Die Lehre des Ayurveda bleibt nicht bei Ernährung und Gesundheit stehen: Sie hat auch einiges über Schönheit zu sagen – und auch hier ist es die Balance verschiedener Energien, die dich zum Strahlen bringen kann. Wir verraten, wie Ayurveda dir zu natürlicher Schönheit von Innen verhilft.
Großmutters Rezept “Wahre Schönheit kommt von innen” mag in Zeiten von Botox-Behandlungen, Filler-Spritzen und Hyaluron-Cremes etwas antiquiert klingen, aber es stimmt noch immer: Was uns wirklich den viel beschworenen “Glow” verleiht, lässt sich nicht auf Spritzen ziehen und in Tuben pressen. Ausstrahlung hat – wie das Wort schon
sagt – sehr viel mit Energie zu tun.
Laut Ayurveda liegt der Schlüssel für eine schöne Ausstrahlung in der Balance aus drei energetischen Qualitäten: Prana, Tejas und Ojas. Genau wie die ayurvedischen Doshas (Vata, Pitta, Kapha), als deren verfeinerte, energetische Essenzen sie gelten, existieren auch diese drei in jedem von uns gleichzeitig und fördern sich gegenseitig – darin liegt das Geheimnis eines lang anhaltenden Wohlbefindens. Dabei bringen Prana (Lebenskraft) und Tejas (Leuchtkraft) gemeinsam Ojas (innere Nahrung) hervor. In der Balance aller drei finden wir zu Gesundheit, wahrer Schönheit und einem langen Leben. Aber werfen wir mal einen genaueren Blick auf die drei:
Prana – die primäre Lebensenergie
Prana ist – im Ayurveda genau wie im Yoga – die Bezeichnung für die primäre Lebensenergie. Weil es wie Luft von Bewegung gekennzeichnet ist, gilt Prana im Ayurveda zudem als das subtile Gegenstück zu Vata, dem Luftelement. Prana und Vata arbeiten dabei im Tandem: Sie zirkulieren durch den Körper, getragen von den Strömungen des Vata und gelenkt von etwas, das man vielleicht am ehesten “Aufmerksamkeitbewegungen” nennen könnte, also über die Tätigkeit des Geistes und der fünf Sinne. Eine Vata-Imbalance kann auch Prana beeinträchtigen: In der für unsere Zeit typischen Geschäftigkeit passiert es ziemlich leicht, dass wir die Verbindung zu den Bewegungen unserer Lebensenergie und unserer lenkenden Aufmerksamkeit verlieren. Deswegen ist ein ruhiges, stetiges Bemühen um Aufmerksamkeit, wie wir es aus der Meditation üben, eine gute Sache für Prana.
Wird die rhythmische Zirkulation von Prana und Vata nämlich unterbrochen, dann führt das nicht selten zu körperlichen Symptomen, etwa Arteriosklerose oder fest sitzenden
Blähungen. Die Ursachen für so eine Unterbrechung sind häufig psychisch: chronischer Stress, Ängste, Trauer oder generell eine mangelnde Verbundenheit mit dem eigenen Körper (Stichwort: Leben vor dem Bildschirm), sie alle können sich negativ auf Prana auswirken. Damit die Lebensenergie ungestört zirkulieren kann, muss man sie also sorgsam kultivieren. Moderates Training, die richtigen Nährstoffe, Ruhe, gute Gesellschaft und Selbstliebe sind dabei wichtige Bausteine. Sie helfen uns vor allem auch dabei, die fünf Sinne zu beruhigen, denn die spielen im Zusammenhang mit Stress und Ängsten eine entscheidende Rolle.
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Darauf macht schon der klassische ayurvedische Text Charaka Samhita aufmerksam. Der Hintergrund: Unsere Sinne sind eng mit dem Überlebensinstinkt verbunden. Sie helfen uns, wachsam zu sein und Gefahren zu erkennen. Ständig auf uns einströmende Sinnesreize und eine entsprechende mentale Aktivität erzeugen aber einen Sog nach außen, der das Nervensystem übermäßig stimuliert. Schafft man hier keinen energetischen Ausgleich, dann führt das zu Überreizung, Ermüdung und Energiemangel. Dem kann man mit regelmäßiger Selbstfürsorge begegnen. Ihr Ziel: die Sinne schonen und Prana nähren. Neben einer gesunden Ernährung ist dabei der Atem besonders wichtig. Der Prana-Kanal beginnt nämlich nach ayurvedischer Vorstellung an den Nasenlöchern und führt zum Herzen, wo sein eigentlicher Sitz ist. Die Konzentration auf den Atem beruhigt laut Ayureda nicht nur Geist und Sinne, sie nährt auch das Herz. Eine einfache, sehr effektive Art, Vata und Prana durch rhythmisches Atmen auszubalancieren, ist folgende Übung:
Praxis-Tipp: Sama Vritti Pranayama
- Finde in eine für dich bequeme Sitzhaltung und stelle den Timer auf 5 Minuten ein.
- Schließe die Augen und stimme dich 3 Atemzüge lang auf deine Atmung ein.
- Bei der nächsten Einatmung zähle langsam auf 4.
- Dann atme langsam und vollständig aus und zähle auch dabei auf 4.
In diesem Rhythmus atme konzentriert weiter: ein auf 4, aus auf 4. Es kann eine Weile dauern, bis Ein- und Ausatmung wirklich gleich lang werden. Erzwinge nichts, das würde nur zu mehr Stress führen, sondern atme möglichst ruhig und leicht und beobachte einfach, was passiert, bis der Timer losgeht. Sobald dir die Übung leichter fällt, kannst du die Zeit steigern. Je entspannter und länger du diese rhythmische Atmung übst, desto stabiler und ausgeglichener wirst du dich fühlen.
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Tejas – die glimmende Glut
Tejas kann man sich in etwa so vorstellen wie eine glimmende Glut: Auch nachdem das Feuer erloschen ist, geht von ihr noch lange eine gleichmäßige Energie aus. Das Feuerelement heißt im Ayurveda Pitta Dosha und der subtile energetische Aspekt eines gut balancierten Pitta ist Tejas. In der menschlichen Konstitution regelt Pitta alles, was feurig ist, vor allem die Verdauung von Nahrung und Informationen. So bringt es sowohl Körper als auch Geist zum Leuchten. Wenn von jemandem gesagt wird, er oder sie sei “brillant” oder habe “Glow”, dann ist Tejas am Werk: Es gibt uns körperliche Kraft, bringt die Haut zum Strahlen, lässt die Augen leuchten und macht das Denken scharf. So hilft es uns, die Welt klarer wahrzunehmen, denn in einem gut balancierten Zustand durchbricht Tejas Verblendung und mentale Nebel und bringt das wahre Selbst zum Vorschein.
Um diese Glut zu nähren, brauchen wir einen sauber verbrennenden Kraftstoff (also reines, nährstoffreiches und mit Liebe zubereitetes Essen), achtsame, in aller Ruhe genossene Mahlzeiten und genügend Zeit und Muße, um auch Erlebnisse, Erfahrungen und Emotionen gründlich zu verdauen. Genau aus diesem Grund haben Menschen nach einem Retreat so einen besonderen Glanz um sich: Ruhe, Selbstfürsorge und Reflexion nähren Tejas. Um auch im Alltag seine innere Leuchtkraft zu erhalten, könnte die folgende Übung hilfreich sein:
Praxis-Tipp: Ruhe und Rückzug
Reserviere jeden Tag eine gewisse Zeit für dich und mache dir dafür über die Woche einen möglichst genauen Plan: Meditation, Pranayama, sanfte Asanas und Selbstmassagen können zum Beispiel darauf stehen. Ganz wichtig: Es bringt nichts, ab und an dicke Scheite aufs Feuer zu werfen. Damit überfordern wir unser System und erzeugen keine nachhaltige Glut. Stattdessen geht es um ein dauerhaftes Engagement und tägliche kleine Routinen, die die Glut warm und lebendig halten.
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Ojas – der nährende Rahm des Körper
Anders als die subtilen Energien Prana und Tejas stellt man sich Ojas als eine Substanz vor: So wie der Rahm laut Ayurveda die Essenz der Milch ist, soll Ojas als verfeinertes Produkt der Verdauung entstehen, nachdem die sieben Dhatus (funktionalen Körpergewebe) genährt wurden. Die Charaka Samhita bezeichnet es daher als “den nährenden Rahm des Körpers”, “der alle lebenden Dinge erfrischt.” Es ist also so etwas wie der Lebenssaft, von dem die Rede ist, wenn es heißt, jemand sei “voll im Saft”. Schon um eine kleine Menge Ojas zu erzeugen, sind Unmengen an Essen und lange Zeiten des Verdauens nötig. Das liegt daran, dass nach ayurvedischer Vorstellung während des Stoffwechsels zunächst eine kleine Menge Ojas in eine erste Gewebeschicht gelangt, die dabei gekräftigt, vitalisiert und immunisiert wird. Nur was dort nicht gebraucht wird, geht weiter an die nächste Schicht.
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Es dauert 30 Tage, bis Ojas sämtliche sieben Schichten durchdrungen und genährt hat und seine feinste Endform erlangt. In dieser Form ist Ojas so etwas wie ein Lebenselixier. Verbrennen wir es, indem wir regelmäßig zu viel arbeiten oder trainieren, oder indem wir unseren Körper mit schlecht verdautem Essen belasten, dann wirkt sich das laut Ayurveda nicht nur auf Schönheit oder Gesundheit aus, es verkürzt sogar unsere Lebensdauer. Damit wir möglichst gut mit diesem Treibstoff für Vitalität und ein starkes Immunsystem versorgt sind, sollten wir also auf eine gesunde Ernährung und Verdauung achten und die Energieflüsse in Körper und Geist im Blick haben. Dabei ganz wichtig: regelmäßig genügend Ruhepausen. Wann immer du also bemerkst, dass deine Kraft nachlässt, bitte nicht einfach weitermachen nach dem Motto “geht schon!”. Ojas ist zu kostbar und zu wichtig, um einfach so herausgeblasen zu werden. Das folgende Rezept hilft dir, “den Rahm des Lebens” wiederherzustellen.
Praxis-Tipp: Ojas Milch
Datteln, Mandeln und Kuhmilch werden im Ayurveda hoch geschätzt, denn die verschiedenen darin enthaltenen Nährstoffe sollen besonders geeignetsein, Ojas zu bilden (sofern du sie gut verdauen kannst). Am einfachsten bereitest du daraus im Mixer einen Smoothie zu. Diese Ojas-Milch soll tiefe Entspannung, Erholung und einen guten Schlaf fördern und dir helfen, deine Batterien wieder aufzuladen.
Autorin Kate O’Donnell ist Ayurveda-Expertin, Ashtanga-Yogalehrerin und Autorin einer Reihe von Ayurveda-Kochbüchern. Dieser Artikel basiert auf ihrem neuen Buch “The Everyday Ayurveda Guide to Selfcare”. Mehr Info: www.kateodonnell.yoga // Bilder: by Eugene Zhyvchik on Unsplash