Dies.Das.Asanas mit Jelena Lieberberg: Der schillernde Pfau

Nein, diesen Stunt muss wirklich kein Mensch können, auch wenn er natürlich beeindruckt. Unsere Kolumnistin Jelena Lieberberg wurde seinerzeit von ihrem Lehrer mit einer ziemlich speziellen Motivation zum Üben des Pfaus (Mayurasana) angeregt … Aber lies selbst.

Text: Jelena Lieberberg / Foto: Gordon Schirmer

Ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag, als ich den Pfau zum ersten Mal in einer Yogastunde ausprobieren durfte. Das war vor knapp 20 Jahren in einem Kellerstudio in Berlin. Mein schlaksiger Yogalehrer hatte erst vor kurzem seine Ausbildung abgeschlossen und teilte uns vor Freude glucksend mit, was ihm von seinem Meister weitergegeben wurde: Nur wer diese Position meistern könne, dürfe Alkohol trinken. Das sei doch eine tolle Motivation für den Einlass beim nächsten Oktoberfest, oder? Der Hintergrund: Die Haltung erzeugt einen Druck im Abdomen, der nach yogischer Vorstellung Entgiftungsprozesse in Gang setzen und den Organismus dabei unterstützen kann, Schadstoffe wie Alkohol besser auszuscheiden.

Wer sich dieser Challenge stellen möchte, sei gewarnt: Ohne Bauchmuskeln und eine gezielte Ansteuerung der rückwärtigen Kette wird diese Asana zur Tortur – bis hin zu dem Gefühl, man hätte blaue Flecken im Bauch.

In dieser Variante von Mayurasana hilft dir die Beinposition, der Diamant, den Schwerpunkt weiter in die Körpermitte zu verlagern und dadurch leichter zu balancieren als in der klassischen Form mit gestreckten Beinen. Geübt wird natürlich auf der Yogamatte – den Stunt auf dem Küchentisch kannst du dir für die nächste Party aufheben.

Macht das Spaß?

Was für manche Menschen Spaß bedeutet – zum Beispiel Achterbahn fahren oder Schaukeln – ist für mich eher besorgniserregend und das Gegenteil von Erheiterung. Alle, die auf Nervenkitzel und Anstrengung stehen und vor keiner noch so kniffligen Position zurückschrecken, werden sich hier vielleicht ihrem Endgegner stellen müssen. Auf spielerische Art und Weise natürlich!

Muss ich das können?

Auf keinen Fall – und erst recht nicht, um endlich mit gutem Gewissen Alkohol zu trinken! (Ein Alkoholverbot oder die Absolution zum Konsum wird es an dieser Stelle auch nicht von mir geben.) Es handelt sich um eine sehr herausfordernde Asana, die im Yoga eine Tradition hat, heute aber eher im Breakdance zu Hause ist als in den meisten Yogastunden.

Was muss ich dafür tun?

Hier geht es um Kraft und Balance. Eine Anspannung, die uns blau anlaufen lässt, ist kontraproduktiv. Genauso wenig solltest du diese Position auf die leichte Schulter, oder in unserem Fall noch mehr: alleine auf die Hände, nehmen. Der Schlüssel sind hier die Bauchmuskeln in Kombination mit jenen in Rücken, Hüften und Beinen. Diese Kraft baust du am besten auf mit dem Boot (Navasana) in all seinen schillernden Variationen. Zum Aufwärmen empfehle ich außerdem Rückbeugen wie die Heuschrecke, das Rad oder Krieger 1 und Krieger 3.

Step by step

1. Beginne in einem breiten Vierfüßlerstand. Von dort aus setzt du deine Hände etwas zurück und drehst sie so, dass die Daumen nach außen und die kleinen Finger nach hinten zeigen. Die Unterarme stehen nun dicht beieinander.

2. Runde deinen Rücken etwas nach oben und lege deinen oberen Bauch auf deine Ellenbogen. Richte deinen Blick nach vorn und lehne dich etwas nach vorne.

3. Aktiviere deine Rückenmuskeln, Gesäß- und Beinmuskeln, um aktiv deine Schultern vom Boden weg zu bewegen und dabei langsam dein Gewicht nach vorne über die Ellenbogen zu verlagern.

4. Jetzt spürst du, ob es möglich sein wird, die Knie und Füße vom Boden zu lösen. Achtung: Vermeide es, dich abzustoßen oder gar zu springen! Du riskierst sonst nicht nur ein Face Planting (das heißt: du fällst wortwörtlich auf die Nase), sondern lernst auch nicht, deine Kraft gezielt einzusetzen. Stattdessen legst du die großen Zehen aneinander, hebst die Füße und löst die zu den Seiten gezogenen Knie kontrolliert vom Boden.

5. Wenn es dir in dieser Variante gelingt, Knie, Oberschenkel und Rumpf in eine Linie zu bringen, bist du bereit für die nächste Challenge: die klassische Version mit gestreckten Beinen. Dabei bildest du vom Kopf bis in die Zehen eine schräg ansteigende Linie.

PNF-Special mit Jelena Lieberberg im YOGAWORLD JOURNAL 01/2024

Wie bei allen Yogahaltungen erfordert auch der Pfau ein gesundes Verhältnis von Beweglichkeit und Stabilität. Dass diese beiden zusammengehören, kann man nicht oft genug betonen. PNF-Stretching (PNF steht für Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation) ist eine Methode aus der Sportmedizin, die auch Yogis und Yoginis einen neuen Blick auf das Thema Dehnung eröffnen kann. Im YOGAWORLD JOURNAL 01/2024 findest du ein spannendes Special mit Jelena zu diesem Thema. Hier geht’s zum Online-Shop:


JELENA LIEBERBERG ist Osteopathin und Yogacoach in Berlin. Ihre eBooks, Retreats und Workshops findest du unter kickassyoga.com oder besuche Jelena auf Insta @kickassyoga.

Kennst du auch schon den “7er-Kopfstand” aus Jelenas letzter Kolumne?

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