Wie geht die yogische Antwort auf Populismus?

Am 20. Januar 2017 wurde Donald Trump als US-Präsident vereidigt. Ein lauter Vorzeige-Populist als “mächtigster Mann der Welt”? Trump, Marine Le Pen, Viktor Orban, die AfD – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie  berauschen sich am eigenen Lärm, am Getrampel, Geschrei und Geschubse ihrer Anhänger. Das Laute ersetzt das Zuhören und Nachdenken. Wie kann sich dagegen ein Weg behaupten, den man leise und friedlich beschreitet? Wie sollen sich Leute Gehör verschaffen, die nicht brüllen? Wie geht die yogische Antwort auf Populismus?

Der neue Rechtspopulismus und der allerorten aufblühende Nationalismus ist gerne grob und laut. Differenzieren, Abwägen, Nachdenken hält man für eine Schwäche. Es soll schnell und einfach vorangehen. Leute wie Donald Trump schreien sich offenbar den ganzen Tag in Rage. Und zwar bevorzugt über das Immergleiche: Mauern bauen, Grenzen schließen, im Namen des Kampfes gegen Terrorismus Menschen niedermachen … Gegenüber Einwänden und Argumenten von Andersdenkenden wird man immun, indem man seinen Standpunkt unendlich oft und möglichst laut wiederholt. Ansonsten ist sowieso alles erlaubt: Lügen, Verunglimpfen, Denunzieren. Das Projekt der Schreihälse ist zynisch und menschenverachtend bis ins Mark und das zeigt sich auch an ihrer Performance.

Dem entgegengesetzt ist eine Geisteshaltung, die der Dalai Lama in seinem Buch mit den Worten “nachdenken, nachdenken, nachdenken – forschen, forschen, forschen” umschreibt. Hier geht es um äußerste Aufmerksamkeit, um Differenzierungen, um den Willen und die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen, sich zu verändern, sich in den Anderen hineinzudenken. In einem Wort: Es geht um das Leise, Behutsame, es geht um Yoga.

Wenn Trump den Dalai Lama träfe…

Vielleicht trifft der Dalai Lama irgendwann einmal auf Donald Trump und kann ihn davon überzeugen, für die nächsten 10 Jahre auf sein Abendessen zu verzichten, um am frühen Morgen mit klarem Geist meditieren zu können. Vielleicht übernimmt Trump von Mahatma Gandhi die Idee, einen Tag in der Woche zu schweigen, um sich zu besinnen. In der Zwischenzeit müssen wir nicht nur Trump und Petry ertragen, sondern tagtäglich in unserer direkten Umgebung überzeugend wirken und aktiven Widerstand gegen das Geschrei leisten. Das könnte insofern anstrengend werden, weil unsere Mittel andere sind – nämlich das gesprochene, nicht das gebrüllte Wort, differenzierende Erklärungen, genaues Argumentieren, genaues Beobachten.

Angst als Antrieb

Und darin besteht auch schon der Witz der Sache: Die Mittel geben Auskunft über das, was man will. Trump ist Befürworter der Folter, die AfD will an den Grenzen schießen und alle diese Leute wollen sich bis an die Zähne bewaffnen. Im Grunde treffen wir bei den Trumps, der AfD, dem Front National (Frankreich) oder auch der SVP (Schweiz) auf zutiefst ängstliche und verunsicherte Menschen, die sich lieber einbunkern und um sich schießen, als dass sie sich ihren Angstkosmos einmal wirklich anschauen: Angst vor fremden Kulturen, Angst vor fremden Menschen, Angst vor Veränderung, Angst vor Frauen, Angst vor Sex, Angst vor dem Veggieday …

Yoga als starke Gegenkultur

Yoga ist tatsächlich eine kraftvolle Gegenkultur. Sie ist zwar leise und friedlich, interessiert sich aber um so mehr für die eigene Mitwelt und ist im größtmöglichen Sinn ganzheitlich. Yoga  macht tatsächlich toleranter, behutsamer, enthaltsamer und langsamer, aber eben auch unabhängiger, freier und vor allem weniger ängstlich. Der Dalai Lama sagt: „Ich kenne keine Feinde, sondern nur Menschen, die ich noch nicht kennengelernt habe.“ Es geht plötzlich nicht mehr darum, sich abzugrenzen und möglichst viele auszuschließen, sondern um Kooperation.

(Mit) Gefühl verbindet Menschen

Yoga wendet sich mit all seinen Ressourcen gegen den Rassismus, Sexismus und Chauvinismus eines Donald Trump und seiner Freunde und Nachahmer. Immer wieder wird Yogis wie dem Dalai Lama deswegen Weltfremdheit oder sogar „moralische Trunkenheit“ vorgeworfen (so der französische Philosoph Alain Finkelkraut). In Wirklichkeit beschreibt der Dalai Lama in seinem jüngsten Buch eine säkulare, universalistische Ethik, die grundsätzlich alle Menschen verbindet – und zwar vor aller Religion, vor allem Trennenden. Zu ihr gehören Güte, Geduld, Mut, Mitgefühl, Achtsamkeit, Liebe – alles Dinge, die wir überall auf der Welt und bei allen Menschen antreffen und über die wir uns zu verständigen versuchen wollen. Das Konzept der lärmenden Angsthasen verblasst dagegen.

Michi Kern lebt und unterrichtet als Jivamukti-Yoga-Aktivist in München. Neben Yogastudios betreibt er diverse Clubs und Restaurants und studiert Philosophie.


Titelbild:Carla Schostek/ Illustration:shutterstock.com

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