Yoga und Tanz – Praxisstrecke von Franzi Wagner

Atem, Bewegung, Präsenz – Yoga und Tanz haben vieles gemeinsam. Und immer mehr Lehrer*innen und Unterrichtsformate kombinieren beides. Die Idee: weniger Augenmerk auf präzises Alignment, dafür umso mehr Gefühl für den eigenen Ausdruck, den Fluss der Bewegungen – und die Berührung durch Musik! Franzi Wagner kombiniert in ihrem Yogaunterricht Contemporary Dance mit Yoga. Eine passende Praxisstrecke findest du weiter unten im Artikel. Und auch auf der kommenden YogaWorld-Messe wird Franzi ihr Konzept in einem Special Workshop vorstellen.

Text: Stephanie Schauenburg / Sequenz: Franzi Wagner / Fotos: Christian Boehme / Outfit: OGNX

Als wir 2010 in einer der ersten Ausgaben des YOGA JOURNAL über Yoga und Tanz berichteten, war Yoga zwar schon in vielen Tanzakademien angekommen, aber umgekehrt gab es nur eine Handvoll Yogalehrer*innen, die tänzerische Elemente in die Asana-Praxis integrierten. Damals sprachen wir unter anderem mit der New Yorker Tänzerin Susan Quinn. Sie hatte Yoga schon 1993 bei der Gründung der Salzburg Experimental Academy of Dance (SEAD) als verpflichtendes Unterrichtsfach eingeführt – anfangs noch getarnt als “Anatomiekurs”. In Wirklichkeit war der Gründerin klar: Yoga hilft angehenden Tänzer*innen Körper und Geist zusammenzuführen, mehr Präsenz im Augenblick zu finden und ein inneres Gleichgewicht zu entwickeln – alles wichtige Grundvoraussetzungen für einen überzeugenden Ausdruck auf der Bühne. Aber wie kann umgekehrt auch Yoga vom Tanz profitieren?

Vom Alignment in den Ausdruck

Franzi Wagner hat an der Münchner Iwanson-Schule Contemporary Dance studiert und im Rahmen dieser Ausbildung ein 100-stündiges Yoga-Teacher-Training gleich mit absolviert. Heute unterrichtet sie beides – aber ihr Fokus verschiebt sich immer mehr auf Yoga.

Übe Contemp Yoga mit Franzi Wagner auf der YogaWorld 2023 in München. Hier geht’s zu den Tickets.

Sie war erschrocken, als langjährige Yogaübende ihr gestanden, dass sie unfähig sind, aus den bekannten Asanas und Vinyasa Flows auch mal ohne Anleitung etwas zu entwickeln, sich im Yoga einfach aus dem eigenen Gefühl heraus zu bewegen. Franzi ist überzeugt:

“Durch Tanz können wir im Yoga mehr Freiheit einladen und auch mal rauskommen aus den festen Abläufen, dem korrekten Alignment. Diese Präzision hat natürlich ihre Berechtigung, aber es tut auch gut, das ab und zu mal aufzulockern.”

Tanz und Yoga Franzi Wagner Peaceful Warrior

Auch Daniela Mühlbauer kam über den Tanz und die Ausbildung an der Iwanson-Schule zum Yoga. Für sie steht noch ein anderer Aspekt im Vordergrund, wenn sie ihre Kombination aus Tanz und Yoga, den “Yoga Flow Dance”, unterrichtet:

“Yoga hilft uns, die Sinne nach innen zu richten, zu fokussieren und uns mit unseren Gefühlen zu verbinden. Über den Tanz wird eine Ausdruckssprache gefunden, die unser inneres Erleben nach außen transportiert. Die Kombination aus Tanz und Yoga kann als Ventil wirken, um loszulassen, den eigenen Emotionen Ausdruck zu verleihen und sie zu kanalisieren.”

Musik ist dabei ein wichtiger und kraftvoller Bestandteil:

“Sie kann uns antreiben, in die Kraft bringen, uns tief berühren und entspannen. Sie kann helfen, tiefer liegende Emotionen zu erreichen und diese freizusetzen.”

Tanz findet immer mehr Einzug im modernen Yoga

Yogastile wie Vinyasa Flow oder Jivamukti arbeiten seit jeher mit dieser berührenden Qualität von Musik, dennoch haben Improvisation und Selbstausdruck im herkömmlichen Yoga traditionell ebenso wenig ihren Platz wie etwa im klassischen Ballett oder dem indischen Tanz. Genau hier setzen mittlerweile eine Vielzahl von modernen Yoga-und-Tanz-Ideen an, sei es nun das aus dem Contemporary Dance kommende “Contemp Yoga” von Franzi Wagner, Daniela Mühlbauers “Yoga Flow Dance”, Miriam Wessels “Yoga Dancing” oder das von Vitali Safronkine und Aquila Camenzind entwickelte “Danceyoga”. Überhaupt scheinen der Kreativität kaum Grenzen gesetzt zu sein: Im Internet findet man von “Shakti Dance Yoga” über “Trance Dance and Yoga” bis hin “Afro Yoga Dance” so ziemlich alle vorstellbaren Kombinationen.

Jede*r kann tanzen!

Allerdings können einige der Instagram-affinen, hyperbeweglichen und extrem ästhetisch auftretenden Tänzer-Yogi*nis auch ganz schön abschreckend wirken – zumal viel zu viele Menschen ja sowieso schon überzeugt sind, Yoga und Tanz seien nur etwas für superschlanke, sportliche Gazellen. Im Yoga ist dieser Irrtum in den letzten Jahren glücklicherweise auf dem Rückzug, die Hemmschwelle wird niedriger. Franzi Wagner sieht darin eine Chance: “Wie oft ich diesen Satz höre: Ich kann nicht tanzen!” Vom zeitgenössischen Tanz kommend weiß sie, wie falsch das ist:

“Da gibt es eine Grundbewegung, die einfach da ist, in jedem Menschen, jedem Körper. Sie entsteht von innen heraus und in Verbindung mit der Atmung.”

Die vertraute Yogamatte und die bekannten Asanas können ihrer Erfahrung nach als Safe Space dienen, um sich erstmal auszuprobieren. Franzis Tipp: “Gib dir die Erlaubnis zu experimentieren, schau, was dein Körper mag, was dir taugt …”

“Move your body, free your mind” – Contemp-Yogapraxis mit Franzi Wagner

Getanztes Yoga lässt sich auf keine feste Sequenz herunterbrechen. Hier zeigt dir die Yogalehrerin und Tanzpädagogin Franzi Wagner aber eine Grundstruktur, die dir hilft, mehr Freiheit in deinen Asanas zu finden und in deinen persönlichen Flow zu kommen. Bring deine Asanas – und deine Seele – zum Tanzen!

Tipp: Zu dieser Sequenz hat Franzi eine passende Playlist erstellt. Du findest sie hier:

1. Ankommen, erden, frei tanzen

In dieser Praxis müssen Bewegungen keine bestimmte äußere Form erfüllen, sie dürfen von innen heraus entstehen. Umso wichtiger ist es, deinen eigenen Körper erst einmal bewusst zu spüren und wahrzunehmen. Steh dazu auf beiden Füßen und finde einen festen Stand mit leicht gebeugten Knien. Die Arme lässt du seitlich hängen, die Schultern sind zurückgerollt und die Wirbelsäule aufrecht, ohne angespannt zu sein (Tadasana). Schließe die Augen und nimm deinen Stand bewusst wahr. Spüre die Verteilung deines Gewichts auf den Fußsohlen, vielleicht nimmst du ein kleines Schwanken wahr. Lass es da sein. Spür deine Atmung im Brustkorb.

Tanz und Yoga Franzi Wagner

Starte deine Lieblingsmusik und beginne nun, langsam kleine Bewegungen in den Händen, Handgelenken, Knien, den Hüften, Füßen, der Wirbelsäule und dem Kopf einzuladen. Lass sie klein beginnen und allmählich raumgreifender werden. Geh ganz nach dem Gefühl: Was fühlt sich gut an? Langsam kommst du so in eine spielerische, freie Tanzimprovisation.

2. Swings

Jetzt wollen wir noch etwas mehr Energie in den Körper bringen. Die Idee hinter den Swings ist es, Altes loszulassen und gleichzeitig neu aufzutanken. Verbinde die Bewegungen unbedingt mit deiner Atmung.

Tanz und Yoga Franzi Wagner Swings frontal

A ● frontal: Stell dich hüftschmal auf, hebe mit der Einatmung beide Arme und lass den Oberkörper mit der Ausatmung nach vorne fallen. Beuge dabei deine Knie und lass die Arme an den Beinen vorbei schwingen. Mit der Einatmung richtest du dich wieder auf und fährst fort.

Tanz und Yoga Franzi Wagner Swings seitlich

B seitlich: Beginne wieder, indem du einatmend beide Arme hebst. Anstelle dann Arme und Oberkörper mit der Ausatmung nach vorne zu schwingen, lässt du hier einen Arm zur Seite fallen und schwingst ihn vor dem Körper weiter bis vor den Bauch. Gleichzeitig wendest du den Blick zum gehobenen Arm und ziehst den Oberkörper etwas zur Seite. Mit der Einatmung schwingst du den Arm über den selben Weg wieder zurück nach oben. Mit der nächsten Ausatmung lässt du den anderen Arm schwingen – und immer weiter im Wechsel. Ganz wichtig: Auch hier sind die Knie gebeugt und du folgst mit der Bewegung deiner Atmung.

3. Getanzter Sonnengruß

Tanz und Yoga Franzi Wagner Sonnengruß High Lunge

Lass die Bewegungen nun langsam noch mehr ins Fließen kommen. Dabei orientierst du dich grob am Ablauf deines klassischen Sonnengrußes. Deine Asanas dürfen aber freier, größer und weicher sein. Wenn dir danach ist, fügst du andere Bewegungen ein, zum Beispiel machst du einen extra Kreis mit den Armen, öffnest dich in eine leichte Rückbeuge, schwingst nach vorne oder zu den Seiten… Lass dein Gefühl, deinen Körper und die Musik die Regie übernehmen und spüre, wie der Sonnengruß freier fließt.

4. Dreibeiniger Hund

Tanz und Yoga Franzi Wagner Dreibeiniger Hund

Um nun mehr in die Kraft und Streckung zu kommen und deinen ganzen Körper groß und weit zu fühlen, streckst du aus dem herabschauenden Hund langsam ein Bein nach hinten. Dann lass ein bisschen Bewegung in den Körper kommen: Beuge das Knie, drehe die Hüfte weit zur Seite, beweg dein Fußgelenk, kreise das Knie … Werde kreativ: Wie kannst du dein Bein so bewegen, dass dich deine Arme noch gut tragen und den Hund stabil halten? Sei mutig und teste ruhig deinen Bewegungsradius aus. Anschließend wechselst du zum anderen Bein.

5. Loslassen und Energie erzeugen

Stell dich in einen breiten Stand. Beginne nun langsam den linken Arm vor den Körper nach rechts zu schwingen und verlagere dabei dein Gewicht mit auf den rechten Fuß. Bewege dich locker aus den Beinen und deiner Körpermitte und lass den ganzen Körper in der Bewegung lang werden. Dann senkst du den Arm wieder über vorne und wechselst zur anderen Seite. Verbinde die Bewegung wieder mit der Atmung und schwinge rhythmisch hin und her.

6. Stretch

Tanz und Yoga Franzi Wagner Wild Thing
Wild Thing

Übe jetzt nacheinander ein paar dehnende Haltungen. Hier habe ich mich für die Goddess Pose (1. Bild), den Meerjungfrauen-Stretch (2. Bild) und Wild Thing (3. Bild) entschieden, du kannst aber auch andere Übungen wählen, die zu dir und deiner Flexibilität passen und Stück für Stück deinen ganzen Körper wohlig stretchen. Folge auch hier deinem Gefühl und der Intelligenz deines Körpers: Was brauchst du jetzt, um eine intensive, aber noch gut machbare Dehnung zu spüren? Und wie kannst du die gewählten Haltungen in Bewegung bringen? In der Goddess Pose beispielsweise kannst du abwechselnd die Schultern nach vorne ziehen und einen leichten Twist hineinbringen. In der Meerjungfrauen-Pose schwinge ich den oberen Arm vor und zurück. Wild Thing kombiniere ich mit einem Armkreis. Lass die Dehnung also gerne etwas dynamisch sein und finde spielerisch deine Wege, um von einer Position in die nächste überzugehen.

7. Strength

Je freier wir uns bewegen wollen, desto wichtiger ist eine kräftige, stabile Körpermitte. Dafür schlage ich dir zwei Übungen vor:

Tanz und Yoga Franzi Wagner Side Plank Variante

A ● Seitliche Plank: Beginne in der Bretthaltung auf beiden Händen und Füßen. Verwurzle deine Hände fest am Boden, stütze dich aus der Körpermitte und strecke dich lang. Dann kippe beide Füße auf die rechte Fußaußenkante, drehe den Körper zur Seite und hebe den linken Arm. In der seitlichen Plank hast du mehrere Optionen:

  • Stelle den linken Fuß vor den rechten für mehr Stabilität.
  • Bewege den linken Fuß langsam am rechten Bein nach oben und strecke gleichzeitig den linken Arm über den Kopf.
  • Oder stelle, wie auf dem Foto gezeigt, den linken Fuß auf den Boden und ziehe das rechte Knie nach vorn.

Übe auch hier dynamisch und lass die Bewegungen fließen.

Tanz und Yoga Franzi Wagner Navasana

B ● Navasana: Sitz aufrecht mit angestellten Beinen, greife um die Oberschenkel und hebe beide Beine. Aktiviere in Navasana Bauch und Rücken, streck dich lang und halte dich aufrecht in der Balance. Dann beginne wieder zu spielen: Streck ein Bein nach dem anderen, grätsche die Beine, kreuze sie vielleicht auch mal und fordere deine Balance etwas heraus.

8. Shavasana

Tanz und Yoga Franzi Wagner Shavasana

Wenn du das Gefühl hast, dich genug bewegt zu haben, legst du eine ruhigere Musik auf oder lässt Stille einkehren. Schenk dir Zeit und Raum, um nachspüren und verarbeiten zu können. Gerade viele neue Impulse und teilweise neue Bewegungsformen dürfen erst noch nachwirken, bevor es mit anderen Dingen im Alltag weitergeht. Mache es dir in der Rückenlage gemütlich, schließe deine Augen und atme tief ein und aus.


FRANZI WAGNER ist professionelle Tänzerin, Tanzpädagogin und Yogalehrerin. In dem von ihr entwickelten “Contemp Yoga” verbindet sie klassisches Yoga mit Contemporary Dance. Anders als bei dieser kleinen Einführung mündet jede ihrer Contemp-Yoga-Sessions in einen spezifischen “Flow”, eine Choreographie aus Asanas und Tanzbewegungen, die mit verschiedenen Musiken, Rhythmen und Geschwindigkeiten kombiniert wird. Mehr zu Franzi und ihrer Arbeit auf www.franziwagner.com

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