Lotosblüten sind was Wunderschönes – und wer würde als Yogi*ni nicht gerne entspannt im Lotos sitzen? Leider ist das nicht so ohne. Stattdessen bringt unsere Asana-Kolumnistin Jelena Lieberberg Padmasana hier in der halben und zur Seite geneigten Variante zum Blühen.
Der Lotos spielt fast überall in Asien eine wichtige Rolle. Im Buddhismus steht er für Reinheit des Herzens, für Treue und Erleuchtung, außerdem soll der Buddha in einer Lotosblüte geboren worden sein. Hindus haben die Chakren mit den Blütenblättern der Lotusblume dargestellt, denn sie steht für spirituelle Entfaltung und Vollkommenheit:
Ihre Wurzeln stecken im Schlamm, sie wächst aus dem trüben Wasser zum Licht und entfaltet sich mit den ersten Sonnenstrahlen. „Om Mani Padme Hum“ lautet das älteste und populärste Mantra der Tibeter. Es bedeutet „Om, Juwel im Lotus“ und soll in Klang und Bild Ausdruck der grundlegenden Haltung des Mitgefühls sein.
Kein Wunder also, dass der Lotossitz auch im Yoga so eine zentrale Bedeutung hat. Vor allem Nicht-Yogis denken (vom Baum mal abgesehen) bei Yoga wohl zu allererst an Padmasana. Doch der Lotos ist nicht nur der klischeemäßige Inbegriff der Praxis, sondern auch eine wichtige traditionelle Meditationshaltung – dabei aber alles andere als einfach.
Die extreme Auswärtsdrehung in den Hüftgelenken, bei der die Beine zugleich gebeugt und angewinkelt sind, erfordert nicht nur viel Übung und Geduld, sie ist für viele Menschen anatomisch schlicht unmöglich. Wer das nicht berücksichtigt und sich mit Gewalt in die Haltung brezelt, kann sich ziemlich übel verletzen, ganz besonders in den Knien. Wir begnügen uns hier mit dem halben Lotos, also Ardha Padmasana, und kombinieren ihn in der weiten Seitbeuge mit einer wunderschöne Dehnung.
Macht das Spaß?
Auf jeden Fall. Die Seitbeuge aus dem stabilen Sitz zieht die Flanken lang und entspannt den Nacken – kombiniert mit der Hüftmobilisierung macht das doppelt gute Laune.
Muss ich das können?
Nein. Auch der halbe Lotus ist hier nicht zwingend notwendig. Du kannst die Haltung auch in Sukhasana, dem einfachen Schneidersitz, üben. Wenn es in Knien oder Fußgelenken ziept, solltest du dich außerdem erhöht auf ein Meditationskissen setzen.
Was muss ich dafür tun?
Mobilisiere zur Vorbereitung deine Hüftgelenke. Dazu kannst du im Sitzen jeweils ein Bein mit den Händen anheben und sanft kreisen lassen. Auch das Nadelöhr oder die halbe Taube helfen dir, besser im Lotos (und den anderen klassischen Sitzhaltungen) sitzen zu können.
Lies auch: Hilfsmittel im Yoga – notwendig? Und wenn ja, wie viele?
Step by Step in den schimmernden Lotus
- Wir beginnen im Sitzen und versuchen zuerst, den rechten Fuß mit Hilfe der Hände auf den linken Oberschenkel in den halben Lotus zu legen. Sei dabei ganz vorsichtig und spür gut hin: Wenn es im Knie oder Fuß spannt, dann legst du den Fuß lieber auf den Boden. Erde dich über beide Sitzknochen – hier kann eine Sitzerhöhung (Kissen, Decke) eine gute Idee sein.
- Ziehe den linken Fuß am Boden zu dir heran und beuge beide Füße (sprich zieh die Zehen Richtung Knie), um deine Knie zu schützen.
- Hebe mit einer Einatmung den rechten Arm und lehne dich mit der nächsten Ausatmung zur linken Seite. Dabei stützt du dich sanft auf deine linke Hand. Achte darauf, dass dein rechter Sitzknochen am Boden bleibt und strecke dich, als würdest du mit den Fingerspitzen die nächst gelegene Wand erreichen wollen. Lasse dabei das Ohr sanft zur Schulter und die Schulter Richtung Boden sinken.
- Bleibe 5-10 Atemzüge lang in der Haltung. Dann richtest du dich behutsam wieder auf und löst achtsam das obere Bein. Strecke beide Beine locker nach vorne aus und bewege dabei deine Füße, bevor du das Ganze auf der anderen Seite wiederholst.
Fragen oder Anregungen? Du findest Jelena Lieberberg auf instagram.com/kickassyoga, kickassyoga.net oder im Buch “KickAssAsanas“. Foto: Gordon Schirmer