Balance Dance: Kreativer Flow für Core und Gleichgewicht – von Angélique Poulain

Seitliches Brett

Im Yoga sprechen wir oft von “innerer Balance.” Aber was bedeutet das eigentlich? Wenn 1000 Gedanken durch den Kopf wirbeln, die To-do-Liste explodiert und der Geist einfach nicht zur Ruhe kommt, dann hilft manchmal nur Bewegung: die Unruhe wortwörtlich rauslassen! Die mentale Balance durch äußere Balance und Halt von innen wiederzufinden, ist dabei eine wunderbare Möglichkeit. Angélique Poulain zeigt dir dafür einen kreativen Flow.

Sequenz: Angélique Poulain / Fotos: Nela König / Outfit: OGNX

Warm up

Wärme deinen Körper gut auf. Besonders Hand- und Fußgelenke solltest du fokussieren. Aber auch der gesamte Körper darf ordentlich warm werden, am besten mit 5 Minuten Gelenk-Mobilisation und 3 Sonnengrüßen.

Praktizierst du gern mit Musik? Dann haben wir hier einen Tipp: Playlist für “frischen Wind” – von Angélique Poulain

1. Einbeinstand

Einbeinstand

Finde einen stabilen Stand, gerne etwas weiter als hüftbreit, und konzentriere dich auf deine Füße und ihren Kontakt zum Boden. Auch ein fester Fokuspunkt (Drishti) für deine Augen gibt dir Stabilität, wenn du dich nun zu einer Körperseite lehnst, sodass sich ein Fuß vom Boden löst. Ziehe den gegenüberliegenden Arm diagonal in die Länge, um einen Ausgleich in der Balance und eine Spannungslinie durch den gesamten Körper zu schaffen. Halte diese Position 3 Atemzüge lang und gewöhne deinen Körper an die Balance.

2. Einbeinstand mit gehobenem Knie

Einbeinstand mit gehobenem Knie

Ziehe nun, möglichst ohne den Fuß abzusetzen, das zuvor gehobene Bein dicht an den Rumpf. Wenn du das Knie mit beiden Händen umarmst, bekommst du mehr Halt. Aktiviere dein Standbein, ohne dabei das Knie durchzustrecken. Spüre deine Fußsohle bis in jeden einzelnen Zeh hinein. Vielleicht möchtest du dir vorstellen, wie sich dein Fuß im Boden verwurzelt und ausweitet. Bleibe wieder 3 Atemzüge lang. Dabei kannst du versuchen, deine Augen mal kurz zu schließen.

Kleiner Tipp: Stelle dir deine Umgebung und dein Drishti weiterhin vor, das gibt dir Orientierung.

3. Einbeinstand-Flow

Einbeinstand Flow

Nachdem du dich an die Balance und Erdung gewöhnt hast, werde kreativ: Das freie Bein darf sich in alle Richtungen bewegen, schwingen und kreisen, der restliche Körper geht mit in die Bewegung. Bleibe dabei achtsam und halte den Fokus im Standbein und -fuß. Vergiss nicht: “Ein Baum ist nur so stabil wie seine Wurzeln.” Nach 3 Atemzügen (oder auch mehr) findest du zurück zum Stand auf beiden Beinen. Vielleicht magst du dein Standbein ausschütteln, um es zu lockern.

Wiederhole Übung 1–3 nun auf dem anderen Bein.

4. Gestreckter Berg

Gestreckte Berg

Starte in Tadasana, der Berg-Position. Schließe dabei die Beine, die großen Zehen berühren sich. Aktiviere deine Füße und Beine, finde Halt in deiner Körpermitte und komme auf die Zehenspitzen. Strecke dann mit einer Einatmung beide Arme über den Kopf, die Handflächen zeigen zueinander. Kreiere dabei eine gespannte Länge von den Zehen bis zum Scheitel und versuche, dich in deiner Balance zu stabilisieren, ohne starr zu werden: Atme, entspanne Blick und Gesicht.

5. Gestreckte Vorwärtsbeuge

Gestreckte Vorwärtsbeuge

Mit einer Ausatmung begibst du dich langsam in die Vorwärtsbeuge. Beuge auf dem Weg nach unten deine Knie und versuche, deine Fersen noch gehoben zu lassen. Dabei kann es dir helfen, die Fersen spürbar gegeneinander zu drücken. Spätestens in der Vorwärtsbeuge angekommen, setzt du die Füße wieder flach auf. Strecke deinen Oberkörper nach vorn und halte die Knie so weit gebeugt, dass du deine Finger auf dem Boden oder zwei Blöcken auflegen kannst.

6. Das Brett

Plank

Aus der Vorwärtsbeuge setzt du die Füße einatmend in Schritten oder mit einem Sprung nach hinten in die Brettposition. Baue hier Stabilität und Kraft auf, indem du deine Körpermitte nach oben spannst und Hände und Füße voneinander weg drückst. Spreize dabei deine Finger und aktiviere die gesamten Hände bis in die Fingerspitzen. Genauso aktivierst du die Füße und schiebst die Fersen nach hinten. Wenn du möchtest, bleibst du noch einen weiteren Atemzug in der Haltung, um Ruhe in deiner Kraft zu spüren.

7. Seitliches Brett

Seitliches Brett

Beuge dann die Knie und drehe dich nach links auf. Verwurzle dabei zuerst deine rechte Fußaußenkante und Ferse am Boden. Das linke Bein kannst du auf dem rechten ablegen oder zur Stabilisierung den Fuß abstellen. Dann hebst du deinen linken Arm mit einer tiefen Einatmung und streckst dich lang in die seitliche Brettposition. Achte darauf, dass Becken, Schultern und Fuß eine Linie bilden und dass deine Schulter über dem Handgelenk steht. Verbringe hier 3 Atemzüge. Optional kannst du dein oberes Knie langsam Richtung Rippen ziehen und von dort aus das Bein nach oben strecken.

Wiederhole Position 6 und 7 auf der anderen Seite.

8. Vierfüßler mit gehobenen Knien

Vierfüßler mit gehobenen Knien

Kehre aus dem seitlichen Brett in das klassische Brett zurück. Stabilisiere dich hier einen Moment. Wenn du eine Pause brauchst, kannst du die Knie absetzen und in die Stellung des Kindes gehen. Ansonsten beugst du die Knie aus dem Brett Richtung Vierfüßlerstand und lässt sie knapp über dem Boden schweben, um deine Core-Kraft zu aktivieren. Bleibe je nach Energie-Level 1–3 Atemzüge in dieser Haltung.

9. Vierfüßler mit gestrecktem Bein

Vierfüßler mit gestrecktem Bein

Mit deiner nächsten Einatmung streckst du dein linkes Bein lang nach hinten und schiebst den Fußballen fest gegen den Boden. Sollte dein Core eine Pause brauchen, kannst du jederzeit das rechte Knie ablegen. Halte diese Position wieder 1–3 Atemzüge. Mit einer Ausatmung kehrst du zurück in die Ausgangsposition, den Vierfüßler mit gehobenen Knien.

10. Vierfüßler mit gestrecktem Arm

Vierfüßler mit gestrecktem Arm

Same same, but different: Wieder mit deiner Einatmung streckst du nun deinen rechten Arm in die Verlängerung. Halte auch hier mindestens einen Atemzug lang die Kraft, bevor du zurück in den Vierfüßler kommst.

11. Katze-Kuh Variation

Katze Kuh Variation

Atme ein und strecke nun gleichzeitig deinen rechten Arm und dein linkes Bein aus. Dein rechtes Knie bleibt dabei vom Boden angehoben. Du stabilisierst dich mit deinem aktiven Core und indem du Hand und Fuß wieder voneinander weg und fest gegen den Boden drückst. Halte dabei den Nacken möglichst lang und entspannt, indem du den Blick zwischen deine Hände wendest. Nimm dein inneres Feuer und deine Stabilität wahr und bleibe wieder 1–3 Atemzüge lang in der Haltung.

12. Vierfüßler Balance und Core

Vierfüßler Balance und Core

Nun das grande finale! Strecke Arm und Bein langsam in die Horizontale nach vorn und hinten oder verringere zumindest den Druck auf Fingern und Füßen, um in eine noch kraftvollere Balance zu kommen. Weil das rechte Knie noch immer gehoben ist, ist diese Übung sehr anspruchsvoll. Schau also, wo dein Energie-Level grade steht und wie viele Atemzüge du hier verbringen möchtest. 1–3 Atemzüge reichen völlig aus, um deine Kraft und Balance ordentlich herauszufordern.

Wiederhole nun Position 8–12 seitenverkehrt. Eventuell möchtest du dir vor und nach der zweiten Runde eine kurze Pause in der Stellung des Kindes gönnen.

Ausgleich

Lege dich zum Abschluss auf deinen Rücken und stelle die Füße an. Hebe dein Becken, um deiner Bauchmuskulatur in der Schulterbrücke wieder etwas Länge und Entspannung zu schenken. Anschließend entspannst du deinen gesamten Körper einige Minuten lang in Shavasana.


Angélique Poulain ist Yoga-, Pilates- und AcroYoga-Lehrerin. Sie lässt sich
von verschiedenen Techniken aus Yogatherapie, Functional und Mobility Training inspirieren. In Berlin unterrichtet sie unter anderem Olympia-Athlet*innen, zweimal im Jahr gibt sie AcroYoga-Retreats für Einsteiger und Erfahrene. In unserer Insta-Reihe gibt’s einen kleinen Vorgeschmack:

Mehr zu Angélique auf yogarebel.de und auf Instagram @angeli.que_poulain


Hast du deine Balance gefunden? Dann kannst du hier eine weitere Balance-Asana mit Jelena Lieberberg ausprobieren:

Tiefe Bauchatmung: Beruhigende Atem-Meditation mit Veronika Rössl

Wenn du tagsüber innere Unruhe spürst oder abends nicht einschlafen kannst, probiere doch mal diese Atem-Meditation zum Anhören aus.

Komm zur Ruhe und lege eine Pause ein: Lege dich für diese kurze Meditation und Atemtechnik am besten flach auf den Rücken. Du kannst dich auf deine Yogamatte, eine Decke oder natürlich auch auf die Couch oder dein Bett legen. Nimm dir zehn Minuten lang Zeit für dich selbst und stelle sicher, dass du ungestört bist. Mach es dir so richtig gemütlich und schon kann es losgehen.

Lies hier noch mehr zum Thema Meditation.

Meditation: Die tiefe Bauchatmung mit Veronika Rössl

Veronika Rössl

Diese Atem- und Achtsamkeitsübung hilft bei Ängsten, Anspannung, innerer Unruhe und beruhigt Körper, Geist und Seele. Super auch geeignet am Abend vorm Einschlafen.

Mehr Info zu Veronika Rössl unter www.mahashakti-yoga.de.

Wie hat die Meditation bei dir gewirkt? Hinterlasse uns einen Kommentar, wir sind gespannt. Vielleicht hast du ja auch noch einen guten Tipp gegen Ängste und innere Unruhe?

Schon gewusst? Veronika ist 2025 wieder auf unserer YogaWorld-Messe in Stuttgart dabei. Freue dich auf ihren Workshop “Magie der Berührung”. Hier erfährst du mehr dazu.


Hier ein weiterer Meditations-Tipp für dich:

Shitali Pranayama – warum diese Atemübung die Herzgesundheit fördern könnte

Dass die Atemtechnik mit der gerollten Zunge kühlend wirkt, wusstest du vielleicht – nicht umsonst ist sie ein beliebtes Tool, zum Beispiel gegen hochsommerliche Hitze. In seiner Reihe über Yoga und moderne Wissenschaft berichtet uns Dr. Ronald Steiner, wie wir die Forschung zu modernem Atemtraining auch auf Shitali anwenden können.

Text: Dr. Ronald Steiner / Titelbild: Nela König

Die Verbindung zwischen Atmung und Lebenskraft (Prana) ist tief in der Yogaphilosophie verwurzelt. Shitali Pranaya­ma, eine Atemtechnik aus dem traditionel­len Hatha Yoga, wird in den Quellentexten als kühlend und beruhigend beschrieben. Aber was sagt die moderne Wissenschaft zu dieser alten Weisheit der Yogis? Um es gleich vorweg zu nehmen: Neuere Studien zum Inspiratory Resistance Training (IRT) enthüllen, dass gezieltes Atemtraining weit mehr als nur eine kühlende Wirkung ha­ben kann – es könnte auch ein Schlüssel zur Verbesserung der Herzgesundheit und autonomer Regulation sein.

Modernes Atemtraining

Inspiratory Resistance Training (IRT) ist eine moderne Form des Atemtrainings, bei der das Einatmen gegen einen Wider­stand erfolgt. Das Ziel ist eine Kräftigung der Atemmuskulatur, von der nicht nur Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen profitieren sollen, sondern insbesondere auch Sportler*innen. Der Widerstand kann durch spezielle Atem­geräte erreicht werden, zum Beispiel durch ein Atemmuskel­-Trainingsgerät, mit dem der Atemwiderstand um ein exakt einstell­bares Maß erhöht werden kann. Alternativ verwendet man spezielle Masken, Mundstücke oder Ventile, die den Luftstrom während der Einatmung beschränken.

Unterschieden wird üblicherweise zwi­schen Trainings mit niedrigem Wider­stand (Low Inspiratory Resistance Trai­ning, LIRT) und hohem Widerstand (High Inspiratory Resistance Training (HIRT). Beide scheinen prinzipiell ähn­liche Wirkungen zu haben. Jedoch erzielt das HIRT diese mit weniger Trainings­aufwand. Damit ist IRT ein gezieltes Krafttraining der für die Einatmung notwendigen Atemmuskulatur. Da diese Muskulatur Teil des helikalen Muskel­-Fasziensystems ist, hat das Training ganz nebenbei auch positive Wirkungen für eine gesunde Wirbelsäule. Doch damit nicht genug: Durch das Einatmen gegen Widerstand entsteht ein Unterdruck im Brustkorb. Dieser wiederum fördert den Blutrückstrom zum Herzen. Die Folgen dieses erhöhten Zustroms sind beeindruckend: Das Herz schlägt einerseits schneller, zum anderen pumpt es mit je­der Kontraktion mehr Blut (man nennt das: erhöhte Auswurffraktion). Dahinter steckt der so genannte “Frank­-Starling­ Mechanismus”. Er besagt, dass die Herz­kontraktion stärker ist, wenn die Herz­muskelzellen vor der Kontraktion stärker gedehnt werden.

Herzratenvariabilität und autonome Regulation

Herzgesundheit
Foto: sasirin pamai’s image via Canva

Bei der Einatmung erhöht sich durch diesen Mechanismus also die Auswurf­fraktion und die Herzfrequenz. Umgekehrt verlangsamt sich bei der Ausatmung die Herzfrequenz wieder. Im Ergebnis erhöht sich die Herzratenvariabilität (HRV). Diese Größe beschreibt die natürlichen Schwankungen der Zeitabstände zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Sie ist ein wichtiges Maß für die Anpassungs­fähigkeit des Herzens an äußere und inne­re Reize: Eine hohe Variabilität weist auf ein gesundes, flexibles Herz­-Kreislauf­-Sys­tem hin, während eine niedrige HRV mit Stress, Ermüdung und sogar mit einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten in Verbindung gebracht wird. Zudem ist der Wert ein wichtiger Indikator für die Ba­lance und das Zusammenspiel des sym­pathischen (aktivierenden) und des para­sympathischen (beruhigenden) Teils des autonomen Nervensystems.

Dass Herzfunktion und Herzratenvari­abilität während des Atemtrainings ge­gen Widerstand erhöht sind, ist, wie wir gesehen haben, nicht verwunderlich: Es hat ganz einfach mit den Druckverhält­nissen zu tun. Doch dieser positive Effekt besteht auch über den eigentlichen Trainingszeitraum hinaus fort – und das hat positive Auswirkungen auf den gesamten Körper: Ein zu hoher Blutdruck kann sich normalisieren und die Herzfrequenz im Ruhezustand optimieren, was die Herz­gesundheit langfristig weiter unterstützt. Zusätzlich verbessert sich die sogenannte Gefäßreagibilität: Die Blutgefäße können besser auf Veränderungen im Blutfluss und Blutdruck reagieren.

Spannende Studienergebnisse

Atmung - Gesundheit
Foto: knape / Getty Images Signature via Canva

Das Institut für Sport­- und Bewegungs­wissenschaften der Universität Basel hat im vergangenen Jahr eine Studie dazu durchgeführt. (Ihr Titel: “Time­effi­cient, high­-resistance inspiratory muscle strength training for cardiovascular aging”, Freeberg 2023). Sie umfasste insgesamt 37 Teilnehmer*innen, die in eine Interven­tionsgruppe mit 19 Proband*innen und eine Kontrollgruppe mit 18 Proband*in­nen aufgeteilt wurden. Die Interventions­gruppe absolvierte ein zwölfwöchiges Trai­ningsprogramm, in dem sie fünf Mal pro Woche jeweils 30 inspiratorische Atemzü­ge mit einem Widerstand von 75 Prozent der maximalen Kapazität ausführten. Die Kontrollgruppe führte kein spezifisches Atemtraining durch. Die Forscher*innen analysierten die Auswirkungen dieser Übung auf die Herzfunktion vor, wäh­rend und nach dem Training. Dabei kon­zentrierten sie sich insbesondere auf die Auswurffraktion und die Herzratenvari­abilität als Indikatoren für die autonome Regulation des Herzens.

Die Studie zeigte, dass das Inspiratory Re­sistance Training signifikante Verbesse­rungen der Herzfunktion, der autonomen Regulation des Herzens und der Gefäß­reagibilität bewirkte: Die Interventions­gruppe, also die Proband*innen, die das Training durchführten, zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine erhöhte Herzratenvariabilität (HRV), eine verbes­serte Auswurffraktion und eine gesteiger­te Gefäßreagibilität. Atemwiderstandstraining kann demnach ein effektives Mittel zur Förderung der kardiovaskulären Gesundheit sein, das positive Aus­wirkungen auf verschiedene Aspekte der Herzfunktion und Gefäßgesundheit hat.

Pranayama neu verstehen

Shitali Pranayama
Foto: Nela König

Die alten Hatha­-Yoga­-Texte sind reich an Weisheiten über die Verbindung zwischen Atem und Lebenskraft. Sie beschreiben verschiedene Techniken der gezielten Atemführung, mit der Prana gelenkt werden kann – das ist die eigentliche Be­deutung des Begriffs Pranayama. Shitali Pranayama ist eine dieser Techniken: Man rollt die Zunge wie ein Röhrchen zusammen und atmet durch diese ver­kleinerte Öffnung saugend ein. Diese Atemübung soll kühlend, erfrischend und beruhigend wirken. Anhand dieser beiden traditionell beschriebenen Wirkungen lässt sich eine direkte Verbindung her­stellen zum modernen Atemtraining und seinen Effekten: Inspiratory Resistance Training (IRT) senkt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen den Blutdruck und verbessert die autonome Balance. Beides lässt sich auch für Shitali Pranayama sagen, denn sinkenden Blut­druck empfinden wir subjektiv als Kühlung und mentale Beruhigung ist ein Zeichen verbesserter autonomer Balance.

Es liegt daher nahe, dass das traditionelle Shitali Pranayama und das moderne IRT auf demselben Wirkungsmechanismus beruhen. Als Schulmediziner und Yoga­lehrer eröffnet sich mir hier eine wertvolle Brücke: Indem wir die Weisheit alter Tra­ditionen in Bezug zu moderner Wissen­schaft setzen, können wir alte Techniken neu verstehen und so unsere Praxis noch gezielter ausrichten. So finden wir einen ganzheitlichen Ansatz, der Körper, Geist und Seele gleichermaßen nährt.

Probiere es aus

Um die Ergebnisse der modernen Studien in Shitali Pranayama umfassend nutzen zu können, empfehle ich einen etwas anderen Fokus in der Ausführung. Probiere zunächst die klassische Variante aus und vergleiche sie dann mit den beiden vorgeschlagenen Akzenten.

Shitali Pranayama klassisch

Atme aus und senke dabei den Kopf. Rolle deine Zunge locker zu einer Art Strohhalm, strecke sie etwas aus dem zu einem O geformten Mund und sauge die Luft einatmend durch diese Öffnung, dabei hebst du langsam den Kopf. Schließe am Ende der Einatmung den Mund, atme durch die Nase aus und senke den Kopf dabei wieder. (Wenn du die Zunge nicht rollen kannst – das ist genetisch bedingt und kann nicht erlernt werden – legst du die Zungenspitze stattdessen hinter die Schneidezähne.)

Zwei neue Akzente

1. Wenn wir die Zunge wie beschrieben nur locker längs rollen, spüren wir, wie die Atemluft die feuchte Zunge beim Darüberstreichen abkühlt – diesen Effekt nutzen Hunde auch beim Hecheln. Zusätzlich können wir aber mit einer fester gerollten Zunge intensiven Widerstand für die Einatmung erzeugen, so wie das im modernen Atemtraining über Mundstücke und Ventile erreicht wird. Wenn du die Zunge nicht rollen kannst, erzeugst du Widerstand, indem du die Lippen wie zum Pfeifen schürzt und gegen den durch die Lippen erzeugten Widerstand einatmest. In beiden Varianten trainieren wir die Atemmuskulatur.

2. Wenn wir zusätzlich während der Einatmung einen Unterdruck im Brustkorb erzeugen wollen, dann sollte die Einatmung möglichst tief sein. Die in den Quellentexten des Hatha Yoga beschriebene, jedoch nicht näher spezifizierte Anhaltephase (Kumbhaka) darf dagegen kurz ausfallen.


Dr. Ronald Steiner ist Sportmediziner, Wissenschaftler und einer der bekanntesten Ashtanga-Yogis. Mehr zu ihm findest du auf ashtangayoga.info oder auf Instagram @dr.ronald.steiner


Entdecke auch die Asana-Reihe “Alignment Cues” mit Dr. Ronald Steiner, wie zum Beispiel diesen Herzöffner:

Im Flow mit dem Zyklus: Yoga-Asanas für jede Phase

Im Flow mit dem Zyklus: Yoga-Asanas für jede Phase

Der weibliche Zyklus beeinflusst Energie, Stimmung und körperliches Wohlbefinden – und genau hier kann Yoga gezielt unterstützen. Kristina Shirangi, Yoga-Lehrerin bei David Lloyd Meridian Spa & Fitness, erklärt welche Asanas sich in den verschiedenen Zyklusphasen besonders eignen, um Körper und Geist in Einklang zu bringen. // anzeige

Menstruationsphase (Tag 1–5): Ruhe & Regeneration

Während der Menstruation ist der Hormonspiegel niedrig, und der Körper braucht Erholung. Kristina empfielt während dieser Phase ruhige Asanas in sitzender oder liegender Position, um Verspannungen zu lösen und Krämpfe zu lindern:

Gedrehte Kindhaltung (Parivrtta Balasana)

Balasana ist eine beruhigende und erdende Asana, die die Wirbelsäule entspannt und den unteren Rücken sanft dehnt. Die Variation mit dem Twist und Prayer Hands kombiniert die entspannende Wirkung mit einer sanften Rotation und einer energetischen Geste, die inneren Ausgleich und Verbindung fördert“. Diese Asana wird ausgeführt, indem du aus der klassischen Kindhaltung einen Ellenbogen auf die Matte setzt, den anderen Arm darüberlegst, sodass beide Unterarme sich kreuzen, dann die Hände in Anjali Mudra (Gebetshaltung) vor dem Herzen zusammenführst und sanft in die Drehung hineinspürst.

Gedrehte Liegende Taube (Parivrtta Eka Pada Rajakapotasana)

Die gedrehte schlafende Taube löst Becken- und Rückenverspannungen, fördert die Durchblutung der Beckenorgane, unterstützt die Verdauung, beruhigt das Nervensystem und kann PMS-Symptome sowie Menstruationsbeschwerden lindern. Die Position wird ausgeführt, indem du in die klassische Taube gehst, das vordere Bein angewinkelt vor dir ablegst, das hintere Bein nach hinten streckst, dann den gegenüberliegenden Arm unter dem Körper hindurchfädelst und die Schulter sowie den Kopf sanft auf der Matte ablegst, während der andere Arm entweder nach vorne gestreckt oder auf dem Rücken abgelegt wird, um eine tiefe Hüftöffnung und Wirbelsäulendrehung zu ermöglichen.

Sitzender Schmetterling (Baddha Konasana)

Wer unter Menstruationsschmerzen leidet, dem empfiehlt Kristina den “sitzenden Schmetterling”: “Die sanfte Hüftöffnung fördert die Durchblutung im Beckenbereich und kann menstruationsbedingte Beschwerden reduzieren. Eine leichte Vorbeuge verstärkt die beruhigende Wirkung. Umarme dabei sich selbst, und spüre innere Wärme und tiefe Verbindung zu dir selbst“. Die Position wird ausgeführt, indem du im Sitzen die Fußsohlen aneinanderlegst, die Knie nach außen sinken lässt, die Füße mit den Händen umfasst oder die Hände auf die Schultern sanft ablegst und mit geradem Rücken sanft nach vorne kippst oder aufrecht bleibst, um die Hüften zu öffnen und die innere Oberschenkelmuskulatur zu dehnen.

Schwebende Viparita Karani & Shakti Savasana

“Ich selbst benutze in dieser Phase auch gerne Hilfsmittel wie z.B. einen Gurt oder eine Akkupressurmatte. Die schwebende Viparita Karani ist z.B. eine Variation der klassischen “Beine an der Wand”-Haltung (Viparita Karani), bei der die Beine in einem Gurt oder einer Yoga-Schlinge schweben, anstatt auf einer Wand zu ruhen. Diese sanfte Umkehrhaltung hilft, den Unterleib zu entlasten, die Durchblutung zu fördern und das Nervensystem zu beruhigen – perfekt für die Menstruationsphase und die Lutealphase, wenn der Körper nach Erholung verlangt. Alternativ hilft es auch, sich für 10 bis 30 Minuten (je länger, desto traumhaft entspannter) in der sogenannten “Totenstellung” abzulegen und die Nadelmatte arbeiten zu lassen. “Diese stimuliert nämlich von ganz alleine die entsprechenden Akkupressurpunkte und kann ebenfalls der Schmerzlinderung dienen und sogar beim einschlafen helfen”, schwärmt Kristina

Follikelphase (Tag 6–14): Energie & Wachstum

Mit dem Anstieg von Östrogen wächst auch das Energielevel. Jetzt ist der Körper bereit für aktivierende und kräftigende Asanas, die Flexibilität und Kraft aufbauen und das innere Strahlen fördern.

Wild Thing (Camatkarasana, ekstatische Rückbeuge)

Diese kraftvolle Rückbeuge öffnet das Herz, stärkt die Rückenmuskulatur und verbindet Stabilität mit Flexibilität. Sie bringt Leichtigkeit und neue Energie“, erklärt Kristina Shirangi. Die Übung beginnt in der seitlichen Planke. Dann wird das obere Bein hinter dem Körper sanft aufgesetzt, während der Brustkorb sich öffnet und der Arm über den Kopf gestreckt wird. “Man fühlt sich danach richtig wach und beschwingt – perfekt für diese Phase”, ergänzt die Yoga-Expertin.

Halbmondhaltung (Ardha Chandrasana): Wer in dieser Zyklusphase Balance und Beweglichkeit fördern möchte, dem empfiehlt Kristina den Gedrehter Tänzer und die Halbmondhaltung. “Diese Balancehaltungen stärken die Beine, Hüften und Bauchmuskulatur, während sie das Sakralchakra aktivieren. Sie wirken stabilisierend und fördern gleichzeitig eine gewisse Leichtigkeit.”

Gedrehter Tänzer (Parivrtta Natarajasana) wird ausgeführt, indem man im Einbeinstand das hintere Bein anhebt, mit der gegenüberliegenden Hand den Fuß greift, den Oberkörper leicht nach vorne neigt und die freie Hand nach vorne oder zum Herzen bringt, während man die Wirbelsäule dreht.

Ardha Chandrasana (Halbmondhaltung) wird ausgeführt, indem man aus einer stehenden
Position ein Bein nach hinten anhebt, den Oberkörper nach vorne neigt, eine Hand auf den Boden oder einen Block setzt und den gegenüberliegenden Arm sowie den Blick nach oben richtet, um Balance, Stabilität und Öffnung der Hüfte zu fördern. “Man hat das Gefühl, als würde man schweben – und genau das passt zur Energie dieser Zyklusphase“, so
Kristina.

Ovulationsphase (Tag 14–18): Höchste Energie & Offenheit

Jetzt erreicht der Körper seinen energetischen Höhepunkt. Der Östrogenspiegel ist am höchsten, was oft mit einem Gefühl von Vitalität, Kreativität und Offenheit einhergeht. In dieser Phase sind herzöffnende und kraftvolle Asanas besonders wirkungsvoll.

Kamelhaltung (Ustrasana)

Eine intensive Rückbeuge, die die Brustmuskulatur dehnt, den Atem vertieft und die Rückenmuskulatur stärkt. Sie wirkt harmonisierend auf die hormonproduzierenden Drüsen“, beschreibt Kristina. Die Übung beginnt im Kniestand, die Hände greifen sanft die Fersen, während der Oberkörper zurückgelehnt wird. “Das Herz wird weit, man fühlt sich aufgerichtet und gestärkt – die perfekte Haltung, um diese kraftvolle Phase des Zyklus zu feiern”, so die Yoga-Lehrerin.

Taube mit Adlerarmen (Garudasana Eka Pada Rajakapotasana)

Diese besondere Variation der Taube kombiniert eine tiefe Hüftöffnung mit einer sanften Dehnung der Schultern und des oberen Rückens. “Während der Ovulationsphase geht es nicht nur um Energie, sondern auch um emotionale Offenheit“, erklärt Kristina. Die Haltung beginnt im Vierfüßlerstand, ein Bein wird nach vorne angewinkelt, das hintere nach hinten gestreckt. “Durch das Einbinden der Adlerarme wird zusätzlich die Schultermuskulatur gelöst – eine tolle Kombination für mehr inneren und äußeren Fluss”, ergänzt sie.

Lutealphase (Tag 19–28): Rückzug & Reflexion

Mit steigendem Progesteron bereitet sich der Körper auf die nächste Menstruation vor. Viele Frauen verspüren in dieser Phase einen natürlichen Rückzug. Erdende und sanfte Asanas helfen, Stress abzubauen und hormonelle Schwankungen auszugleichen.

Yogahocke mit Kali Mudra (Malasana)

Malasana ist eine tiefe Hocke, die das Wurzelchakra stärkt, die Verdauung unterstützt und Verspannungen im Beckenbereich löst“, erklärt Kristina. “Die Kombination mit Kali Mudra, bei der die Hände eine kraftvolle Geste bilden, hilft, innere Kraft zu mobilisieren.” Dabei werden die Hände in Gebetshaltung vor dem Herzen gehalten, während die Finger ineinander verschränkt sind und die Zeigefinger nach oben zeigen. “Diese Haltung gibt Stabilität und hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren”, so die Yoga-Lehrerin.

Bhramari-Atmung mit Shanmukhi Mudra

“Die Lutealphase kann emotional herausfordernd sein – hier hilft eine beruhigende Atemtechnik”, empfiehlt Kristina. Die Bhramari-Atmung (auch “Summatmung” genannt) reduziert Stress und gleicht das Nervensystem aus. “Durch das Summen eines sanften Tons – wie das Summen einer Biene – entsteht eine sanfte Vibration, die tief ins Nervensystem wirkt und Spannungen löst.” In Kombination mit Shanmukhi Mudra, bei der sanft die Ohren, Augen und Nase mit den Fingern verschlossen werden, verstärkt sich die beruhigende Wirkung. “Das schirmt äußere Reize ab und fördert die Konzentration auf das eigene Innere – ideal, um zur Ruhe zu kommen”, erklärt Kristina.

Mit diesen gezielt auf den Zyklus abgestimmten Übungen lässt sich jede Phase bewusst erleben – sei es durch aktivierende Asanas, die Öffnung des Herzens oder sanfte, erdende Haltungen zur Reflexion. “Yoga bietet wunderbare Möglichkeiten, sich mit dem eigenen Körper zu verbinden und jede Phase des Zyklus mit Achtsamkeit zu begleiten”, fasst Kristina Shirangi zusammen.

Fühlst du dich inspiriert? Dann findest tolle Yoga- & Pilateskurse auf www.meridianspa.de.


Über David Lloyd Clubs und David Lloyd Meridian Spa & Fitness

Die deutschen Clubs von David Lloyd Leisure und David Lloyd Meridian Spa & Fitness sind Teil der britischen David Lloyd Leisure Ltd., Europas größtem Anbieter im Fitness- und Wellnessmarkt mit über 130 Anlagen in neun europäischen Ländern. Die acht Premium-Clubs in Hamburg, Berlin, Frankfurt und Bad Homburg bieten modernste Fitnessbereiche für individuelles oder professionell angeleitetes Training, Functional- und Circuit-Training, ein vielfältiges Kursangebot in lichtdurchfluteten Lofts oder Boutique-Studios für David Lloyds Signature-Kurse BLAZE, IGN1TE, SPIRIT, CYCLONE, BATTLEBOX und RHYTHM sowie moderne Spa-Bereiche und Wellness-Landschaften mit Saunen, Pools und Ruhebereichen.

Das Unternehmen beschäftigt deutschlandweit 1.300 Mitarbeiter, darunter rund 650 Kooperationspartner in den Bereichen Training, Wellness und Coaching. Die Deutschlandzentrale befindet sich in Hamburg. David Lloyd Clubs hilft seinen Mitgliedern, ein besseres Leben zu führen, indem es sich auf körperliches und geistiges Wohlbefinden und ein Gefühl der Zugehörigkeit konzentriert. Als Europas größte Gesundheits- und Wellness-Gruppe betreiben sie 133 Clubs: 104 im Vereinigten Königreich und weitere 29 auf dem europäischen Festland, mit drei Marken: David Lloyd Clubs, Harbour Clubs und Meridian Spa and Fitness in Deutschland. Wir arbeiten ständig an Innovationen, um Familien und Einzelpersonen die besten Produkte und Dienstleistungen in einer einladenden Umgebung anbieten zu können. Dazu gehören hochmoderne Fitnessstudios, Innen- und beheizte Außenpools, erstklassige Racket-Anlagen, gut ausgestattete Studios für Gruppentraining, luxuriöse Spas, Kinderclub-Einrichtungen und Kinderbetreuung. Die Clubräume bieten einen Ort, an dem man Zeit mit Freunden und Familie verbringen oder einen Happen essen kann. Die Clubs verfügen außerdem über geräumige und einladende Räume zum Arbeiten, Entspannen und für soziale Kontakte.

Dankbar für die Dankbarkeit – eine Einstellung, die dein Leben verändert

Dankbarkeit

Dank ist mehr als nette Emotion oder zivilisatorischer Kanon. Dankbarkeit ist eine Grundhaltung, die dem Leben eine neue Wendung geben kann. Sagt wer? Sagt unsere Autorin Andrea Goffart, die seit einigen Jahren Dankbarkeit praktiziert – und findet, dass sie sich dabei ziemlich verändert hat.

Text: Andrea Goffart / Titelbild: Torijrtrx / Getty Images via Canva

In der Redaktionskonferenz für das Heft 05/2024 mit dem Titelthema “Dankbarkeit”, aus dem dieser Artikel stammt, waren wir uns schnell einig: Wir wollten nicht über Dankbarkeitstage­bücher schreiben und konnten auch alle miteinander die hübsch bebilderten Ratschläge für Dankbarkeitspraktiken nicht mehr sehen. Übersättigung durch Oberflächenkratzen. “Aber trotzdem hilft es ja”, wandte ich etwas zögerlich ein: “Ich hab’s selbst so erlebt, mein Leben hat sich durch Dankbarkeit verändert.” Schon hatte ich mein Beitragsthema und wusste nicht genau, ob ich dafür dankbar sein soll …

Ich möchte dich gerne mitnehmen in mei­ne Welt, auf eine Reise zu einem früheren Ich – Andrea vor circa fünfzehn Jahren: Anfang 40 und mitten im Leben, verhei­ratet, aber kinderlos, mittleres Manage­ment, Reisen, Shoppen, Fernsehen, Party, Kino und ab und zu Gäste im vorörtli­chen Eigenheim. Der übliche Wahnsinn, unterbrochen von 6 Stunden schlechtem Schlaf. Ich habe sehr oft “Rücken” und “Kopf” und eigentlich immer Stress. Außerdem, so stelle ich im Gespräch mit ei­ner Therapeutin fest, bin ich unaufhörlich unzufrieden. Mit mir. Mit der Welt und ganz besonders mit “den anderen” – dem Ehemann, den Kolleginnen, den Eltern sowieso. Eigentlich gehen mir alle dauer­haft auf den Geist.

Ein Ereignis mag dies besonders illus­trieren, ein Abend mit alten Bekannten: Ich war schlecht drauf, es war ein voller, anstrengender Tag gewesen. Schon ein­gangs gab es Ärger, die Freundin hatte ein Glas Gin­-Tonic umgestoßen, Riesensaue­rei – was für eine Aufregung, die konnte ich jetzt gar nicht brauchen. Es dauerte ewig, bis das Essen auf dem Tisch war, es war laut im Restaurant … alles in mir kam in Aufruhr. Also trank ich Rotwein, viel Rotwein. Den ganzen Abend über spießte ich befreundete Frauen erzählend auf meine spitze Zunge: Die eine ist ja ei­gentlich todunglücklich hinter ihrer schi­cken Fassade, die andere eine verhärtete Karrieretussi und die dritte, die geht ja gar nicht. Als ich mich ein paar Tage spä­ter für mein rückblickend unpassendes Verhalten entschuldigen wollte, erhielt ich eine Antwort, die mich erschütterte: “Andrea, wofür entschuldigst du dich? Du bist so. Immer!”

Echt jetzt? So soll ich sein – so negativ, so urteilend, so … böse? Was der Bekann­te da über mich sagte, brachte ich nicht mit meinem Bild von mir in Einklang. Nein, so wollte ich nicht sein. Aber er hatte schon recht: Ich begann mich zu beobachten, auch im Dialog mit meinem Mann, und machte eine unangenehme Feststellung: Mir ging es gut, wenn ich über andere herziehen konnte. Und noch besser ging es mir, wenn ich anderen er­klären konnte, warum die Welt spätestens nächstes Jahr zugrunde gehen wird.

Das Negative ist sicher

Heute weiß ich, warum ich da kaum wie­der rauskam: Es ist unglaublich schwer, diese Negativspirale zu unterbrechen, weil es gegen einen Instinkt verstößt: Wir sind neurobiologisch darauf ausgerichtet, das Schlechte zu sehen, denn hier lauerte die Gefahr – früher einmal. Vor Tausen­den Jahren erzählte man sich abends am Lagerfeuer, wo der Tiger jagt, der Fluss zu breit ist oder ein Baum droht umzu­fallen. Das schützte die Gemeinschaft und hat sich tief in unser Reptiliengehirn eingegraben. Deswegen tun wir’s heute auch noch. Wir erzählen von der blöden Bäckereiverkäuferin, dem unkollegialen “Spacko” und den Marotten des Ehegatten – wir “schützen” weiterhin die Gemein­schaft, indem wir sie vor Negativem warnen. Und das fühlt sich gut und richtig an.

Dankbarkeits-Tagebuch
Foto: Ava Sol via Canva

Ich begann damals, angeregt durch eine Freundin, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Ich war neugierig, aber nicht be­sonders inspiriert – was sollte es schon bringen, jeden Abend ein paar Punkte zu notieren, für die ich dankbar bin? So richtig verstand ich die Idee nicht, aber irgendwas musste ich ja tun. Durch ein MBSR­-Programm (Mindfulness Based Stress Reduction) kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit Meditation und der achtsamen Entdeckung des Augenblicks. Das stille Mit-­mir­-Sein tat mir sehr gut und weil mir meine abendlichen Medi­tationspraxis immer wichtiger wurde, entstand ein angenehmer Nebeneffekt: Das Feierabendglas Wein (oder zwei oder drei) fiel immer öfter weg, denn die achtsame Präsenz benötigt Klarheit, das merkte ich sehr schnell. Irgendwann stell­te ich fest, dass ich begonnen hatte, meine Aufmerksamkeit im Tagesverlauf mehr auf Aspekte auszurichten, die mir Futter für mein Tagebuch bieten würden.

Ganz langsam, unbemerkt, hatte sich ein Shift vollzogen. Und – Energie folgt Aufmerk­samkeit – es schien, als würde plötzlich mehr passieren, für das ich dankbar sein konnte! Ich staunte: Es ist wirklich ganz einfach – nur eine Sache der Wahrneh­mung. Im Kern ist die Praxis der Dankbarkeit eine Umprogrammierung alter neurobiologischer Muster: Wir sehen das Gute und wir erzählen darüber: das kleine Mädchen im Supermarkt, das uns anlächelt. Die perfekte Stachelbeere, gepflückt vom eigenen Strauch. Wir neh­men wahr, wie reichlich und reichhaltig das Leben unseren Tisch gedeckt hat. Wir sehen, was andere für uns tun und nehmen nichts mehr als “selbstverständlich”. Wir notieren immer und immer und im­mer wieder, was wir haben und was uns widerfährt und welches Geschenk darin versteckt ist.

Anfangs braucht es Disziplin, den Blick ganz bewusst auf das Schöne, das Gute zu richten, sei es noch so klein. Mit der Kraft der Dankbarkeit auf jede Blüte, jede Geste, jedes Glitzern der Sonne auf den Wellen zu schauen und sie groß werden zu lassen – das Herz weit. Natürlich ist ein kritischer Blick auf die Praxis des po­sitiven Denkens absolut angebracht und ich möchte ausdrücklich betonen, dass ein Grundton der Dankbarkeit im Leben nicht heißt, dass wir die Umstände ver­leugnen. Das Leben ist oft schwer. Das ist so. Aber es ist unsere Entscheidung, ob wir in der Lage sein möchten, das gesam­te Spektrum aller Emotionen einzuladen und zu begreifen, dass sie alle gleicher­maßen kommen und gehen. Oder ob wir uns im Klammern an einen unerreichba­ren, aber angestrebten Zustand der ewi­gen Zufriedenheit absichtlich ins Unglück stürzen, weil aus der Unerreichbarkeit des ständigen Wohlseins zwangsläufig Unzufriedenheit und ein pausenloses Mangel­denken entstehen.

Der Sonnengruß als Dankbarkeitsritual

Dein nächster Sonnengruß, heute Abend oder morgen früh – vollziehe ihn bewusst als Dank, als Dank für den Tag, als Dank an die Sonne, die Elemente, das Leben.
Verneige dich, schaue hinab, schaue hinauf, verbinde Demut und
Dankbarkeit zu einer reifen Praxis.
Atme und sei präsent im Fluss des Lebens,
an das der Sonnengruß seinen Dank richtet.

Danke für alles und nichts

Dankbarkeit
Foto: microgen / Getty Images via Canva

Als ich vor einigen Jahren begann, meine Tage mit einem kleinen Yoga­-Flow zu be­ginnen, habe ich ein Dankbarkeitsritual integriert. Ich verneige mich zum Ab­schluss in alle vier Himmelsrichtungen: Ich bedanke mich im Süden für die gelun­gene Praxis; im Osten für alle Menschen, denen ich mich verbunden fühle; im Nor­den für meinen gesunden Körper und im Westen für das Geschenk, dass ich genau diesen Tag erleben darf. Ich lege ihn als Juwel in den Setzkasten meines Lebens – gedanklich. Irgendwann bemerkte ich, dass ich die Verbundenheit, die Teil des Rituals sein durfte, nicht mehr nur “dach­te”, sondern im ganzen Körper spürte – ich fühlte mich verbunden. Das kannte ich nicht – es war ein ganz neues Gefühl: Ich bin Teil von allem, ich gehöre dazu, ich bin gehalten. Ich brauche mich nicht anzustrengen. Eine tiefe Freude entstand in der Beobachtung, in der Beziehung, in der Verbindung – zuerst mit dem Selbst, dann miteinander und mit dem Leben.

Diese Freude ist immer noch etwas Besonderes für mich. Sie ist rein und klar, mal heftig, mal ganz sanft. (Und dann auch wieder tagelang im Außendienst.) Sie fühlt sich nährend an und braucht selbst keine Nah­rung aus dem Außen – keinen Besitz, kei­nen Status kein “Mehr” von irgendwas. Sie ist dankbar für den Moment. Und damit sind wir in meiner Erzählung dort gelandet, wo ich momentan bin. Wenn du es geschafft haben solltest, mir bis hierhin zu folgen (Danke dafür!), dann kann ich dir abschließend noch zeigen, was ich momentan glaube: Dankbarkeit – im Endeffekt und für “Fortgeschrittene” – hat absolut nichts damit zu tun, ob dein Leben nett oder hübsch oder fluffig ist. Egal, was das Leben gerade für mich bereithält, ich nehme es an und “freue mich auf die nächste Krise” – weil ich ahne, dass sie mir eine Erkenntnis, Wachstum und oft auch ein Mehr an Verbundenheit schenken wird. Das Leben ist dazu da, gelebt zu werden und wie auf dem Trimm-dich-Pfad müssen wir jede Station mitnehmen, um es zu bewältigen. Überspringen wir eine, lässt die Sportlehrerin – in Form von Gott, Schicksal oder Universum – uns noch eine Runde laufen. Dann beißen wir die Zähne zusammen, finden es scheiße und sind trotzdem dankbar. Wir laufen los und tun, was notwendig ist.

Deine Dankbarkeitsparxis

Jetzt habe ich dir so viel von mir erzählt – was machst du daraus?
Vier Ideen, wie du beginnen könntest.

1. 108 Gründe: 
Wenn wir genau überlegen, dann gibt es unzählige Gründe, dem Leben,
der Welt und allen Menschen dankbar zu sein.
Hast du eine Mala mit 108 Perlen?
Dann geh diese Perlen doch einmal Griff für Griff durch – jede Perle ein Dank.
Mach das intuitiv, ohne lange Denkpausen.
Und wenn sonderbare Ideen dabei sind – wunderbar.

2. Warum ich genau dir dankbar bin:
Mit dieser Praxis danken wir nicht dem Leben, sondern einer konkreten Person.
Beginne eine Liste, zum Beispiel für den Partner, die Kollegin oder die Eltern,
und schreibe auf: “Ich bin dir dankbar, weil …”
Notiere 10 Minuten lang und dann gehe zum Beispiel eine Runde spazieren.
Schau dann noch einmal auf deine Ideen – ergänze.
Das kannst du gerne über ein paar Wochen machen, die Liste darf immer
weitere Ergänzungen erfahren und wer weiß, vielleicht wird sie irgendwann zum Brief?

3. Die Negativliste: 
Schreib am Abend auf, bei wem du dich alles hättest bedanken können,
es aber nicht getan hast. Postbote – danke, dass meine Briefe
jeden Tag (meistens 🙂 kommen.
Busfahrerin – danke, dass Sie mein Kleingeld nehmen.
Kollegin – danke, dass du das Fenster geschlossen hast,
ich hatte gar nicht gemerkt, wie kalt es hier ist …

4. Das Fotoalbum: 
Schreiben ist nicht deins? Stattdessen kannst du Dankbarkeit
auch mit Fotos festhalten und einen Bilderordner oder
sogar ein ausgedrucktes Album anlegen.


Autorin Andrea Goffart

Für Andrea Goffart war es naheliegend, ihre Dankbarkeitspraxis ganz klassisch mit einem Tagebuch zu beginnen: Sie ist Autorin und Schreib-Coach und schreibt nicht nur viel, sondern einfach gerne. Mehr über Andrea erfährst du auf ihrer Website.


Einfach mal nichts tun und nur sein. Auch dafür kann man dankbar sein. Andrea Goffart hat sich damit auseinandergesetzt. Hier kannst du etwas über ihre Erfahrungen lesen:

Yoga-Ausbildung mit Jeanette Luft – von der Theorie zur gelebten Praxis

Jeanette Luft Yoga Teacher Training

Was macht eine gute Yoga-Ausbildung aus? Für Jeanette Luft ist die Antwort klar: Es geht nicht nur darum, Asanas zu beherrschen – es geht darum, Yoga als eine Haltung ins Leben zu tragen. In der Ganesha Yoga Lounge in Heidelberg begleitet sie Menschen dabei, genau das zu entdecken. Finde dein Yoga Teacher Training!

Yoga als gelebte Praxis – Jeanette Lufts Weg zum Yoga

Bei Jeanette Luft dreht sich alles um gelebtes Yoga. Seit fast 20 Jahren begleitet sie die Praxis durch alle Höhen und Tiefen des Lebens – und genau diese Erfahrung gibt sie mit Leidenschaft in ihren Ausbildungen weiter. “Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der das Laute sehr präsent war. Ich war ständig am Erledigen, Planen und Tun. Dann stolperte ich zufällig in eine Yogastunde im Fitnessstudio – und das hat alles verändert. Ich merkte, wie wichtig es ist, nicht nur das Laute um mich herum wahrzunehmen, sondern auch die leisen und feinen Töne. Mir morgens beispielsweise die Frage zu stellen: Wie möchte ich mich heute dem Leben zeigen? Was ist mir wichtig? Yoga hat mir auf meinem Lebensweg so sehr geholfen. Es hat mich durch Jobwechsel, Verluste geliebter Menschen, Existenzängste, dem Ankommen im Mama-Sein und vielem mehr begleitet. Es hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin.” Heute leitet Jeanette die Ganesha Yoga Lounge in Heidelberg und gibt ihre Erfahrung mit viel Herz in ihren Ausbildungen weiter.

Hatha Flow und Yogatherapie: Jeanettes Steckenpferde

Jeanette Luft Yoga Teacher Training

Besonders am Herzen liegen ihr Hatha Flow und Yogatherapie. “Nach meiner Grundausbildung hatte ich den großen Wunsch, mein Yogawissen radikal zu vertiefen. Ich wollte auf Beschwerden und Wehwehchen individuell eingehen können – und auch meine eigenen Rückenschmerzen in den Griff bekommen.” Die Yogatherapie bietet Jeanette die perfekte Grundlage, um Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu unterstützen. Der Hatha Flow wiederum vereint für sie alles, was Yoga so besonders macht: die Dynamik, die den Geist fokussiert, und die Ruhe, um in die Tiefe zu gehen. “Das Ganzheitliche des Hatha Yoga mit der Möglichkeit Positionen auch mal länger zu halten und richtig rein zu gehen ist einfach großartig. Außerdem gibt es natürlich nie eine Yogastunde ohne Pranayama, Meditation und Entspannung.”

Individuelle Entfaltung im Yoga Teacher Training

In ihren Ausbildungen – von der Atemtherapie 35h Weiterbildung und der Asana Expert*in 35h Weiterbildung über die 200h-Grundausbildung, bis zur 300h-Weiterbildung – legt Jeanette besonderen Wert darauf, dass jede*r Teilnehmer*in das eigene Potential entfalten kann. “Mein Highlight ist es immer wieder, wenn schlummernde Begabungen an die Oberfläche kommen. Wenn Auszubildende ihre berührende Stimme finden oder entdecken, wie sie mit ihren Händen Menschen tief berühren können.” Dabei geht es ihr um weit mehr als nur das Erlernen von Unterrichtstechniken: “Eine gute Yogastunde zeigt einen Teil der Seele der Lehrenden, schafft Nähe und Akzeptanz. In den Ausbildungen hast du einen Raum zum Entdecken, Ausprobieren und Lachen – einen Raum, in dem wir einander sehen und wertschätzen.”

Für wen ist die Yoga-Ausbildung geeignet?

Für wen ist die Ausbildung geeignet? Ganz klar: für jede*n. “Es benötigt keinerlei Vorkenntnisse oder Voraussetzungen. Ich werde immer wieder gefragt, ob der Kopfstand eine Art Zulassungs-Asana ist – da muss ich schmunzeln. Natürlich braucht es den Kopfstand nicht! Es reicht, einfach so zu kommen, wie du bist.” Ob du später unterrichten möchtest oder Yoga einfach tiefer in dein Leben integrieren willst – die Ausbildungen von Jeanette begleiten dich auf deinem Weg. “Wir machen einen Deep Dive ins Yoga: Wir tauchen in die Welt der Asanas, des Pranayama, der Meditation und Entspannung ein. Zusätzlich setzen wir uns mit der Anatomie und Biomechanik des Körpers auseinander und diskutieren über philosophische Themen und deren Anwendung in der heutigen Zeit.”

“Denke nicht so viel über Voraussetzungen nach oder ob du schon genügend Praxis hast, sondern komm ins Tun.”

Vertiefungsmodule: Dein individueller Ausbildungsweg

Neben der Grundausbildung bietet Jeanette mit ihrem Team auch zahlreiche Vertiefungsmodule an. “Die Teilnehmenden können sich ihre Aufbauausbildung so zusammenstellen, wie sie möchten.” Besonders gefragt sind dabei Themen wie Asana-Vertiefung, Atemtherapie, Yin Yoga oder Personal Training & Coaching, aber auch Unterrichtskompetenzen stärken und vertiefende Yoga-Philosophie stehen auf dem Programm. Dabei ist es Jeanette besonders wichtig, dass jede*r genügend Zeit zum eigenen Unterrichten bekommt und qualifiziertes Feedback erhält. So wird aus Theorie gelebte Praxis.

Jeanette Luft Yoga Teacher Training
Jeanette Luft (2. v.l.) und ihr Ganesha Lounge-Team

Schwangerschafts- und Rückbildungsyoga – ein Herzensprojekt

Ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt, ist das Schwangerschafts- und Rückbildungsyoga. “Die erste Ausbildung, mit der wir 2018 starteten, war Pre- und Postnatales Yoga – einfach aus der Not heraus, weil wir für unsere eigenen Kurse keine geeigneten Lehrer*innen fanden.” In den Kursen finden (werdende) Mamas nicht nur körperliche Unterstützung, sondern auch einen Raum für Austausch und Verbindung. “Diese Kurse sind bei uns im Studio mit Abstand die Lautesten und Lebhaftesten – es entstehen Freundschaften fürs Leben.”

Pranayama: Atemtechniken in Theorie und Praxis

Ein weiterer Schwerpunkt: Pranayama. In ihrer Atem-Weiterbildung verbindet Jeanette traditionelles Pranayama mit modernen Atemtherapie-Techniken. “Wir atmen uns auf ein neues Level”, sagt sie mit einem Lächeln. Neben fundierter Theorie steht dabei die eigene Praxis im Vordergrund – und die Fähigkeit, Atemtechniken gezielt im Unterricht zu vermitteln.

So startest du deine Yoga-Ausbildung in der Ganesha Yoga Lounge

Wenn du neugierig geworden bist, kannst du dich ganz einfach in unserer YogaWorld Academy informieren.

Webseite: ganesha-yogalounge.de
E-Mail: info@ganesha-yogalounge.de

Und für alle, die noch tiefer eintauchen wollen: Jeanette teilt ihre Erfahrungen auch im Podcast “Ganesha’s Yoga Happy Hour” – ein inspirierender Einblick in die Welt des Yoga, ganz authentisch und herzlich.

Unter einem guten Mond: Die hinduistische Bedeutung des Mondzyklus

Mond-Praktiken

Der Mond zieht tagein, tagaus seine Kreise – und wir sind eingeladen, uns bewusst mit seinen beständigen Rhythmen zu verbinden. Rina Deshpande gewährt uns Einblick in die spirituellen Traditionen Indiens.

Text: Rina Deshpande / Titelbild: Volodymyr via Canva

Tagsüber schaut er uns unsichtbar über die Schulter, nachts bescheint er friedlich unsere schlafenden Körper – ein sanfter, riesiger Trabant und eine gänzlich unperfekte natürliche Sphäre aus Bergen, Tälern und Kratern: Chandra, der Mond. Seine geheimnisvolle Kraft und Schönheit fasziniert und leitet seit Jahrtausenden Menschen überall auf der Welt. Zwar feiern wir Weihnachten und Neujahr heute in unserer globalisierten Welt gemäß dem westlichen, an der Sonne orientierten gregorianischen Kalender und damit im Winter, doch im Hinduismus und vielen anderen östlichen Kulturen haben auch die Zyklen von lunaren Kalendern weiterhin Bestand – und hier liegen die großen, glückverheißenden Jahresfeste im Herbst, allen voran das hinduistische Lichterfest Divali (dieses Jahr in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November).

Aber nicht nur zu solchen großen Festen, auch im Alltag lassen sich Hindus – und auch viele Yoga-Übende – von den Mondzyklen leiten. Sie richten ihre individuelle spirituelle Praxis ebenso an ihnen aus wie das Gemeinschaftsleben. Doch was genau ist ein Mondzyklus und was hat das mit einer spirituellen Praxis zu tun?

Der hinduistische Mondzyklus

Mondphasen
Foto: Naufal Fadhil / Getty Images via Canva

Ein vollständiger Zyklus aus Neumond, zunehmendem Mond, Vollmond und abnehmendem Mond umfasst 28 Tage. In Sanskrit nennen wir ihn Maasa. Genau wie das deutsche Wort “Monat” und das englische “month” stammt es vom indogermanischen Wort menōt (Mond, Mondwechsel, Monat) ab. Die meisten lunaren Kalender beginnen den Monat jeweils zum Neumond, Amavasya in Sanskrit. Er ist kaum sichtbar und steht am Beginn einer zweiwöchigen Phase, in der das Mondlicht beständig zunimmt. Wir nennen sie Shukla Paksha, die helle Seite. Am fünfzehnten Tag des Zyklus ist der Mond voll: Poornima. Indische Mädchen, die zum Vollmond geboren wurden, tragen häufig diesen Vornamen.

Die zweite vierzehntägige Hälfte des Zyklus, während derer der Mond wieder abnimmt, heißt Krishna Paksha. Diese Bezeichnung bezieht sich nicht, wie man meinen könnte, auf den Gott Krishna: Meine im Sanskrit sehr bewanderte Mutter sagte mir, dass es hier nicht um den Namen, sondern um das Wort krishna geht, das “dunkel” bedeutet. Es ist also analog zur hellen Seite Shukla Paksha die dunkle Seite. Die Kraft des Mondes wird seit jeher in indigenen Traditionen anerkannt und gewürdigt. Die an wissenschaftlicher Beschreibung interessierte hinduistische Religion dokumentierte schon vor langer Zeit die Regelmäßigkeit der Mondphasen und ihren Einfluss auf die Umwelt. Eine Textstelle aus dem Vishnu Purana, einer heiligen Schrift des Hinduismus aus dem 1. Jahrtausend unserer Zeit, macht das deutlich:

Diese erstaunlich präzise Beschreibung der Anziehungskraft des Mondes auf die Wasserstände zeigt, wie genau die Menschen schon vor über 1000 Jahren seine Wirkung beobachteten – und es unterstreicht, warum wir auch heute Achtung vor seinem Einfluss haben sollten. Moderne Wissenschaftler*innen beschäftigen sich nicht nur mit den physikalischen Hintergründen der Gezeiten, sie diskutieren auch die uralte These vom Zusammenhang zwischen Mondphasen und weiblichen Zyklen, untersuchen seine Auswirkung auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin und sogar auf das Verhalten von Tieren, etwa bei der Fortpflanzung von Fischen. Aber viele Menschen brauchen eigentlich etwas anderes als wissenschaftliche Evidenz: Es geht auch um Verbindung.

Spirituelle Mondpraktiken

Astrologischer Vollmondkalender
Foto: © Ruvim via Pexels

Sich mit dem Mond und seinen natürlichen Rhythmen zu verbinden, hat in Hinduismus und Yoga eine lange Tradition und kann sehr verschiedene Formen annehmen. In vielen spirituellen Praktiken wird Chandra, der Mond, als göttlich angesehen und manchmal sogar als eine Gottheit verehrt, von der wir nicht getrennt sind. Er gilt als Navagraha, einer der neun Planeten. Sein rhythmisches An- und Abschwellen schenkt uns Orientierung und kann uns helfen, eine gute Balance aus Zufuhr und Abfluss, Input und Output zu finden – nicht nur im Ayurveda wird das als Schlüssel zu einem langen, gesunden Leben gesehen. Dabei ist die dem Mond entgegengebrachte Verehrung weder in ganz Indien, noch von Mensch zu Mensch dieselbe oder auch nur eine ähnliche, ganz im Gegenteil: Es gibt unzählige Rituale, Traditionen und persönliche Praktiken. Im Folgenden findest du einige Beispiele, die dich vielleicht für deine persönliche Praxis inspirieren.

Info Box

In Hinduismus und Yoga gibt es zahllose Möglichkeiten, dich mit dem Mond zu verbinden und von seinen Rhythmen leiten zu lassen. Hier einige Beispiele:

Vratham (Fasten)
Der elfte Tag sowohl des zunehmenden als auch des abnehmenden Mondes wird im Hinduismus als Ekadashi bezeichnet (eka = eins, dashi = zehn, zusammen: elf). Er gilt als Tag der Reinigung, an dem man traditionell fastet: Man verzichtet ganz oder teilweise auf Eiweiß und Kohlenhydrate, um dem Körper – und damit auch dem Geist – eine Pause zu gönnen. Vaishnaviten, die Anhänger des Gottes Vishnu, trinken an diesen Tagen ausschließlich Wasser und Milch und essen etwas Obst. Die Aufmerksamkeit soll weg von allem Materiellen und hin zum Göttlichen (Ishvara) gelenkt werden: Man meidet jede Art von Konsum und wird wohltätig. Vaishnaviten opfern oder verzehren auch Tulsi,
eine als heilig geltende indische Heilpflanze.

Mantra
Laut der hinduistischen Schrift Bhagavata Purana widmete Krishna
dem Göttervater Vishnu ein Mantra, um Körper und Geist zu klären und im
Gleichgewicht zu halten und der Befreiung (Moksha) näher zu kommen.
Vielleicht möchtest du es zu Ekadashi rezitieren, während du dich mit einem Bad
auf das Fasten vorbereitest:
Om Namo Bhagavate Vāsudevāya
(Ich verneige mich vor dem höchsten Gott.)

Chandra Namaskar (Mondgruß)
Es gibt viele verschiedene Versionen dieser, im Gegensatz zu dem energetisierenden Sonnengruß kühlenden, entspannenden Bewegungsabfolge.
Beginne in der Berghaltung und verschränke die Daumen,
wenn du einatmend die Arme hebst
und den Körper halbmondförmig in eine sanfte Rückbeuge bewegst.
Vermeide im weiteren Ablauf Chaturanga und Übergänge im Sprung.
Bewege dich stattdessen langsam, richte die Aufmerksamkeit
nach innen und atme ruhig.
Beobachte, wie sich das im Vergleich zum Sonnengruß (Surya Namaskar) anfühlt.

Ardha Chandrasana (Halbmond-Haltung)
Eingebettet in einen Mondgruß oder auch als einzelne Asana geübt, empfiehlt sich der Halbmond natürlich ganz besonders in Verbindung zum halben
zu- oder abnehmenden Himmelsmond.
Die Haltung ist eine schöne Möglichkeit, dir ein Gefühl von Verbundenheit und innerer Ausrichtung zu geben und Halt in angstvollen Zeiten.

Quelle: The Art of living

Als ich kürzlich spätabends auf dem Pacific Coast Highway in Kalifornien entlang fuhr, machte mein Herz beim Blick aus dem Autofenster auf einmal einen Satz: Ein voller Mond erhob sich in all seiner Pracht hinter einer Bergkuppe. Ist es nicht atemberaubend, sich vorzustellen, dass Chandra schon seit 4 Milliarden Jahren um unsere Erde und all ihre Wesen kreist, so beständig und liebevoll? Ganz egal, ob du ihm mit einem Mantra die Ehre erweist, in deiner Asana-Praxis würdigst oder eine Fastenzeit an seinen Rhythmen ausrichtest: Unter der wunderschönen Präsenz des Mondes darfst du dich geschützt und geleitet fühlen.


Rina Deshpande lehrt, erforscht und schreibt seit über 15 Jahren über Yoga und Achtsamkeit. Ihre Artikel erschienen bei uns, Huffington Post, Self Magazine und vielen anderen. Außerdem hat sie 2022 ein Kinderbuch verfasst und selbst illustriert: “Yoga Nidra Lullaby“. Erfahre mehr über Rina und besuche sie auf ihrer Website oder ihrem Instagram-Account @rinathepoet.

Yoga & Naturschutz – eine kraftvolle Verbindung

Yoga für Artenvielfalt WWF

Schmetterling, Kobra, Delfin – viele Yoga-Posen sind von der Natur inspiriert. Doch während wir uns auf der Matte stärken, geht Tierarten, nach denen unsere Asanas benannt sind, die Puste aus. Ihre Existenz bedrohen Umweltzerstörung, Klimawandel und Lebensraumverlust. Doch wir können etwas tun! //anzeige

Mit “Yoga für Artenvielfalt” trägt deine Yoga-Praxis zum Naturschutz bei. Am 22. Mai 2025, dem Internationalen Tag der biologischen Vielfalt, lädt dich der WWF ein, mit einer besonderen Charity-Yogastunde aktiv zu werden. Ob du selbst auf der Matte stehst oder eine eigene Stunde organisierst – jede Mitwirkung hilft, bedrohte Arten zu schützen!

Nun wirst du dich fragen: Wie geht das?

Wie deine Spende die Natur schützt

Jede noch so kleine Bewegung hat Effekt – auf der Matte wie überhaupt auf unserem Planeten. So wie deine Teilnahme am “Yoga für Artenvielfalt”. Damit unterstützt du wichtige WWF-Projekte, die bedrohte Arten und deren Lebensräume schützen.

  • Rettung bedrohter Arten: Von majestätischen Tigern bis zu zarten Schmetterlingen – der WWF setzt sich weltweit für ihre Zukunft ein.
  • Schutz wertvoller Lebensräume: Wälder, Meere und Moore sind nicht nur Heimat unzähliger Arten. Sie sind auch unentbehrlich für unser aller Klima.
  • Nachhaltige Lösungen für Mensch und Natur: Der WWF arbeitet mit lokalen Gemeinden zusammen. Das hilft langfristig – und auch den Menschen vor Ort.

Jede Spende bringt uns diesem Ziel näher. Und das Beste: Dein Yoga-Flow kann direkt zur Rettung von Artenvielfalt beitragen!

Die “Yoga für Artenvielfalt”-Klasse: das Besondere an der Aktion

Diese Yogastunde ist anders. Sie ist eine durchdachte Verbindung von Bewegung, Achtsamkeit und Naturschutz. In der „Yoga für Artenvielfalt“-Klasse erwartet dich …

  • eine einzigartige naturverbundene Praxis
    Lass dich von der Natur inspirieren! Fließe durch Asanas, die nach Tierarten benannt sind, und spüre die Verbundenheit mit diesen Lebewesen.
  • erfahrene Yogalehrenden
    Es begleiten dich engagierte Lehrende, die mit besonderen Sequenzen die Werte von Achtsamkeit und Nachhaltigkeit vermitteln.
  • Yoga mit Wirkung
    Mit deiner Teilnahme setzt du ein Zeichen zum Schutz der Artenvielfalt. Du unterstützt WWF-Projekte zur Bewahrung bedrohter Tiere und Lebensräume – weltweit.

Ob du schon lange Yoga praktizierst oder ganz neu dabei bist – diese Klasse ist für alle, die sich bewegen und gleichzeitig etwas bewegen möchten.

Und das Beste: mitmachen ist ganz einfach!

So kannst du mitmachen: Yoga praktizieren und selbst aktiv werden

Mitmachen ist so einfach wie tiefes Einatmen. Entscheide du, wie du “Yoga für Artenvielfalt” praktizieren möchtest.

OPTION 1: Finde eine Yogastunde in deiner Nähe oder praktiziere online

Überall in Deutschland laden Yoga-Lehrende und außergewöhnliche Locations zum „Yoga für Artenvielfalt“ ein. Etwa das Nationalparkzentrum auf Rügen oder der Allwetterzoo Münster. Ob unter freiem Himmel, in inspirierenden Räumen oder inmitten der Natur – erlebe Yoga an einem besonderen Ort und setze zugleich ein Zeichen für den Artenschutz.

Auf unserer interaktiven Karte findest du alle aktuellen Angebote. Und das Beste: Täglich kommen neue Aktionen hinzu! Die Karte wird regelmäßig aktualisiert, sodass es immer einfacher wird, Teil dieser Bewegung zu werden.

Finde jetzt deine Yogastunde: wwf.de/yoga-erleben

Du möchtest lieber zu Hause praktizieren? Auch das geht! Das kostenlose Online-Yoga mit Annika Isterling macht es möglich, jederzeit und überall teilzunehmen. Die inspirierende Klasse steht dir 24/7 zur Verfügung, ganz flexibel und im eigenen Tempo.

OPTION 2: Veranstalte deine eigene Charity-Yogastunde
Verwandle dein Yoga-Studio, deinen Lieblingspark oder dein Wohnzimmer in eine Bühne für den Naturschutz! Organisiere rund um den 22. Mai 2025 deine eigene Charity-Yogastunde. Lade Freund*innen, Schüler*innen oder Kolleg*innen ein, und sammle Spenden zum Schutz bedrohter Arten. Der WWF stellt dir dafür ein praktisches Aktionspaket mit Tipps und Materialien zur Verfügung.

Werde Teil der Aktion, und melde deine Yogastunde hier an: wwf.de/yogaklasse

Egal, wie du mitmachst – jede Teilnahme zählt!

Setze gemeinsam mit der Yoga-Community ein starkes Zeichen für die Artenvielfalt, und werde Teil einer Bewegung, die Achtsamkeit über die Matte hinaus in die Welt trägt. Namasté. Alle Infos & Anmeldung: wwf.de/yoga