindet und mit der kreativen Seite in Kontakt bringt. Als Musikerin ist Musik für mich definitiv das, was mich in die Lage versetzt, dieses tiefe Gefühl zu erleben, aber auch beim Yoga oder beim Kochen ist es möglich! Was auch immer einen mit dem Moment verbindet oder mit sich selbst in Kontakt bringt, ist in meinen Augen Spiritualität.

Können Sie uns schon etwas über die Pläne für Ihre nächste CD erzählen?
Nitin Sawhney (ein aus Indien stammenden Musiker, Schauspieler und Drehbuchautor, der in England aufwuchs; Anm. d. Red.) produziert das Album. Mit ihm zu arbeiten, empfinde ich als unglaubliches Glück, da ich in ihm nicht nur einen großartigen Musiker und Produzenten, sondern auch einen lieben Freund sehe. Auch die Musiker, mit denen ich arbeite, sind empfinde ich als wahnsinnig interessant und talentiert. Einige von ihnen sind schon lange meine Weggefährten, mit anderen arbeite ich zum ersten Mal zusammen. Die musikalischen Einflüsse des Albums liegen in klassischen indischen Ragas, klassischen westlichen Streicherbesetzungen, Songtexten im Stil der Mitte des 20. Jahrhunderts entstandenen Dichtung und modernen Klanglandschaften. Ich erforsche weiterhin die moderne Musik, während ich gleichzeitig neue Wege finde, die musikalischen Traditionen Indiens, wie sie mir von meinem Vater vermittelt wurden, neu zu interpretieren und am Leben zu halten.

Viele Yogis hören während der Yogastunden Ihre Musik. Praktizieren Sie selbst auch Yoga?
Es ist eine große Ehre zu wissen, dass viele Menschen meine Lieder als Hintergrundmusik für ihre persönlichen Yogaerlebnisse verwenden. Überraschenderweise begann ich Yoga zu praktizieren, als ich in Kalifornien lebte. In Indien bildete ich mich weiter und belegte Kurse, die ich fortsetzte, egal wohin ich auch reiste. Heute praktiziere ich gerne für mich allein, obwohl ich die Energie, die von Stunden in der Gruppe ausgeht, noch immer sehr genieße. Yoga hilft mir in jedem Bereich, vor allem natürlich im spirituellen. Stille ist für mich schwer zu erreichen und Yoga hilft mir dabei unglaublich. Ich spüre, dass sich meine Atmung nach meinen Yogaübungen stark verändert. Ich spiele die Sitar im Schneidersitz, deshalb nutze ich Yoga auch bewusst dafür, die Nebenwirkungen dieser Sitzposition zu bekämpfen. Außerdem lindere ich dadurch meine Verspannungen, die im Laufe der Jahre durch die sich ständig wiederholenden Bewegungen entstanden sind.