Kakao-Zeremonien: Humbug oder Heilung?

In der Yogaszene sind Kakao-Zeremonien inzwischen kein Geheimtipp mehr. Was steckt wirklich dahinter? Handelt es sich eher um Humbug, oder kann dort nachhaltige Heilung entstehen?

Wieso überhaupt Kakao-Zeremonien?

Nein, es handelt sich bei dem verwendeten Kakao nicht um normalen Kinder-Kaba sondern um Rohkakao, der vom Geschmack her so intensiv und bitter ist, dass er nicht direkt an Schokolade, wie wir sie kennen, erinnert. Denn dem Rohkakao ist kein Zucker beigemischt, dafür ist die Kakaobutter nicht abgeschöpft, sondern schwimmt oben auf dem Getränk. Rohkakao wird in Blöcken verkauft, die man zerkleinert und dann zum Verzehr mit Pflanzenmilch oder Wasser aufgießt. Nach dem Einrühren unter Hitze kann er mit Zimt, Chili, Pfeffer oder Agavensirup verfeinert werden.

Rohkakao ist nicht nur reichhaltig an Nährstoffen wie Eisen oder Kalzium, sondern besitzt auch einen einzigartigen Wirkstoff namens Theobromin. Es wirkt ganz leicht bewusstseinsverändernd. Es handelt sich dennoch um keine Droge, denn es macht nicht süchtig. Wer Kaffee gewohnt ist, spürt wegen des Koffeingehaltes weniger. Auch auf leeren oder vollen Magen wirkt der Kakao unterschiedlich. Vor allem wird diesem Wirkstoff eine herzöffnende Wirkung nachgesagt. Wegen der aktivierenden Wirkung auf das Herz sollten Kranke und auch Schwangere vorsichtig sein.

Wieso trinkt man ihn dann? Man erhält vom Kakao Antworten, auf die man sonst nicht kommt. Es ist so, als wäre der Verstand ausgeschaltet und die pure Intuition spricht direkt zu dir. Diese magische Wirkung wurde bereits von den Maya erkannt und genutzt. In Teilen Südamerikas wird er bis heute als das “Getränk der Götter” bezeichnet und verehrt. Aber Achtung: Man kann auch von dieser Heilpflanze eine Art Kater beziehungsweise Kopfschmerzen bekommen. Deshalb ist es sehr wichtig, nachdem die Stunde Wirkungszeit verstrichen ist, viel Wasser zu trinken. So wird alles was sich lösen durfte aus dem Körper gespült.

Was kannst du bei einer Kakao-Zeremonie erwarten?

Kakao-Zeremonien ähneln einander manchmal nur durch den Kakao. Denn jede*r Veranstalter*in setzt den Kakao mit einer anderen Intention ein. Mal stehen gemeinsamer Gesang mit Trommeln, Mantras oder Tanzen im Mittelpunkt. Andere legen den Fokus auf den Voll- oder Neumond, auf Coaching-Übungen oder einen Sharing Circle. Das sind Runden, wo jede*r die eigenen Gefühle frei oder auf ein bestimmtes Thema bezogen teilen darf. Manche Coaches setzen den Kakao sogar im 1:1-Coaching zur Unterstützung ein. Es gibt auch Kakao-Zeremonien in Frauenkreisen oder in Kombination mit Ecstatic Dance oder Yin Yoga.

Eine persönliche Erfahrung

Unsere Mitarbeiterin Kerstin Thost war bei einer Kakao-Zeremonie mit einem Sharing Circle und (Mantra)-Gesang dabei und teilt ihre Erfahrungen:

Beim Sharing Circle teilst du deine tiefsten Themen mit einer Gruppe von (meist) Fremden. Das war zunächst etwas ungewohnt. Doch niemand wird gezwungen. Es ist Teil des Prozesses, sich mal den Raum und die ungeteilte Aufmerksamkeit einer Gruppe zu nehmen. Außerdem gibt es keine Zufälle. Das Faszinierende ist, dass fast alle mit ähnlichen Themen zusammen kommen. Vielleicht liegt es an der aktuellen Zeitqualität oder der Planetenkonstellation, oder etwas noch magischerem. Die Leiterin des Kreises nimmt alle Themen auf und passt sie an Lieder an. Willst du etwas loslassen? Dann wird die Göttin Kali gerufen. Fühlst du dich im Alltag zu wenig geerdet? Dann wendest du dich an Pachamama, Mutter Erde. Kakao wird hier nicht für den Konsum, sondern für die Achtsamkeit eingesetzt und mit einer bestimmten Absicht getrunken.

Überlege dir eine Frage, auf die du eine Antwort von “Mama Kakao” haben möchtest. Der erste Schluck schmeckt fremd und obwohl ich regelmäßig Kaffee konsumiere, spüre ich etwas. Ich bin offener und zugänglicher, verletzlicher als ich mich im Alltag traue zu sein. Ich teile Gedanken und Gefühle, bei denen es mir schwer fällt, sie meinen Freunden zu erzählen. Aber nicht weil das alle so machen und ich unter Gruppenzwang stehe. Sondern weil ich das Gefühl habe, dort alles loslassen zu können. Was im Sharing Circle geteilt wird, bleibt dort. Außerdem traue ich mich frei wie ein Kind zu singen, auch wenn ich im Alltag nicht mal beim Singen unter der Dusche gehört werden will.

Am Ende des Abends fliege ich. Ich kann nicht mehr sagen, was von dem Wirkstoff kommt und was von der offenen Gemeinschaft. Am Anfang hat es mich beruhigt, dass alle fremd waren. So hatte ich das Gefühl, dass ich von keinen Erwartungen oder Bewertungen beeinflusst werde. Danach aber scheinen die anderen Teilnehmer*innen sich schon seit Jahren zu kennen. “Eben sahst du echt fertig aus. Jetzt strahlst du so richtig”, meint eine bei der Verabschiedung. Und so fühle ich mich auch. Ob der Kakao auf dich auch so wirkt, musst du für dich selbst herausfinden. Auf jeden Fall weiß ich, dass ich wieder kommen werde, um Antworten zu bekommen. Antworten, die ich im Herzen vielleicht schon weiß. Aber wenn ich einen Weg brauche, um meinen inneren Kritiker mal auszuschalten, ist der Kakao eine wertvolle Unterstützung.

Text: Kerstin Thost

2 Kommentare

  1. An einer Kakaozeremonie inklusive „Klangreise“ habe ich auch einmal teilgenommen. Der Kakao schmeckte recht interessant, bewusstseinsverändernd wirkte er jedoch (leider) nicht und ich fühlte mich eher fehl am Platz, in einer Art Selbsthilfegruppe, wo jeder Teilnehmer mit einer Rassel ausgestattet und Gesänge zum Besten gegeben wurden. Vielleicht war ich zu wenig aufgeschlossen, oder vielleicht war die Marketingidee doch eher ein Flop…

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