Bewusst loslassen: Yoga und Periode

Einmal im Monat die Yoga-Praxis neu entdecken: Wir sprechen mit Nina Woischnik über Yoga im Zyklus und holen uns hilfreiche Tipps, wie man vor, während und nach der Periode achtsam und mit Hingabe üben kann.

Nina, du unterrichtest Workshops zum Thema „Yoga und Periode“. Dein Stil, Iyengar Yoga, hat hierzu eine klare Methodik entwickelt. Warum ist dir dieses Thema ein Anliegen?

Als ich mit Yoga angefangen habe, war ich jung, habe keine Rücksicht auf meinen Zyklus genommen und bin teilweise weit über meine Grenzen gegangen. Es hat im Unterricht allerdings auch keine Rolle gespielt. Der Yogaweg und speziell die Asana-Praxis sind traditionell auf Männer fokussiert. Heute praktizieren aber überwiegend Frauen. B.K.S. Iyengar und seine Tochter Geeta Iyengar haben Asanas und deren Wirkung genauestens studiert und erkannt, dass Frauen von einer an sie angepassten Praxis profitieren. Im modernen Yoga haben wir es mit Kursen zu tun, die von vielen Menschen besucht werden und in denen standardisiert unterrichtet wird – darunter kann sowohl auf Lehrer- wie auf Schülerseite die Achtsamkeit leiden. Gleich welchen Alters, welcher Konstitution, physischer oder mentaler Kraft: Alle Yogaschüler müssen alle Haltungen mitmachen.

… und wollen es auch! Spiegelt das die Einstellung einer wenig individualisierten Leistungsgesellschaft?

Bis zu einem gewissen Punkt ist sicher viel Ehrgeiz im Spiel. Irgendwann merkt man aber, dass man etwas will, es aber – Stichwort: Alter – nicht mehr geht. Mein Bewusstsein veränderte sich, als ich nach intensiver Ashtanga Praxis mit Iyengar Yoga begann. Ich fing an, während der Periode spezielle Sequenzen zu üben. Die Periode wurde dadurch leichter, ich konnte mit Schmerzen und Stimmungsschwankungen besser umgehen. Das Ziel von Yoga ist Veränderung, Transformation. Yoga macht uns empfindsam und lehrt uns, genauer hinzuschauen.

Eine Mischung aus Information und Spüren?

Und genauer Beobachtung. Wie geht es mir vor meinen Tagen, währenddessen und kurz danach? Wir können die Zeit der Periode als spezielle Achtsamkeitsübung sehen, anstatt zu jammern oder die Symptome mit Schmerztabletten zu bekämpfen. In meinen Workshops zum Thema machen wir vorab eine Liste mit Dingen, die während der Menstruation auftreten können. Viele Frauen fühlen sich vor allem vor der Menstruation kraftlos, unsicher, labil und verletzlich. Symptome aller Art treten auf, darunter Bauch- und Rückenschmerzen, Migräne, Hitze, Unruhe, Ängste, Krämpfe und Gewichtszunahme … Wenn man sich diese Liste anschaut, kann man gar nicht umhin, als in dieser Zeit mit besonderer Achtsamkeit und Hingabe zu üben. Und genau an dieser Stelle kann uns Yoga lehren, unsere Weiblichkeit zu respektieren und zu achten.

“Bei der Menstruation geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Loslassen – und es lohnt sich, dieses Prinzip einmal im Monat bewusst zu erfahren, samt Höhen und Tiefen.”

Was gilt es deiner Empfehlung nach ganz grundsätzlich während der Periode zu beachten?

Die ersten zwei Tage sollte man ruhen und viel Shavasana üben. Während der Periode darf kein Druck auf den organischen Körper entstehen. Der Bauch soll immer weich sein. Besonders gestützte Rückbeugen wie Supta Baddha Konasana und Setu Bandha sind gut. Sie helfen bei Bauch- und Rückenschmerzen, Schwere in den Beinen, Stimmungsschwankungen oder Müdigkeit. Es dürfen auch Sitzhaltungen, Hüftöffnungen, sanfte Drehungen und Vorwärtsbeugen mit gestütztem Kopf geübt werden. Wenn die Kraft da ist, können Standhaltungen wie Trikonasana, Ardha Chandrasana und stehende Vorwärtsbeugen wie oder Hund geübt werden. Generell ist unsere nach unten gehende Energie, die für die Ausscheidung zuständig ist (Apana Vayu), während der Periode sehr stark und schwer. Diese soll durch das Üben leicht gemacht werden. Sie darf aber nach Iyengar nicht durch Umkehrhaltungen gestört werden.

Was oft vergessen wird: Was übe ich danach?

Während der Periode steigt der Östrogen-Spiegel. Wir fühlen uns auf einmal aktiv, stark und erfrischt. Jetzt sollten wir die Energie richtig nutzen und noch keine Rückbeugen oder Standhaltungen üben. Nach der Periode übt man am besten die Umkehrhaltungen, Kopf- und Schulterstand. Jede Periode ist wie eine winzige Schwangerschaft mit kleiner Fehlgeburt. Geeta erklärt, dass Umkehrhaltungen eine heilende Wirkung auf die Gebärmutter haben. Sie geben uns wieder ein Gefühl von Kompaktheit im Becken.

Ein Missverständnis besteht hier sicher in der Einstufung der Menstruation als Form von Unvermögen oder gar Krankheit – die Leistungsfähigen von den Schwachen trennen. Dabei übt man kein „anderes Yoga“, sondern bestimmte Haltungen oder Variationen der bekannten …

Man kann immer noch sehr viele Haltungen üben, dafür andere weglassen. Und in der Praxis sehr viel Neues entdecken! Man bekommt nochmals ein ganz neues Gespür für die Wirkung der Asanas: Wie fühlt es sich an, wenn ich in Pashchimottasana die Füße weit auseinander nehme, den Kopf stütze und mich höher setze? Was ist der Unterschied zur Variante mit geschlossenen Füßen, welche andere Wirkung auf die Bauchorgane kann ich feststellen?

Härte verlieren, innehalten, Intuition schärfen: Kann der Anlass, einmal im Monat besonders gut hinzusehen, uns auch im Alltag helfen?

Klar, der harte Bauch ist ein Ideal aus der Fitnessbewegung, aber nicht unbedingt förderlich für die weibliche Gesundheit. Wir sind heute auch als Frauen auf Funktion und durchgehende Leistung konditioniert und verdecken vieles, was uns vermeintlich schwach erscheinen lässt. Darunter auch die Menstruation: Statt die entsprechende Energie fließen zu lassen, blockieren wir sie. Tampons sind praktisch, haben aber auch etwas Verheimlichendes. Manche Verhütungsmethoden stoppen mithilfe von Hormonen die Periode komplett, dabei ist sie eine regelmäßige Reinigung und eventuell der Grund, warum Frauen insgesamt gesünder sind. Bei der Menstruation geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Loslassen – und es lohnt sich, dieses Prinzip einmal im Monat bewusst zu erfahren, samt Höhen und Tiefen. Es wird unsere Sensibilität schärfen. Und dank Yoga wissen wir, dass dies ja eine Stärke sein kann.

Nina Woischnik Foto: Regina Recht

Nina Woischnik ist zertifizierte Iyengar-Yoga-Lehrerin, zu ihren Lehrern gehören Rita Keller und Bob Blaeser. In München unterrichtet sie am Iyengar Yoga Institut (www.iyengar-yoga-institut-muenchen.de) und gibt Workshops zum Thema “Yoga und Periode”.

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