Als selbst an Covid-19 Erkrankte hat die Iyengar-Yogalehrerin Claudia Lamas Cornejo aus Berlin ihre Erfahrungen mit den Symptomen in ein Asana-Programm umgesetzt, das sie auch in Workshops unterrichtet. Es basiert auf einem Covid-19-Therapieprogramm des britischen Iyengar Yoga Verbands. Das Gute daran: Du kannst es ganz individuell und sukzessive aufbauen.
Alle vorgeschlagenen Asanas haben das Ziel, den Brustkorb und damit auch die Lungen auf sehr sanfte und behutsame Art und Weise zu weiten, “wie Pfannkuchen zu
wenden” (Lamas Cornejo) und Raum für den Atem zu schaffen – denn Atem bedeutet
Lebenskraft, Prana.
“Nur dort wo Raum und Ruhe geschaffen werden, kann Prana, der Lebensatem ungestört fließen.” (
BKS IYENGAR
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Beginne mit Savasana
Die wichtigste Asana während oder kurz nach einer Infektion mit Covid19! Savasana ermöglicht uns, den Körper vollständig loszulassen und uns ganz auf den Verlauf der Atmung zu konzentrieren. Um das Lungengewebe sanft zu dehnen und behutsam Raum zu schaffen, kannst du den Brustkorb mit einer (oder zwei), längs der Wirbelsäule liegenden, gefalteten Decke unterstützen. Dabei muss der Hinterkopf bis zum Nacken unterstützt sein, damit sich die Schultern abwärts entspannen und sich der Brustkorb zu beiden Seiten öffnen kann. Wichtig: Bau die Höhe behutsam auf. Da die Lungen durch die Infektion belastet sind, darf die Öffnung nicht zu stark sein.
Im Liegen praktizierst du Pranayama Ujjayi I: die Beobachtung des Atems bei normaler, ruhiger und gleichmäßiger Atmung. (Intensivere Pranayamas mit vertiefter oder unterbrochener Atmung sind nicht empfehlenswert, da sie das strapazierte Lungengewebe nur noch mehr belasten könnten.)
Unterstützte Kindhaltung (Balasana)
Wenn Bauch und Brustkorb von einem Bolster oder länglich gefalteten Decken “getragen” werden, dann wirkt das entspannend auf den Organismus. Gleichzeitig können sich die hinteren Rippen zu den Seiten hin entspannen, das heißt die hinteren Lungenflügel weiten sich sanft und können leichter mehr Sauerstoff aufnehmen. Deswegen ist die unterstützte Kindhaltung nach Savasana (wo der Brustkorb sanft geweitet wurde) die zweite Übung.
Nachdem die klassische Ausrichtung gut klappt, kannst du die Haltung variieren: gedreht und schräg über jeweils einen Oberschenkel. Je besser auch hier Kopf, Stirn und Bauch “getragen” werden, desto größer ist die entlastende Wirkung auf das Nervensystem.
L-Shape-Sitzhaltungen
Viele Menschen sind nach der Infektion noch lange sehr erschöpft. Eine gute Lösung sind unterstützte Sitzhaltungen. L-Shape bedeutet, dass die gesamte Wirbelsäule von hinten gestützt wird, zum Beispiel mit einem Bolster, das du zwischen dich und die Wand oder ein Möbelstück klemmst. Falls die Kissenrolle nicht lang genug ist, solltest du deinen Nacken zusätzlich mit einer gefalteten Decke stützen. Aus dieser Grundhaltung kannst du verschiedene Sitzhaltungen üben.
Baddha Konasana: Beruhigt und fördert die Durchblutung
Die Fußsohlen liegen aneinander, die Knie sinken zu den Seiten. Das wirkt beruhigend auf das Nervensystem und fördert die Durchblutung der Organe, vor allem des unteren Bauchraumes, wodurch es den Hormonhaushalt regulieren hilft. Falls dabei die Knie schmerzen, kannst du sie durch Kissen oder Blöcke stützen. Indem du die Fingerkuppen seitlich vom Körper aufstellst, kannst du den gesamten Brustkorb mit sanfter Aktivität anheben und in die Länge wachsen.
Baddha Konasana mit den Armen weit
Vor einem Sofa oder Bett sitzend, schafft diese Variante mehr Weite im Brustkorb.
Schneidersitz für Leisten und untere Wirbelsäule
Durch die Asymmetrie im Becken hat die Variante mit gekreuzten Beinen eine etwas andere Wirkung als die vorige, vor allem fördert sie die Durchblutung in den Leisten und der unteren Wirbelsäule. Wie alle unterstützten L-Shape-Sitze wirkt sie anregend im unteren Rücken und Becken und fördert den normalen Fluss der Nervenbahnen im Rückenmark. Wechsle hier nach einiger Zeit die Beinhaltung und übe die zweite Seite gleich lang wie die erste.
Lotussitz: Besonders heilsam
Wenn dir der Lotussitz vertraut ist und auch jetzt keine Probleme bereitet, kannst du ihn auch im L-Shape-Sitz praktizieren. Padmasana wird von BKS Iyengar als eine der “heilsamsten” Sitzhaltungen beschrieben. Keinem anderen Asana widmet er in seinem Buch “Licht auf Yoga” so viele Seiten.
Weiter Winkel für Knorpel und Gewebe der Knie
Ein schöner Abschluss für die Sitzhaltungen ist der weite Winkel, Upavista Konasana. Wichtig hier: Strecke die Beine bis in die Fersen. Durch Druck und Entlastung können die Knorpel und Gewebe der Knie mit neuer Nährstoffflüssigkeit versorgt werden.
Stehhaltungen in Kombination mit Vorwärtsstreckung
Wenn du schon wieder etwas mehr bei Kräften bist, kannst du langsam mit den Stehhaltungen beginnen. Besonders vorteilhaft sind dabei sanfte Umkehrhaltungen, also Stellungen, in denen das Herz höher steht als der Kopf, was den Kreislauf ankurbelt und dich vitalisiert. Dabei lassen wir den Kopf sanft auf einer Unterlage ankommen. Das Bolster unter der Stirn hat beruhigende Wirkung. (Ähnlich übrigens wie bei Babys, denen man sanft über die Stirn streichelt oder eine Hand auf den Kopf legt. Der sanfte Impuls beruhigt die Gehirnaktivität und somit auf das Nervensystem.) Achte bei diesen Übungen besonders gut darauf, dich nicht zu überfordern. Taste dich langsam an die Haltungen heran und steigere die Dauer nur behutsam. Die Übungen sollen sich nicht anstrengend anfühlen.
Prasarita Padotanasana für Beinmuskulatur und Rückseiten
Diese Haltung aktiviert sanft die Beinmuskulatur und hilft, die Beinrückseiten zu dehnen, also dort wo die Muskeln am schnellsten verkürzen, wenn man lange liegt oder sich aufgrund von Krankheit kaum bewegt. Wichtig: Beginne ganz sanft. Statt die Stirn wie auf dem Bild auf dem Bolster am Boden ankommen zu lassen, kannst du das Bolster auch quer über einen Stuhl legen. Der Fokus liegt darauf, die Wirbelsäule nach hinten auszustrecken und lang zu machen.
Uttanasana: Sanft beginnen
Auch hier solltest du lieber sanft beginnen. Die Haltung soll sich nicht anstrengend anfühlen. Wenn du nicht mühelos die Hände zum Boden bringst, baust du höher, zum Beispiel mit einem Hocker.
Herabschauender Hund: Weite im seitlichen Brustkorb
Indem wir die Handflächen erhöhen, zum Beispiel auf Büchern oder Blöcken, gerne aber auch an einer Tischkante, nehmen wir Druck von Händen und Schultern und können die Flanken besser nach hinten in die Länge strecken. Dadurch weitet sich der seitliche Brustkorb, es wird mehr Platz zwischen den Rippen geschaffen, so dass sich die Lunge im Brustkorb besser entfalten kann.
Baddha Konasana in Rückenlage
Zum Ende der Sequenz tut es gut, die Lungen noch einmal mit Unterstützung entlang der Wirbelsäule von hinten nach vorne zu weiten. Ein Gurt um Leisten und Füße hilft in Supta Baddha Konasana, diese zu entspannen und gleichzeitig das Becken sanft zu weiten, so dass dort die Durchblutung angeregt wird.
Option zum Abschluss: Drehsitz
Aufrechte Drehungen unterstützen das Weiten der seitlichen Rippen und des jeweiligen Lungenflügels. Drehst du nach rechts, kann sich der linke Lungenflügel mehr dehnen und umgekehrt. Sobald du dich wieder besser fühlst, solltest du diese behutsamen Drehungen in die Sequenz integrieren. Sie erweitern den Radius von der anfänglichen Dehnung der Lungenvorder- und -rückseite zu den Seiten.
Übungen, Text und Bilder von Claudia Lamas Cornejo. Hast du noch Rückfragen? Dann schreibe einfach eine Mail an yoga@claudiyengar.com.
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Schöne Anregung…Dankeschön