Achtsam essen – Das 3-Wochen-Programm (Teil 4)

3. Woche: Die 7 Arten von Hunger

Die Ärztin, Achtsamkeitslehrerin und Zen-Buddhistin Jan Chozen Bays unterscheidet in ihrem Buch „Achtsam essen“ sieben Arten von Hunger. Natürlich vermischen sich diese Motive in der Realität fast ständig. Umso mehr lohnt es sich, jede dieser Hungerarten etwas genauer zu erforschen, um Ihre individuellen Muster und Essgewohnheiten genauer zu verstehen.

Hinweis
Auch hier empfiehlt es sich, Ihre Beobachtungen und Erlebnisse schriftlich festzuhalten. Eine Menge weiterer Übungen und Anregungen zu den 7 Arten von Hunger finden Sie in Jan Chozen Bays Buch „Achtsam essen“ (Arbor Verlag, 19 Euro).

TAG 1// AUGENSCHMAUS
Es heißt nicht umsonst: „Da waren die Augen mal wieder größer als der Magen.“ Der Augenhunger, also der Appetit, der vom reinen Betrachten kommt, kann die Informationen von Magen und Körper leicht überstimmen. Beobachten Sie diesen Effekt heute aufmerksam: Welche Rolle spielt der Anblick bei der Auswahl Ihres Essens? Schauen Sie sich Rezeptbücher oder Food-Blogs an: Was spricht Sie an? Wie? Warum? Jan Chozen Bay rät außerdem: „Experimentieren Sie damit, den Augenhunger zu befriedigen, ohne etwas zu essen“ – zum Beispiel indem Sie sich bewusst den schönen Dingen und Details in Ihrer Umgebung widmen, die nichts mit dem Essen zu tun haben.

TAG 2// SCHNUPPERTAG
Ein Großteil der Geschmackswahrnehmungen stammt in Wirklichkeit vom Geruchssinn. Und schon der Geruch eines guten Essens kann einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen – ganz egal, ob man gerade hungrig ist oder erst vor Kurzem gegessen hat. Heute widmen Sie sich diesen Mechanismen: Schnuppern Sie intensiv nicht nur an Ihrem Essen, sondern auch an den einzelnen Zutaten und versuchen Sie, Ihre Eindrücke in Worte zu fassen. Beobachten Sie, wie sich Geruch und Geschmack bedingen, etwa indem Sie sich beim Essen zeitweise die Nase zuhalten. Erfreuen Sie sich an der Feinheit Ihrer Nase. Welche Gerüche finden Sie besonders appetitlich? Welche stoßen Sie ab?

TAG 3// GAUMENFREUDE
„Mundhunger ist das Verlangen des Mundes nach angenehmen Dingen“, erklärt Jan Chozen Bay. Heute machen Sie sich bewusst, was Sie im Mund als angenehm empfinden: Welche grundsätzlichen Geschmacksrichtungen? Welche speziellen Aromen? Welche Konsistenzen? Was stößt Sie im Gegensatz dazu deutlich ab? Versuchen Sie, sich so wenig wie möglich davon leiten zu lassen, was Sie zu wissen glauben. Experimentieren Sie mit ungewohnten Dingen. Vergleichen Sie: Wie schmeckt beispielsweise eine Nuss, die ich kurz kaue und dann schlucke; wie schmeckt sie, wenn ich sie 5 Minuten lang lutsche; wie, nachdem ich sie gemahlen habe? Was ist angenehmer? Was befriedigender?

TAG 4// WAS MAG MEIN MAGEN?
Mal ganz aus dem Bauch heraus: Können Sie Ihren Magenhunger wahrnehmen? Viele Menschen können das nicht. Es fällt ihnen schwer, ihre Empfindungen einzuschätzen: Wann ist der Magen leer? Wann halb voll? Wie äußert sich Magenhunger überhaupt? Indem er sich hohl anfühlt? Oder vielleicht indem er sich zusammenzieht? Knurrt Ihr Magen? Und zu welchen Zeiten? Lassen Sie es heute darauf ankommen: Beobachten Sie nicht nur die Empfindungen des ersten Hungers, sondern warten Sie noch eine Weile bis zum Essen. Was signalisiert der Magen und wie? Wie fühlt er sich während des Essens an? Wie unmittelbar danach? Und wie nach 2 Stunden? Wann setzt wieder Magenhunger ein?

TAG 5// INTELLIGENTE ZELLEN
Tiere und kleine Kinder haben eine Fähigkeit, die uns als Erwachsenen häufig verloren gegangen ist: Sie spüren Ihren Zellhunger, das heißt, sie nehmen wahr, welche Nährstoffe der Körper aktuell braucht, und essen entsprechend. Auch zum Ende einer Krankheit oder während Schwangerschaft und Stillzeit hat man häufig eine feinere Antenne für solche elementaren Bedürfnisse. Den Zellhunger wieder deutlicher spüren zu lernen, ist gar nicht so einfach. Versuchen Sie heute, sich ein wenig heranzutasten: Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Ihr Körper unmissverständlich ein bestimmtes Nahrungsbedürfnis signalisierte. Wie war das? Fragen Sie Ihren Körper, worauf er jetzt wirklich Hunger hat. Vielleicht schlagen Sie ihm Alternativen vor: Auf was spricht Ihr Zellhunger an?

TAG 6// GEDANKENSPIELE
„Zucker ist Gift“, „Ist das auch wirklich vegan?“, „Bitte nur Rohkost, aber auf keinen Fall nach 18 Uhr“ – unzählige solcher Konzepte belegen, dass der Geist in unserer Lebenswelt auch beim Essen eine privilegierte Rolle spielt: Wir mögen, was wir aufgrund bestimmter Informationen für „gut“ halten. Beobachten Sie heute etwas genauer, was Ihr Geist übers Essen sagt. Wozu rät er? Was verbietet er? Wofür rügt er? Gibt es widerstreitende Stimmen? Was sagen Ihre Sinne dazu, also Augen, Nase, Mund und Magen? Können Sie Ihren Geist durch Meditation, Atem und Yoga etwas milder stimmen?

TAG 7// WAS DAS HERZ BEGEHRT
„Essen hält Leib und Seele zusammen“, „Liebe geht durch den Magen“ – mit anderen Worten: Essen hat immer auch eine emotionale Seite. Man muss sie erkennen und würdigen, um schädigende Essgewohnheiten zu überwinden. Was essen Sie, wenn Sie traurig sind? Was tröstet Sie wirklich? Wenden Sie sich heute ganz bewusst der Gefühlsebene zu: Erinnern Sie sich an ein besonders gutes Lieblingsessen aus der Kindheit und an die Menschen, die es mit Liebe für Sie gekocht haben. Kochen Sie sich selbst etwas Gutes. Machen Sie sich bewusst, was vom Samenkorn bis zum Supermarkt alles nötig war, damit dieses Essen heute Ihre Nahrung sein kann. Erkennen Sie auch, dass es andere und machtvollere Arten gibt, den Herzenshunger zu stillen, als in sich hineinzufuttern.

Wie geht es weiter?
Drei intensive Wochen mit vielen neuen Eindrücken und Erkenntnissen liegen hinter Ihnen. Zeit für ein ausführliches Resümee: Was hat Sie besonders beeindruckt? An welchen Stellen ist etwas in Bewegung geraten? Wo brauchen Sie noch mehr Übung? Überlegen Sie, wie Sie die verschiedenen für Sie bedeutsamen Elemente dieser drei Wochen so zusammenfügen können, dass Sie weiterhin am Ball bleiben. Dies kann zum Beispiel geschehen, indem Sie sich selbst ein individuelles Programm für die kommenden Wochen aufstellen. Vielleicht brauchen Sie aber auch nur ein Buch zum Thema oder ein paar Erinnerungsstützen, etwa in Form von Post-it-Zetteln an strategisch wichtigen Plätzen wie Essplatz, Küche und Schreibtisch. Wichtig ist vor allem, dass Sie noch eine ganze Zeit lang bewusst am Thema bleiben, um Ihr Essverhalten auch nachhaltig achtsamer zu machen. Wenn es mit eigenen Plänen und Remindern nicht so recht klappen will, dann könnten Sie überlegen, dieses Programm einfach noch zwei Mal zu wiederholen.

Info
Laut einer im European Journal of Social Psychology veröffentlichten Studie dauert es im Schnitt 66 Tage, also fast 10 Wochen, bis man ein neues Verhalten so eingeübt hat, dass es wirklich zur Gewohnheit wird.


Hier finden Sie eine Einleitung zum Thema “Achtsam essen”, hier geht’s zur 1. Woche des Programms und hier zur 2. Woche.

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