Zugegeben: Beim Essen denkt man nicht unbedingt gerne an die Verdauung. Dabei können wir unserem Darm mit jeder Mahlzeit viel Gutes tun, und dabei richtig lecker essen. Hier erfährst du alles über die Geheimnisse von Probiotika und Präbiotika und die alte Kunst des Fermentierens.
Wenn bei dir regelmäßig Kefir, Joghurt, Kombucha oder Kimchi auf dem Speiseplan stehen, dann weißt du es wahrscheinlich schon: Diese Nahrungsmittel strotzen nur so vor „guten“ Bakterien, die die Gesundheit des Verdauungssystems unterstützen. Dabei können diese so genannten „Probiotika“ noch einiges mehr als nur den Darm glücklich machen…
Bakterien und ihre Rolle im Darm
Was Bakterien wie der berühmte Lactobacillus acidophilus eigentlich genau im Darm-Mikrobiom bewirken (also in der Gesamtheit der Mikroorganismen, besser bekannt als „Darmflora“), das wird seit einigen Jahren intensiv erforscht – und die Ergebnisse sind ziemlich erstaunlich: „Offenbar kommunizieren die Bakterien- der Darmflora direkt mit dem Immunsystem, dem Stoffwechsel und sogar mit dem zentralem Nervensystem bis hin zum Gehirn“, erklärt Erica Sonnenburg, die gemeinsam mit ihrem Mann das Buch „Der gute Darm“ geschrieben hat und an der renommierten Stanford University als Mikrobiologin und Immunforscherin arbeitet. Wie die Darmbakterien das machen, ist noch nicht so richtig klar, aber ein wichtiger Schritt bei dieser geheimnisvollen Kommunikation scheint es zu sein, dass sie Chemikalien ausschütten, die ins Blut übergehen und dann an Rezeptoren in verschiedenen Geweben andocken. Auf diese Weise wird die Aktivität der angesteuerten Zellen verändert. Außerdem nähren sie die Innenwände unseres Verdauungstraktes und gewährleisten so seine Funktion: Lebenswichtige Nährstoffe werden aufgenommen, während Giftstoffe zugleich daran gehindert werden, in andere Körperteile überzutreten.
Gute Bakterien, schlechte Bakterien
Aber natürlich haben die „guten“ Darmbakterien auch gefährliche Gegenspieler, etwa den berüchtigten Clostridium difficile. Kommen diese „bösen“ Bakterien in die Überzahl, dann sind gesundheitliche Probleme vorprogrammiert: Verdauungsprobleme, Entzündungen, Immunschwäche, Allergien, aber auch Depression, Diabetes, Darmkrebs und sogar Herzerkrankungen können von einem gestörten Gleichgewicht im Mikrobiom des Darms ausgehen. Leider ist die moderne Lebensweise nicht besonders gut geeignet, um diese Balance aufrecht zu erhalten: Pingeliger Wohnungsputz, der Einsatz von Desinfektionsmittel und Antibiotika töten Bakterien ab, ohne Rücksicht darauf, wer hier zu den „Guten“ und wer zu den „Bösen“ gehört. Dazu kommt häufig eine Ernährung mit viel industriell verarbeiteten Lebensmitteln, die gesundheitsfördernden Bakterien genau die natürlichen Nährstoffe vorenthält, die sie zum Leben brauchen.
Die Folge: Die Diversität des Mikrobioms nimmt seit Jahrzehnten kontinuierlich ab. Im Darm von heutigen Menschen leben deutlich weniger verschiedene Arten von Bakterien als noch zu Zeiten unserer Eltern und Großeltern. Das ist bedenklich, denn „eine robuste Gesundheit hängt eng mit der Vielfalt an Darmbakterien zusammen – während umgekehrt Krankheiten aller Art in Relation zum Verlust dieser Vielfalt stehen“, sagt der Arzt und Buchautor Leo Galland.
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Die Darmflora in nur einem Tag verbessern
Das Gute ist: Wir können diesen Trend mit ziemlich einfachen Mitteln umkehren. Eine 2013 an der Harvard University durchgeführte Studie zeigte, dass die Balance der Darmflora schon an einem einzigen Tag, an dem man die „richtigen“ Dinge isst und die „falschen“ meidet, deutlich verbessert werden kann. Gerade wenn man bedenkt, dass die Bakterienzellen im Darm gut die Hälfte aller im Körper vorhandenen Zellen ausmachen, ist es entscheidend, dass man diese Zellen gut füttert. Dieses Veggie Ramen Rezept von Mara King ist dafür ein guter Anfang. King setzt dabei besonders auf fermentierte Nahrungsmittel. Ihr Credo: „Vergiss deine Angst vor Bakterien und stelle dir lieber vor, dass du mit Ihrer Ernährung einen inneren Garten pflegst, der dich gesund und fit hält.“
In drei Schritten zu einem gesunden Darm
1. Mehr fermentierte Lebensmittel
Fermentation ist eine uralte Technik, Lebensmittel mit Hilfe von Bakterien oder Hefen zum Gären zu bringen und zu konservieren. Die bekanntesten heimischen Produkte sind Joghurt und Sauerkraut, aber auch asiatische Fermente wie Kombucha, Kimchi oder Miso sind längst bei uns bekannt. Fermentierte Lebensmittel enthalten nicht nur viele förderliche Mikroorganismen, während des Gärens werden die Ausgangsprodukte auch aufgebrochen. Das erleichtert die Verdauung und macht wertvolle Nährstoffe wie Vitamin B und C, Eisen und Antioxidantien besser verfügbar. Außerdem entziehen die bei der Fermentation wirkenden Bakterien schädlichen Keimen im Darm die Nahrung und bringen so das Mikrobiom ins Gleichgewicht. Dabei haben die verschiedenen Stämme der Probiotika jeweils spezifische Eigenschaften. So hält zum Beispiel der Lactobacillus reuteri DSM 17938 das Verdauungssystem in Schuss, kann aber im Gegensatz zu seinem Verwandten Lactobacillus salivarius LS01 keine Ekzeme lindern. Da diese Feinheiten und die genaue Zusammensetzung der verschiedenen Fermente noch nicht gut erforscht sind, gilt: Je größer die Bandbreite an Probiotika ist, desto besser. Außerdem wichtig: Selbst eingemachte Lebensmittel sind die erste Wahl, denn beim längeren Lagern verändern sich die Probiotika.
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2. „Gute“ Darmbakterien füttern
Die beste Nahrung für die erwünschten Darmbakterien sind so genannte Präbiotika, eine bestimmte Art von Kohlenhydraten, die der Körper nicht richtig aufspalten kann. Sie gehören zur Gruppe der löslichen Ballaststoffe. Ihre schlechte Verdaulichkeit führt dazu, dass sie in den Dickdarm wandern, wo die Bakterien sie zersetzen und sich dabei an ihnen nähren. Ein bedeutsames Nebenprodukt dieses Vorgangs sind die kurzkettigen Fettsäuren, ein wichtiger Nährstoff nicht nur für die Zellen im Inneren des Dickdarms, sondern auch für Darmflora allgemein. Präbiotika sind also so etwas wie ein Dünger, der den Verdauungstrakt gesund und im Gleichgewicht hält, doch leider spielen sie in der modernen Ernährung eine viel zu geringe Rolle. Man findet sie vor allem in Spargel, Fenchel, Knoblauch, Lauch, Linsen, Zwiebeln, Erbsen, Granatäpfeln, Nektarinen und Wassermelonen. Eine Sonderrolle unter den Präbiotika spielen die resistenten Stärken, die unter anderem in Bananen, Bohnen, Nudeln und Reis vorkommen.
Sie nähren nicht nur die “guten” Darmbakterien, sondern erleichtern auch die Aufnahme von Kalzium, verbessern den Zuckerstoffwechsel und angeblich auch die Fettverbrennung. Interessanterweise variiert der Anteil an resistenten Stärken je nach Temperatur und Reifegrad. Besonders günstig sind zum Beispiel abgekühlte Nudeln und Kartoffeln und nicht allzu reife Bananen.
3. Schädliche Nahrungsmittel meiden
Zuguterletzt gilt es dann, bei der Ernährung alles zu meiden, was eine gesunde Darmflora stört: vor allem zu viel Zucker, raffinierte Kohlenhydrate und ungesunde, industriell verarbeitete Fette. Ihnen fehlen die Ballaststoffe, die „gute“ Darmbakterien zum Leben brauchen. Die Folge: Ihre Zahl und Diversität nimmt ab. Gleichzeitig füttern sie aber die problematischen Bakterien und bringen so die Darmflora vollends aus dem Gleichgewicht.
Text: Karen Ansel, Ernährungsberaterin und freie Autorin.