Hallo Welt – Hallo spiritueller Aktivismus!

Neulich interviewte ich einen politischen Aktivisten, der mit wilden Aktionen gegen die Waffenindustrie in Deutschland sehr viel Aufmerksamkeit erregt. Es handelt sich um den Gründer des Zentrums für politische Schönheit, Philip Ruch. Mit seinen Aktionen steigt er dem ein oder anderen kräftig auf die Füße – gewaltlos ist das nicht. Dürfte man das als Yogi?

Ruchs erklärtes Ziel ist, Genozide in der Welt zu stoppen. Dafür scheut er weder Praktiken wie „name and shame“ im Falle der Waffenfirma Krauss-Maffei, noch das tollkühne Ziel, die Rüstungsfirma Heckler & Koch unter einem Sarkophag aus Sand und Zement verschwinden zu lassen. Er hat gute Gründe dafür: Deutschland gehört mittlerweile zu den größten Waffenexporteuren weltweit.

Die Aktionen des Kollektivs verfolge ich regelmäßig – und fühle mich merkwürdig unwohl dabei. Dieses Handeln erfordert ein ganz klares Schwarz-Weiß-Denken: Wir sind die Guten, die da drüben die Bösen. Als Yogi verschiebt sich zum Glück mit der Zeit diese Wahrnehmung. Trotzdem: Die Aktionen des Kollektivs wirken. Die „Übeltäter“ werden aus ihrer heiligen Ruhe gerissen und müssen sich mit ihrem eigenen Handeln auseinandersetzen – und zwar auf eine ziemlich unangenehme Art und Weise. Die Aktionen sind in keiner Weise spirituell aktivistisch, sondern stark politisch – und sie tun weh. Das aber wollen wir Yogis auf keinen Fall: jemandem weh tun. Deswegen greifen wir lieber zu den Methoden des spirituellen Aktivismus. Spiritueller Aktivismus ist laut Gandhi das Handeln, das Liebe, Mitgefühl, Nicht-Anhaftung und die Erkenntnis voraussetzt, dass wir alle spirituelle Wesen sind. Was wiederum heißt: Auch mein „Feind“ ist ein spirituelles Wesen. Ach Menno…

Was passiert, wenn man ausgerechnet mit diesem spirituellen Wesen die Geduld verliert? Darf man das überhaupt: die heilige Ordnung jenes spirituellen Wesens stören, welches gerade seinen Hund vor meiner Berliner Haustür ein großes Geschäft machen lässt, ohne es als störend zu empfinden? Oder sollte ich mich doch lieber gleich an den Hund wenden? Schließlich ist auch er ein spirituelles Wesen.

Und der spirituelle Taxifahrer, der mich nicht Kurzstrecke fahren lässt, weil er heute schlichtweg keine Lust dazu hat? Mein nerviger Mitfahrer in der S-Bahn, der zu laut in sein Smartphone quatscht – auch ein spirituelles Wesen? Anders gefragt: Darf ich als spiritueller Aktivist auch einmal so richtig böse werden oder gar mit härteren Bandagen kämpfen, um Ziele zu erreichen, die dem Gemeinwohl dienen? Darf ich am Ende gar das P-Wort in den Mund nehmen: P wie Politik?

Ohne Zweifel bewirkt spiritueller Yoga-Aktivismus viel. Da gibt es Organisationen zur Unterstützung von Frauen in Afrika, Projekte für nachhaltigen Konsum bis hin zu Aktionen von betroffenen US- Amerikanerinnen, die auf einer Müllhalde in Kambodscha den Müllarbeitern mitleidig bei ihrer täglichen Arbeit zusehen und dann entsetzt ausrufen: „Mein Gott, die entsorgen unseren Müll!“ Diese Maßnahmen der Yoga-Community sind jedoch nicht politisch zu verstehen, sondern ethisch. Das ist die ganz normale Arbeit vieler Nicht-Regierungs-Organisationen mit mal besser, mal schlechter ausgeführten Projekten (vorzugsweise in Entwicklungsländern).

Wer ein Geburtshaus in Afrika unterstützt, tut ohne Frage Gutes, ist aber nicht notwendigerweise politisch. Erst wenn sich beispielsweise die Überzeugung, dass Müttergesundheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, in den konstitutionellen Rahmenbedingungen eines Staates verankert und gewährleistet wird, dann ist etwas Politisches geschehen.

So weit schaffen es leider viel zu wenige Projekte. Wie viele Organisationen haben unzählige Projekte auf den Weg gebracht, die aber keine politische Reichweite hatten – weil die Protagonisten dachten, idealistischer Wille und gute Intentionen alleine würden die Berge der Politik versetzen. Um das zu erreichen, benötigt es allerdings Zähigkeit, Realismus, eine dicke Haut – und vielleicht auch ein gutes Repertoire an Flüchen, das eine oder andere Glas Wein oder Bier und keine Scheu davor, anderen auch einmal gehörig auf den Fuß zu treten. Wobei wir wieder beim Yogi wären, der niemandem weh tun möchte.

Erste zaghafte Schritte in Richtung Yoga-Aktivismus mit politischem Twist wagte letztes Jahr Seane Corn – sie war auf den Parteitagen der Republikaner und der Demokraten vertreten. Das mutete seltsam an, denn Corn trat mit einer Wellnessoase an, um den Teilnehmern entspannte Yogastunden zu geben. Bestimmt hatte sie die Hoffnung, dass sich dadurch der irregeleitete Geist der Republikaner in Luft auflösen würde. Das Angebot wurde vorzugsweise von verspannten Journalisten in Anspruch genommen. Organisiert hatten das Ganze die Yoga-Organisation Off the Mat, Into the World und die Initiative YogaVotes. YogaVotes ist eine nationale, überparteiliche Kampagne, die Yogis in den USA letztes Jahr zum Wählen bewegen wollte. Man hätte aber auf dem Parteitag der Republikaner sicherlich das eine Schild oder die andere Faust in die Höhe strecken dürfen.

Wer Yoga praktiziert, der verabschiedet sich endgültig von der Neutralität. Mit unserer Praxis verlassen wir sozusagen die Schweiz und sagen „Hallo Welt“. Denn die Lektion, die wir durch Yoga wirklich lernen, ist, da zu sein, am Leben teilzunehmen und uns in die Gemeinschaft einzubringen. Alle unsere Handlungen werden von bestimmten Rahmenbedingungen geformt und diese sind politisch. Projekte zum Schutz der Lebewesen sind notwendig und sinnvoll. Sie versanden aber genauso häufig wie der Idealismus, mit denen man sie begonnen hat, wenn die Grundideen sich in keiner Politik verankern. Das muss der konsequente nächste Schritt sein: Wenn wir als Yoga-Community wirklich etwas bewegen wollen, dann müssen wir uns weiter strecken, und zwar über die Ränder eines rein ethischen Projektverhaltens hinaus.

Die Mehrzahl der Yogis hat eine gute Bildung genossen und arbeitet in guten Jobs. Das yogische Klientel verfügt nicht nur über den geistigen Rahmen sondern auch über die Fertigkeiten und das Know-how zur Veränderung. Es ist genug Wissen vorhanden, das für die Lösung gesellschaftlicher Probleme geteilt werden kann. Wir können also getrost in die Sphäre der Politik vordringen und dort mitmischen – auch auf die Gefahr hin, dass wir uns zu den nervigen Lobbyisten entwickeln, die wir nie sein wollten.

Interview: Jean Ziegler – Das große Fressen und Hungern

Frisch aufgetischt: In seinem Buch „Wir lassen sie verhungern“ präsentiert uns Jean Ziegler die Rechnung für unseren Wohlstand – der Hunger in den Ländern der Dritten Welt ist ein Abfallprodukt kalkulierter Profitgier von Konzernen und Spekulanten. Skandalös daran ist die Ignoranz der Industrienationen, die angesichts einer permanenten Hungerkatastrophe den maßlosen Überfluss zelebrieren. Gandhis Mahnung, dass die Erde genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier biete, trifft die wunde Achillesferse unserer Gesellschaft. 

Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger: Was hat das – ganz konkret – mit meinem Leben zu tun?
Der World Food Report der UNO macht transparent, dass die Weltlandwirtschaft heute problemlos zwölf Milliarden Menschen, fast das Doppelte der Weltbevölkerung, ernähren könnte. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gibt es keinen objektiven Mangel mehr. Dennoch sterben jährlich weltweit mehrere zehn Millionen Menschen einen qualvollen Hungertod. Das Problem ist nicht die Produktion, sondern der Zugang zur Nahrung – ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet. Insofern hat es sehr viel mit Ihrem Leben zu tun, beispielsweise mit Ihren Kaufentscheidungen, die die Mechanismen der Hungerkatastrophe bedienen: Zusammengerechnet sterben 57000 Menschen pro Tag an Hunger, eine Milliarde Menschen sind Zeit ihres Lebens unterernährt – auf einem Planeten, der Unmengen an Reichtum produziert und wo das Recht auf Nahrung in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht.

Dann hat mein Einkauf im Supermarkt also Konsequenzen für den weltweiten Handel?
Natürlich! Die Verbraucher können vieles bewirken. Man sollte zum Beispiel keine gentechnisch manipulierten Nahrungsmittel kaufen, weil dies unmittelbar zur Finanzsklaverei der Bauern in den Dritte-Welt-Ländern führt. Diese Saaten sind Patentprodukte, die zwar eine höhere Ernte einbringen, aber eben auch gekauft werden müssen und teure Düngemittel benötigen. Weiterhin sollte man auf den Konsum von Fleisch verzichten oder diesen zumindest stark einschränken. Ein Viertel der Weltgetreideernte wird in die Massentierhaltung investiert. Außerdem sollte man fair gehandelte Produkte kaufen, die möglicherweise etwas teurer sind, aber die Existenz der Bauern sichern, indem sie Landwirtschaft betreiben können. Und möglichst nur zu regional erzeugtem und saisonalem Obst und Gemüse greifen. Nicht zu vergessen die Spenden als humanitäre Soforthilfemaßnahme an die Welthungerhilfe, Terre des hommes, Oxfam, Brot für die Welt und die Caritas – alle diese Organisationen leisten wertvolle Arbeit mit ihren Lagern für Hungerflüchtlinge und Feeding Centern für verhungernde Kinder. Helfen ist ein Gebot der Menschlichkeit.

Wer zieht die Fäden beim globalen Monopoly?
Die Macht der Agrokonzerne und Börsenspekulanten über die Nahrung übersteigt jene der Staaten und Organisationen. Zehn multinationale Konzerne kontrollieren 85 Prozent aller gehandelten Nahrungsmittel – vor allem die Grundnahrungsmittel Reis, Mais und Weizen, die wiederum 75 Prozent des Weltkonsums decken. Dabei ist ausschließlich die Profitmaximierung von Interesse. Es geht nur darum, die Kapitalrendite zu erhöhen. Die Mechanismen, die den strukturellen Hunger in der Welt bewirken, sind deren Strategie.

Sie sprechen in Ihrem Buch von „Mechanismen struktureller Gewalt“…
Zum einen boomt der Einsatz von Agrar-Treibstoffen. Im Jahr 2011 verbrannten die USA 138 Millionen Tonnen Mais und Getreide, um Biomethanol und -diesel herzustellen. Da die Vereinigten Staaten jeden Tag 20 Millionen Barrel Erdöl benötigen, aber nur etwa ein Drittel im eigenen Land fördern können, muss der Großteil aus Afrika und dem Mittleren Osten importiert werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass die USA horrende Summen für das Militär ausgeben muss, um die Erdölquellen zu sichern. Präsident Obama will daher fossile durch vegetale Energie ersetzen, natürlich auch aus Gründen des Klimaschutzes. Hunderte Millionen Tonnen von Nahrungsmitteln zu verbrennen, ist jedoch ein Verbrechen gegen die hungernde Menschheit.

…und Sie bezeichnen die Weltordnung als „kannibalisch“…
Das stimmt, denn zum andern existiert eine höchst unethische Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln. Die Banken haben in den Jahren 2007 und 2008 an den Finanzbörsen circa 85000 Milliarden Dollar an Vermögenswerten vernichtet. Anschließend haben sich die Interessen der Großbanken auf die Rohstoffbörsen gerichtet, besonders auf Agrarprodukte. Hier wird nach wie vor mit legalen, aber unethischen Finanzinstrumenten gehandelt, um mit Reis, Mais und anderem Getreide astronomische Profite einzufahren: Der Preis für eine Tonne Mais hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Für die Ärmsten der Welt ist diese Preisexplosion der Grundnahrungsmittel eine Katastrophe. Laut einem Bericht der Weltbank leben 1,2 Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag – sie vegetieren in den Slums von Manila, São Paulo, Mexiko City usw. Von dem Wenigen müssen Mütter ihre Kinder ernähren: Wenn die Lebensmittelpreise drastisch ansteigen, verhungern sie.

Ein weiterer Mechanismus ist das Agrardumping: Auf jedem afrikanischen Markt wird heute Gemüse, Geflügel und Obst aus Europa verkauft, das um die Hälfte oder ein Drittel billiger ist als gleichwertige einheimische Erzeugnisse. Afrikanische Bauern können im Wettbewerb nicht bestehen und haben nicht die geringste Chance, auch nur das Existenzminimum für ihre Familien zu erwirtschaften. Die Kommissare in Brüssel fördern mit ihrer Dumpingpolitik den Hunger in Afrika – und wenn die Hungerflüchtlinge nach Europa flüchten wollen, werden sie mit militärischer Gewalt auf das offene Meer zurückgedrängt, wo jedes Jahr Tausende ertrinken. 

Der vierte Mechanismus ist die Überschuldung der armen Länder, die zum Landgrabbing führt. Viele Länder Afrikas sind reine Agrarstaaten mit geringer Produktivität. Sie verfügen über keinerlei Geld, um in Bewässerungs-, Agrartechnik oder Düngemittel zu investieren: Der Großteil wird wie vor 5000 Jahren mittels Regenlandwirtschaft betrieben. Es gibt keine Subventionen seitens der Staaten, weil sie hoch verschuldet sind. Öffentliche Finanzinstitute wie die Weltbank oder die Europäische Entwicklungsbank raten diesen Staaten, ihre Schulden abzubauen, in- dem sie das Ackerland Hedgefonds und Investoren überschreiben. Die ausländischen Investoren besitzen Kapital, Technik, Transportmittel und Handelsbeziehungen. Sie produzieren Avocados, Südfrüchte, Kaffee etc. für den Export nach Europa oder Nordamerika. Für die Versorgung der einheimischen Bevölkerung bleibt fast nichts übrig.

Wie stark ist die Stimme Deutschlands – einer gefestigten Demokratie und starken Wirtschaftsmacht – im Weltparlament der UNO?
Die Bundesrepublik ist eine lebendige und großartige Demokratie. Die Bürger können morgen den Bundestag zwingen, das Börsengesetz zu revidieren und die Spekulation auf Grundnahrungsmittel zu verbieten. Die mörderischen Mechanismen, die für die Massenvernichtung in der Dritten Welt verantwortlich sind, sind menschengemacht und können von Menschen gebrochen werden.

Der Bundesfinanzminister kann durch die Bevölkerung dazu gezwungen werden, bei der nächsten Generalversammlung des Weltwährungsfonds in Washington nicht mehr für die Gläubigerbanken zu stimmen, sondern für die sterbenden Kinder beziehungsweise für die Totalentschuldung der fünfzig ärmsten Länder der Welt. Oder man kann Druck ausüben, damit der deutsche Landwirtschaftsminister in Brüssel für die Abschaffung des Agrardumpings eintritt.

Wie kommt es, dass angesichts dieser Fakten ein solch hohes Maß an Verdrängung existiert?
Das ist möglich, weil die Medien nur die halbe Wahrheit berichten. In den fünf Ländern am Horn von Afrika herrscht seit fünf Jahren eine Dürrekatastrophe, darüber wurde berichtet. Aber nur wenige bleiben an dem Thema dran und erklären, warum in diesen Regionen keine Bewässerungssysteme angelegt oder Nahrungsmittelreserven für den Notfall gespeichert werden. Die Länder stecken im Teufelskreis der Verschuldung, aus dem sie sich nicht befreien können und verfügen über keinerlei finanzielle Mittel. Der ausbleibende Regen ist für den konjunkturellen Hunger infolge einer Dürreperiode verantwortlich, die ausbleibende Hilfe und die genannten Mechanismen bewirken jedoch den beständigen strukturellen Hunger. Natürlich haben sowohl die Konzerne als auch die Spekulanten ein Interesse daran, den Hunger als ausschließlich klimabedingtes und regionales Phänomen erscheinen zu lassen. Die wahre und viel komplexere Kausalität wird verschwiegen.

Glauben Sie, dass die notwendigen sozialen Veränderungen auf friedlichem Wege durch einen Bewusstseinswandel möglich sind?
Absolut – ich bin diesbezüglich sehr optimistisch: Immer mehr Menschen ernähren sich nicht nur aus gesundheitlichen Gründen vegetarisch oder vegan, sondern weil sie die Zusammenhänge erkennen und nicht achtlos das Leid anderer bewirken wollen. Sie verzichten auf chinesische Erdbeeren im Januar und kaufen stattdessen fair gehandelte Produkte sowie regionale und saisonale Erzeugnisse. Damit übernehmen sie Verantwortung und sind offensichtlich bereit, ihr Denken, ihre Muster und Handlungen zu verändern. Dies ist ein höchst erfreuliches Signal und eine Entwicklung, die ich sehr begrüße. Mein Buch soll einen Aufstand des Gewissens wachrufen und eine Waffe gegen den Hunger sein. Die Bürger der europäischen und nordamerikanischen Staaten verfügen über alle Grundrechte, die es erlauben, bereits morgen die Reformen durchzusetzen, die das Hungermassaker beenden können. Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie: „Gott hat keine anderen Hände als die unseren.“ (George Bernanos


Jean Ziegler, Schweizer Soziologe, ist emeritierter Professor der Universität Genf. Er war bis 1999 Abgeordneter im eidgenössischen Parlament und von 2000 bis 2008 erster Sonder­berichterstatter der Uno für das Recht auf Nahrung. Heute ist er Vize­präsident des beratenden Ausschusses des Uno-­Menschenrates, Träger verschiedener Ehrendoktorate und internationaler Preise, z. B. des Internationalen Literaturpreises der Menschenrechte. Seine zahlreichen Publikationen sorgen sowohl für heftige Kontroversen als auch für ein hohes internationales Renommee (z. B. Die nicht gehaltene Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2011 – „Der aufstand des Gewis­sens“; Ecowin Verlag)

wir_lassen_sie_verhungernJean Ziegler: Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung in der Dritten Welt (C. Bertelsmann Verlag, 20 Euro)

Das Magazin // Januar-Februar 2014

(Schein)heilige Yogawelt?

Mitten im Advent hat sich die YOGA JOURNAL-Redaktion diese, zugegeben, etwas provokante Frage des Öfteren gestellt. Denn wieder einmal hat sich im Entstehungsprozess dieses Heftes eine Art Trend, eine gewisse Synchronizität gezeigt: Mehrere Autoren und Yogalehrer geben in ihren Texten den dringend nötigen Anstoß zu reflektieren und zu hinterfragen – die Yogaszene, Yoga als Lebenseinstellung, als Berufung, als Business, und damit uns selbst. So schreibt Diana Krebs in „Ach, Du (schein-)heilges Ich!“ über „Sauberfrauen“ im Yoga – Sie wissen schon: Diese spindeldürren Yoga-Heiligen, vegan unterwegs, stets lächelnd, perfekt und harmlos, ein ganz besonderer Fall von Selbstoptimierung, die sicher am Ziel von Yoga vorbei geht. Michi Kerns kritische Betrachtung von selbst ernannten Gurus setzt dem Ganzen noch eins drauf: In „Lernen von den Menschen“ appelliert er an die Yogalehrer dieser Welt, sich zu hinterfragen und selbst auch wieder Schüler zu sein.
Mit Heiligenbildern ganz anderer Art beschäftigen sich Anjali und R. Sriram in „Biblische Shakti“. In ihrem Gespräch diskutieren die beiden, inwieweit biblische Figuren den westlichen Yogaübenden dienen können. Warum sollten sie sich nicht, wie in der indischen Tradition üblich, die Freiheit nehmen, einen individuellen Umgang mit ihrem Gottesbild und ihren Heiligen zu pflegen? Schauspielerin Maria Schrader spricht im Interview über ihre Rolle in dem Kinofilm „Schwestern“, in dem eine junge Frau beschließt, ins Kloster zu gehen und damit ihre ganze Familie in Aufruhr versetzt. Es geht um Glück, um Erwartungen und die (scheinbar) große Freiheit unserer Zeit, den eigenen Lebensentwurf zu gestalten. „Freiheit kann so schön wie furchterregend sein,“ meint Schrader. Dazu passt wiederum unser Special zu vedischer und abendländischer Astrologie, das sich dem vielleicht individuell empfundenen Widerspruch zwischen Schicksal und freiem Willen widmet.
Mit Selbst- und Fremdbildern geht es weiter, in unserer wunderschönen Strecke „Portraits Of A Soul“. Dieses Kunstprojekt haben der Fotograf Richard Pilnick und Eric Standop gemeinsam ins Leben gerufen. Exklusiv für das YOGA JOURNAL ergründen sie anhand von Schwarzweiß-Fotografien, der uralten Technik des Gesichtlesens und passenden Gedichten die Persönlichkeit bekannter deutscher Yogalehrer. Die sechsteilige Asanaserie mit Gedicht startet mit Ashtanga-Yogalehrer und YOGA JOURNAL-Anatomieexperte Ronald Steiner.

Viel Freude beim Lesen, erfüllte Feiertage und einen fantastischen Start für 2014!

Ihre YOGA JOURNAL-Redaktion

 

TITELTHEMEN der Ausgabe Januar und Februar 2014:

  • 4 Übungsstrecken für mehr Balance im Leben
  • Jahreshoroskop 2014 und Yoga & Astrologie
  • Kunst und Yoga: Bekannte Yogalehrer im Portrait + Die Kunst des Gesichtslesens
  • Scheinheilige Yogawelt -Pin-Up-Yogamädchen und Möchtegern-Gurus
  • Interviews: Schauspielerin Maria Schrader, Theaterregisseur Luc Perceval
  • Yoga City Trip: Allgäu
  • + für Abonnenten: den Leserfotokalender 2014

Sie können die Ausgabe 01/2014 bequem und versankostenfrei in unserem Wellmedia-Shop bestellen.

YOGA IN BERLIN – by wari om

Wari Om Yoga in Berlin

Ob in den Straßen New Yorks, auf Moskaus Rotem Platz oder an den Stränden von Rio – auf seinen Reisen verfolgt Yoga-Fotograf Guillem Castellsague (33) aka Wari Om immer dasselbe Ziel: Seine Bilder sollen die Schönheit des Yoga einfangen und den Spirit einer weltweiten Gemeinschaft transportieren, der Kulturen und Grenzen überschreitet.

„Yoga in Berlin“ nennt sich Wari Oms neuestes Projekt, das er in Zusammenarbeit mit dem YOGA JOURNAL Deutschland im Sommer 2013 realsiert. Dafür sind aus ganz Deutschland begeisterte Yogis und bekannte Yogalehrer nach Berlin gekommen. Viele von ihnen haben schon gehört, dass am Set und auf den Bildern eine ausgelassene und freudvolle Stimmung herrscht. Mehr noch: Es schimmert das Bewusstsein durch, Teil von etwas Größerem zu sein. Den Beweis werden später Momentaufnahmen liefern, die sie in anmutigen und kraftvollen Yogahaltungen zeigen, scheinbar auf magische Weise mit dem Hintergrund verschmolzen.

In diesen warmen Augusttagen ziehen Fotograf und Models gemeinsam durch Berlins Straßen, steigen in der Dämmerung auf den Teufelsberg und posen im legendären Kater Holzig-Club, vor dem Schloss Sans Soucis in Potsdam oder auf einem SUP-Board auf der Spree. Eine Auswahl unserer Fotoreise zeigen wir Ihnen hier:

(Ein Interview mit Wari Om lesen Sie in der Ausgabe November/Dezember 2013.)

 

All About Yoga

Grüß mir die Sonne.

Nach einem kurzen und knackigen Abriss über die Geschichte und Philosophie des Yoga, Tipps für den modernen Yogi von heute und einer Einführung in Patanjalis achtgliedrigen Pfad widmet sich Kerstin Linnartz in „All about Yoga“ mit exakten Übungsanleitungen dem Sonnengruß für Einsteiger, Fortgeschrittene und Frühaufsteher. Detailliert werden auch die 12 Asanas der Rishikesh-Reihe erläutert, die Swami Sivananda entwickelte, um ein Fundament für alle weiteren Asanas zu schaffen. Dabei lassen einen die wunderschön an historischen Stätten inszenierten Fotos von Carsten Sander beim Lesen und Üben sofort Richtung Indien träumen. Positiv überraschend ist, wie ausführlich sich die Autorin im letzten Drittel des Buches mit diversen Atemtechniken, Entspannungsübungen und der Meditation widmet.

FAZIT: Ansprechend, persönlich geschrieben, leicht zu lesen und gleichzeitig sehr fundiert ist in diesem Buch tatsächlich „All about Yoga“ zu finden.

Kerstin Linnartz: All about Yoga, mit Übungs-DVD (GU, ca. 25 Euro), zu bestellen unter www.wellicious.de

Wo spielt die Musik?

Hände Blumen Bücher
Foto von fotografierende von Pexels

Was bringt uns näher zu unserem Selbst? Ist es die Stille? Oder der persönliche Ausdruck? Vielleicht liegt es in Wirklichkeit zwischen beidem?

Was brauchen wir wirklich?
Bei meinem letzten Umzug waren das Schwerste nicht die Yoga-Bücher, sondern die Kisten mit den CDs. Vielleicht hätte es gereicht, die Musik auf mp3 zu digitalisieren. Minimalistischer gewesen wäre es sicher, praktischer auf jeden Fall. Aber „yogischer“? Und abgesehen vom Gewicht der Tonträger: Welche Musik ist einem Yogi überhaupt angemessen? Zu dieser Frage gibt es eine schöne Geschichte über den Götterboten Narada und die Entstehung der Musik.

Vermittler zwischen den Welten
Narada war von Göttervater Brahma gebeten worden herauszufinden, warum in der Schöpfung so viel Unzufriedenheit war. Warum gab es Leid und Streit? Er durchzog die sieben Welten und sah allerorts: Die Wesen hatten den Kontakt zur ihnen innewohnenden Göttlichen Natur verloren. Auch mir fällt sehr häufig auf, dass Menschen sich ihrer eigenen Schönheit nicht bewusst sind. Was war nun das Zaubermittel, das Brahma Narada gab, damit sich alle Wesen wieder an ihr wahres Selbst erinnern können?

Die Menschen hatten keine Lieder. Brahma gab Narada darum das Heilige Wissen um die Kraft der Töne. Dieser trug es weiter zu den Gandharvas, den Halbgöttern der Heilkunde, die es ihrerseits wieder in allen Welten verbreiteten. Aspekte der Gandharva-Musik sollen auch heute noch in der Musik aller Kulturen zu hören sein. Wenn ich modernen spirituellen Lehrern zuhöre, scheint es heute jedoch Musik zu geben, die nicht so göttlich ist.

„The Good, the Bad and the Ugly“
Im Yoga werden Lebensmittel und –haltungen gerne in die Kategorien von Sattva, Rajas und Tamas eingeordnet. Auf dem ersten Blick kann man so auch Musik in Schubladen einteilen. Bach ist das Reine, die Beatles das Aufrührerische, und Justin Bieber… Entscheiden Sie selbst! Aber machen wir es uns damit nicht zu einfach?

Gott bei den Grammys
Der Rolling Stone-Journalist Neil Strauss durchforstete seine Interviews mit Rockstars der letzten Jahrzehnte und stellte fest: Sämtliche Künstler, die er interviewt hatte, und deren Stern in der Glamour-Welt mehr als ein Jahr glänzte, sagten, dass sie in der einen oder anderen Form an Gott oder an eine höhere Kraft glaubten. Nicht nur in Dankesreden bei Preisverleihungen gingen sie davon aus, dass sie von dieser Kraft unterstützt wurden, dass sie ihre Gaben dieser Kraft verdanken und sie zum Wohle aller einsetzen sollten. Viele sahen sich und ihren Erfolg sogar innerhalb eines göttlichen Plans. „God makes everything happen“, sagt beispielsweise Snoop Dogg über seine Karriere.

„The Creator has a Masterplan“
Brahma gab Narada das Wissen um die Kraft der Töne. „Heiliges Wissen“ heißt es sogar in den Schriften. Wie kann es einen Gott geben, der Slayers „Angel of Death“ zulässt? Angeblich soll deren Musik Wasserkristalle hässlich und Blumen krank machen. Ich glaube das nicht unbedingt, denn ich habe eine Pflanze, die wächst und gedeiht, egal ob ich „Hallelujah“ oder „Dancing in the Dark“ auflege. Wie finden wir den Zugang zur Essenz, die in aller Musik ist – und damit auch in uns?

„The Rhythm of your Heart“
Ob es Wagners Ouvertüre zum „Parsifal“ oder AC/DCs „Hells Bells“ ist: Musik kann unser Herz in jeder Geschwindigkeit öffnen. Es kommt darauf an, ob sie uns – jedem einzelnen Menschen – Freude macht. Und manchmal auch an unseren Schmerz erinnert. Dann kann sowohl das stille Schwelgen in Wagners Raum als auch das verzückte Kopfschütteln zu Angus Youngs Gitarre eine Form von Bhakti Yoga sein (aus Sicht des Hatha Yoga ist Headbanging natürlich abzulehnen). „Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten“ hat Gustav Mahler gesagt. Es ist, was wir selbst in deren Zusammenspiel empfinden. Wenn wir mit dem Herzen hören. Dann ist es egal, ob es still oder laut ist. Denn dann lösen sich durch die Kraft der Töne die Gegensätze auf.

„Musik ist magisch. Musik bringt die Uhr zum Stillstand. Für einen kurzen Moment wird man zum Herrscher über Raum und Zeit“, sagt Bruce Springsteen. Das klingt wie aus dem dritten Kapitel von Patanjalis Yoga Sutras. Ich würde gerne sagen, dass ich die euphorischste Erfahrung meines Lebens in Tibet oder während einer Meditation hatte. Ich neige allerdings dazu, den Moment, als Springsteen im Stadion von Göteborg meine Hand schüttelte, als mein persönliches Nirvikalpa Samadhi zu bezeichnen. Die Gelehrten mögen mir verzeihen. Die Gandharvas heilen uns weiter, mit der Kraft der Töne: Egal ob es Mantras sind oder Rock’n’Roll. In beidem steckt die Liebe und ihre strahlende Schönheit, die uns zur Stille führt.

Ralf Sturm, Yoga- und Meditationslehrer, lebt in Berlin.

Dr. Tobias Fehrenbach

Tobias ist promovierter Naturwissenschaftler, zertifizierter IYENGAR®-Yogalehrer und zertifizierter Rolfer™. Er ist bereits seit zehn Jahren tief verbunden mit dem fordernden und kraftvollen Yogastil von B.K.S. Iyengar. Tobias legt in seinem Unterricht u.a. großen Wert auf eine klare Körperausrichtung und dem Prozess des “Sicheinfindens” und “Neufindens” (B.K.S. Iyengar nannte es “Posing”/”Re-Posing”) in der Yogahaltung (Asana). Dadurch wird der Asanapraxis, in der man zunächst eine vorgegebene äußere Form einimmt, eine Qualität der inneren Dynamik verliehen, in der es möglich wird, den Geist auszubalancieren. Jede Yogahaltung wird dadurch zu einem den ganzen Menschen erfassenden Geschehen, zu einer Meditation in Bewegung

Jetzt im Handel: Sonderheft “Yoga At Home II”

Zuhause ist’s am schönsten! Aufgrund der großen Nachfrage widmen wir uns erneut und konzentriert dem Thema „Zuhause üben“:
Angefangen mit Inspirationen für die eigene Praxis, unter anderem im Interview mit Patricia Thielemann, über zahlreiche Übungsstrecken und Meditationsanleitungen bis hin zu einem Mini-Retreat für die eigenen vier Wände von Gabriela Bozic.

Lust auf Winter Wellness, Tipps für besseres Schlafen und sechs komplette Anti-Stress-Programme? Alles dabei im neuen Sonderheft “Yoga At Home II”, und als absolutes Highlight eine exklusive Übungs-DVD mit Jelena Lieberberg von Spirit Yoga Berlin mit über einer Stunde Laufzeit.

Hier ist ein kleiner Vorgeschmack auf eine Übungsstunde mit Jelena:

 

Wir wünschen euch schon heute viel Spaß beim Stöbern, Lesen und Üben!

Herzlich,
Eure YOGA JOURNAL-Redaktion