Ist Kaffee trinken als Yogi*ni in Ordnung? Ein Selbstversuch

Passen Yoga und Kaffee zusammen? Was sagen Yogaphilosophie und Medizin dazu? Wieso widersprechen sich die beiden eigentlich? Und wie kann ich aufhören, wenn ich das möchte? Unsere Autorin Kerstin geht dem auf den Grund.

Achtsame (Kaffee-)Rituale

Zur Morgenroutine vielenr Yogi*nis gehören nicht nur Pranayama, Meditation und Yoga, sondern auch bestimmte Speisen und Getränke. Für viele gehört der Kaffee zu einem entspannten Morgen einfach dazu. Ganz nach dem Motto: But first, coffee. Viele schwören aber auch darauf, dass dynamisches Vinyasa Yoga den Kaffee ersetzt. Es gibt bestimmt so viele Meinungen zu Yoga und Kaffee wie es Yogi*nis gibt. Aber was ist der Grundwiderspruch?

Kaffee als softe Droge widerspricht meiner Ansicht nach grundsätzlich der Yogaphilosophie. Die Kaffee-Leistungs-Kultur ist doch das genaue Gegenteil von der Erweiterung des Bewusstseins und der Achtsamkeit, die wir im Yoga anstreben, oder? Immerhin nutzen wir Yoga, um aus den Gedankenkreisläufen auszusteigen. Kaffee trinken wir aber nicht nur zum Genuss. Wir hoffen dadurch auch besser zu funktionieren, wacher zu sein – egal ob im Büro oder Home Office. Kaffee gibt uns den Kick, wenn wir die Motivation verloren haben. Er putscht uns aber nicht nur bei Bedarf auf, sondern erhöht auch unser Stresslevel. Dadurch kommen wir in den stressigen Überlebensmodus, der auch Fight-or-Flight-Mode genannt wird. Um das besser zu verstehen, schauen wir uns den Zusammenhang zwischen Coffeinkonsum und körperlichen Prozessen an.

Körperliche Folgen von Coffein

Generell gilt Kaffee als anregend. Das betrifft alle möglichen Teile des Körpers: die Atmung, den Stoffwechsel, das Herz und das Gehirn. Genau deswegen ist er ja auch so beliebt. Kaffee gibt uns ein High, das nach einiger Zeit wieder abflacht. Dann wartet der Körper auf den nächsten Shot. Allerdings kann übermäßiger Konsum auch zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Das liegt an den Hormonen Adrenalin und Cortisol. Zudem schadet die enthaltene Säure den Magenschleimhäuten. Mehr über die Körperlichen Folgen liest du hier.

Wegen den gesundheitlichen Gefahren sollten auch Schwangere und Stillende keinen Kaffee trinken. Erhöhter Herzschlag, Schweißausbrüche und Nervosität? Das wirkt der Entspannung durch Yoga entgegen. Daher sollten Yogi*nis Kaffee wenn dann nach der Yogapraxis genießen.

Yogaphilosophie und Drogen

Gibt es in den Yogatexten Hinweise darauf, dass Kaffee nicht zum Yoga passt? Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich mal wieder in die Hatha Yoga Pradipika geschaut. Einer der klassischen Yogatexte spricht nicht explizit von Kaffee, rät dafür aber von Drogen und Alkohol ab. Auch rät die Schrift von sauren und ruhelosen Speisen ab. Wenn der Körper ein göttlicher Tempel ist, gilt es, ihn nach bestem Wissen und Gewissen zu pflegen. Aber es lohnt sich auch, dafür in die Nachbardisziplin Ayurveda zu schauen. Denn die drei Konstitutionen vertragen Kaffee unterschiedlich gut: Kann das gemächliche Kapha die Anregung gut vertragen, ist beim dynamischen Pitta und ruhelosen Vata Vorsicht geboten.

Andererseits: Die Zeiten haben sich verändert, seit Yoga und Ayurveda sich entwickelt haben. Deshalb habe ich eine Freundin gefragt, die im Zuge ihrer Yogapraxis auf Kaffee verzichtet. Statt des morgendlichen Kaffees übt sie lieber den Kopfstand. Sie verzichtet generell auf zu intensive Lebensmittel, weil sich ihre Energien durch Yoga verfeinert haben, und sie alles viel intensiver spürt. Von einem Kaffeeverbot im Yoga hält sie aber nichts. Denn so etwas Striktes führe wieder zu neuem Leistungsdruck.

Mehr über die belebende Wirkung von Umkehrhaltungen kannst du auch hier nachlesen.

Loskommen, aber wie?

Ich persönlich habe bereits mehrmals versucht, dem Kaffee abzuschwören. Vor allem, weil ich generell versuche, dem Leistungsdruck zu entkommen. Aber auch, weil ich für mein Alter zu viel Herzrasen habe. Mal habe ich kalten Entzug versucht. Dann bin ich die Sache schrittweise angegangen. Dabei habe ich Coffein jeden Tag mithilfe von Schwarztee und Rohkakao reduziert. Auch Vitamin C hat gegen die Kopfschmerzen eindeutig geholfen.

Aufgrund der Kopfschmerzen und anderen Entzugserscheinungen (SienceDaily) würde ich empfehlen, den Entzug im Urlaub oder einer ruhigeren Zeit zu machen. Dann haben wir auch mehr Zeit, um mit Yoga gegen zu steuern. Denn Yoga hilft wie jeder Sport, von einer Sucht los zu kommen. Unter anderem, weil das dadurch ausgeschüttete Adrenalin den Kaffee ersetzt.

Was ich aus meinen bisherigen Kaffee-Entzügen weiß: Das Umfeld ist wichtig. Erzähle am besten deinem Freundeskreis und der Familie von deiner Entscheidung. So wird der nächste Plausch beim Kaffee mit Freund*innen nicht zum Verhängnis -zumindest bei mir war das der Punkt, an dem der Entzug immer gescheitert ist.

Ausschlaggebend: die Intention dahinter

Für mich ist beim yogischen Kaffeekonsum die Intention entscheidend: Wieso trinken wir täglich Kaffee? Weil wir gar nicht mehr drüber nachdenken und einfach süchtig sind? Oder weil eine kleine Dosis in Kombination mit einem Ritual unsere Lebensqualität steigert? Durch Achtsamkeit gegenüber dem Körper, verstehe ich auch mein Inneres besser. Und die neu gewonnene Klarheit schenkt mir Mut, anschließend danach zu handeln.

Genießen in Maßen

Wie so oft lässt sich zu einem komplexen Thema nicht die eine Antwort finden. Yoga ist eben Freiheit und nicht Dogma. Deshalb ist Yogi*ni auch nicht nur, wer auf coffeinhaltige Lebensmittel verzichtet. Mich persönlich haben vor allem die Yogaphilosophie und die körperlichen Folgen neu motiviert. Ein erneuter Kaffeeentzug ist einer meiner Neujahrsvorsätze.

Dieses Mal habe ich keinen Anspruch, dass ich nie wieder Kaffee trinke. Aber ich möchte nicht mehr abhängig sein. Immerhin soll eine geringe Dosis Coffein bei Diabetes II und manche Krebsarten vorbeugend wirken (T-Online). Maßvollen Konsum schlägt die Yogaphilosophie vor. Tatsächlich belegen auch Studien, dass kleinere und regelmäßige Mengen Coffein gegen Müdigkeit am wirksamsten sind (Apothekerzeitung).


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Text: Kerstin Thost

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