Yoga im Rollstuhl: Übungsstrecke mit Video

Yoga im Rollstuhl? Ja, das geht. Wie? Das zeigen die zwei Österreicher Lisa und Martin in dieser wunderbaren Übungsstrecke.

Lisa und Martin haben sich nach ihrer Studienzeit kennengelernt. Damals setzten sie sich beide für die Integration von Yoga an österreichischen Schulen ein. Während der anstrengenden Pandemie-Zeit eröffnete das Paar ein Yogastudio in Graz und meisterte einen großen Schicksalsschlag: Nach einem schweren Motorradunfall im Juni 2020 kehrte Martin – wie durch ein Wunder – bereits Ende des Jahres nach Hause zurück. Was dem jungen Paar in dieser Zeit half: Yoga und die Kraft der Hingabe und Liebe. Gemeinsam leiten sie nun ihr Studio, unterrichten Yoga und Meditation für Menschen aus allen Lebensabschnitten und spenden weiter Hoffnung, Mut und Vertrauen. Dass Yoga auch mit Handicap funktioniert zeigen Lisa und Martin in dieser Übungsstrecke. Einmal im Video und einmal Step by Step mit Bild und Text …

Übrigens: Lisa und Martin waren auch in unserem YogaWorld Podcast zu Gast und teilen hier ihre berührende Geschichte:

Sonnengruß am Stuhl oder im Rollstuhl

Falte die Hände vor deinem Herzen. Schließe sanft deine Augen und nimm ein paar ruhige und
tiefe Atemzüge. Spüre wie der Atem durch die Nase einströmt und bis zu deinem Nabel fließt und durch die Nase wieder ausfließt. Wenn dabei Gedanken auftreten, beobachte sie behutsam und lass sie wieder ziehen, wie Wolken am Himmel, angenehme oder unangenehme Gedanken lassen wir ohne Anhaftung oder Identifikation los.

Mit deiner nächsten Einatmung führe deine Arme gestreckt nach oben. Die Finger bleiben
geschlossen und die Ellbogen sind so gut es geht nahe an den Ohren. Halte hier für ein paar Sekunden den Atem an. Anschließend atme aus und senke deine Hände ab auf deine Oberschenkel.

Für die kleine Kobra drücke deine Ellbogen in deine Flanken und hebe das Kinn an. Der Blick ist
leicht nach oben gerichtet. Überstrecke den Hals, so als ob du in ein Hohlkreuz gehen würdest. Fokussiere deinen Blick zwischen den Augen und verweile hier für ein paar Atemzüge.

Mit deiner kommenden Einatmung spanne deine Bauchmuskulatur an und drück dich von deinen
Oberschenkeln ab, sodass du mit beiden Armen nach oben kommst und die Ellbogen nahe zu den Ohren gleiten lässt. Mit der nächsten Ausatmung bring die Hände wieder vor deinem Herzen zusammen

Mit einem leichten inneren oder äußeren Lächeln verweile in dieser Position für ein paar Augenblicke und spüre nach, wie sich dein Körper anfühlt. Es darf alles sein, jede Empfindung hat seine Berechtigung in diesem einen Moment. Nimm sie an und integriere sie in dein Sein und deinen Weg. Zum Abschluss des Sonnengrußes schließe deine Augen und denke bewusst an 3 Dinge, für die du heute dankbar bist. Natürlich kannst du den Sonnengruß am Stuhl oder im Rollstuhl sooft durchführen wie du möchtest.

Die Palme

Bring deine Hände vor dein Herzchakra. Atme tief ein und flechte die Finger ineinander, sodass die Handflächen nach außen zeigen und lass deine Arme nach oben fließen. Achte darauf, dass die Ellbogen so gut es geht bei den Ohren positioniert sind und die Handflächen zur Decke zeigen. Wenn du möchtest schließe hier deine Augen und halte den Atem für einige Sekunden an. Mit fortgeschrittener Praxis kannst du gerne die Dauer des Luftanhaltens, auch Kumbhaka genannt, verlängern. Atme in deiner Zeit sanft und ohne Druck aus, die Atmung soll leicht und ohne Druck fließen, um nicht unnötig Energie zu verbrauchen. Atmung ist Leben und Leben ist Fluss. Jeder Atemzug ist für sich kostbar, ohne ihn kann keine darauffolgender stattfinden und das Rad des Lebens würde durchbrochen werden.

Seitliche Palme mit oder ohne Hilfe

Komm wieder in einer Palme an und senke deine gestreckten Arme soweit es geht seitlich ab. Spüre die Dehnung deiner Flanke und versuche Länge in deinen Armen bei zu behalten. Um noch tiefer zu gehen kannst du dein Handgelenk greifen, den Ellbogen beugen und mit der Hand zur Seite ziehen.

Falls du Unterstützung hast, kann die Person dir helfen ein wenig tiefer in die Asana zu sinken. Mit der nächsten Einatmung fließe nach oben und sinke zur anderen Seite ab. Nach einigen Atemzügen komm nach oben in deine Ausgangsposition mit deinen Händen vor dem Herzen.

Die Vorbeuge

Diese Asana kannst du mit Hilfe oder ohne praktizieren. Lass deine Finger hinter deinem Rücken ineinander gleiten und streck die Arme nach hinten oben. Dabei kannst du deinen Oberkörper leicht nach vorne beugen, um eine tiefere Dehnung deiner Brustmuskulatur und deiner Schultermuskeln zu generieren. Öffne deinen Brustkorb und deine Schultern, sodass Leichtigkeit in deinen Herzraum einkehren kann.

Dein*e Partner*in kann deine Hände sanft nach oben führen, um deinen Bewegungsradius zu erhöhen.

Lieblingsyogapraxis: Das Geschenk

Ein Zeichen der Liebe, Dankbarkeit und Wertschätzung füreinander zu setzen und in inniger Verbindung zueinander zu treten. Den anderen spüren zu lassen, wie kostbar und wertvoll er ist. Die Stirn aneinanderlegen und vertraut mit dem anderen zu ruhen. “Durch meine Verlobte Lisa wurde mir ein Geschenk gemacht, dass unbezahlbar ist und das meine Seele jeden Tag nährt und mir Kraft und Hoffnung spendet, auch und gerade in Zeiten, in denen ich selbst schon lange keine mehr in mir trug. Sie ist meine Sonne die viel Licht in mein Herz scheinen lässt und dafür danke ich ihr jeden Tag,” erklärt Martin warum das Geschenk seine Lieblingsyogapraxis ist.

Kobra und hingeworfener Fisch

Nur wenn es dir möglich ist, setze dich aus deinem Rollstuhl auf den Boden und begib dich in Bauchlage. Komm mit deiner nächsten Einatmung in die Kobra und halte 10 Atemzüge. Mit deiner nächsten Ausatmung löse und spüre nach.

Nach der Rückbeuge komm weiter in den hingeworfenen Fisch: Das untere linke Bein bleibt gestreckt und das rechte Bein wird etwas mehr als 90 Grad abgewinkelt. Führe nun deinen linken Arm über den Kopf, sodass sich die Fingerspitzen beider Hände nach Möglichkeit berühren, lege deinen Kopf sanft auf deinen Handrücken ab. Verweile hier für einige Atemzüge und wechsle dann die Seite.

Stellung des Kindes zu zweit oder allein

Fließe in deinem Tempo mit deinem Gesäß nach hinten auf deine Fersen und lege deinen Oberkörper auf deinen Oberschenkeln ab, sodass du die Stirn auf der Matte ablegen kannst. Strecke nun die Arme nach vorne und lege die Handflächen auf der Matte ab. Vollkommene Hingabe in das Leben. Hingabe in den Augenblick. Und Loslassen von eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Durch die Praxis von Hingabe lernen wir das “so sein lassen” des Lebens in unser Leben zu integrieren und nichts mehr gegen das zu haben, was ist. Auch wenn es immer wieder ein Versuch ist, so zählt der Wille sein Selbst in den Zyklus des Lebens einfließen zu lassen und als Puzzleteil des Universums Ganzheit zu erfahren. Dafür müssen wir Teile unseres alten Ichs loslassen und darauf vertrauen, aufgehoben und umsorgt zu sein von etwas Größerem.

Lies auch: Loslassen im Yoga

Abschluss-Meditation

Setze dich mit einer aufrechten Wirbelsäule auf die Matte und leg die Hände auf den Knien ab. Daumen und Zeigefinger zusammen. Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem und beobachte, wie er ein und ausströmt. Beobachte wie die Fließgeschwindigkeit beschaffen ist. Nimm wahr, ob du mit Druck oder leicht fließend atmest. Versuche deinen Atem nicht zu bewerten oder zu verändern, sondern nur zu beobachten. Auch wenn Gedanken und Gefühle auftreten, nimm sie wahr auf der Theaterbühne deines Verstandes und lass sie wieder gehen. Nach einigen Minuten lenke deine Aufmerksamkeit bewusst auf den Punkt zwischen deinen Augen und halte deine Konzentration dort für einige Minuten gebündelt. Wiederhole dabei die Silbe “OM” im Kopf immer und immer wieder. Nach dieser Übung reibe die Handflächen vor deinem Herzen zusammen, sodass Wärme entsteht und lege sie dir anschließend auf die Augen. Namasté.

Affirmationen in Gedanken wiederholen

Natürlich kannst du auch heilsame Affirmationen in deine Yogapraxis einfließen lassen. Diese Affirmationen kannst du auch abseits der Matte immer wieder wiederholen. Besonders kraftvoll sind sie nach dem Aufwachen und vor dem zu Bett gehen:

  • Helles, weißes und heilendes Licht fließt entlang meiner Wirbelsäule.
  • Ich spüre, wie ich wieder gesund werde.
  • Mein Immunsystem wehrt krank machende Bakterien und Viren ab.
  • Ich liebe und achte meinen Körper, so wie er ist.
  • Ich vertraue in meine Selbstheilungskräfte.
  • Jede Zelle regeneriert sich.

Lisa, Martin und Nadi Shodana – ihre Yoga-Katze.

Mehr Infos zu Martin und Lisa, ihre Ausbildungen, Workshops und Vorträge findest du unter: yoga-and-more.at und auf instagram.com/lisahoerz

Text: Martin Matthias Weber & Lisa Christin Hoerz
Fotos: Nicole Jasmin Mueller www.yoga-films.com 

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