Flexibilität, Kreativität, Lebenslust und das Gefühl, so richtig im Fluss zu sein – unsere Sommer-Sequenz mobilisiert die Hüftgelenke und weckt die Kräfte des zweiten Chakras.
Ist das Sakral-Chakra im Gleichgewicht, dann wird es dir leichter fallen, herausfordernden Situationen mit einer Art spielerischer Neugier zu begegnen, anstatt sich von deinen Emotionen mitreißen zu lassen. Die folgende Sequenz zielt auf die Mobilisierung und Harmonisierung der Körperregion ab, in der das Svadhisthana-Chakra liegt: Becken und Hüften. Allerdings kann eine solche öffnende Praxis auch dazu führen, dass du dich besonders verletzlich fühlen. Achte deshalb beim Üben immer darauf, bewusst zu atmen, dich nach unten zu verwurzeln und zu stabilisieren.
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In dieser geerdeten Achtsamkeit kannst du einen sicheren Rahmen schaffen, um dich für das dir innewohnende Potenzial zu öffnen. Dabei hilft es, wenn du dir zu Beginn der Praxis eine konkrete Intention setzt, etwas, das dich an deine wahren Lebenswünsche erinnert oder dich ermutigt, nach deinen persönlichen Sternen zu greifen. “Beobachte in den Haltungen auch, wo genau Widerstände sind, und nutzen deinen Atem, um diese Widerstände sanft und geduldig zu lösen“, rät die Autorin und Model dieser Sommer-Sequenz Mary Beth Larue. Außerdem ganz wichtig: Traue dir zu, dich ganz kreativ und intuitiv zu bewegen. Es ist deine Praxis, du darfst dich in ihr ausdrücken und in dein ganz individuelles Gefühl des Fließens finden, das dich auch über die Matte hinaus erfüllt.
1. Virasana: Heldensitz mit einem Block
Setze dich aus dem Kniestand bequem auf ein oder zwei quer auf der Matte liegende Blocks. Die Füße zeigen gerade nach hinten, du schiebst Fußoberseiten und Zehen gegen den Boden und richtest dich bis durch die Schädeldecke hindurch nach oben auf. Dabei ruht dein Gewicht gleichmäßig auf beiden Sitzknochen. Lege die Hände auf die Oberschenkel oder den unteren Bauch und rollen deine Schulterblätter sanft nach hinten. Dann richte die Aufmerksamkeit auf den Atem: Fülle Bauch und Becken sanft mit jeder Einatmung und lasse ausatmend dein Gewicht in den Boden sinken. Nach einigen Atemzügen beginne mit Ujjayi Pranayama (siegreiche Atmung): Dazu atmest du 2–3 Minuten lang durch die Nase und verengen leicht die Stimmritze, sodass Ein- und Ausatmung wie ein sanftes Meeresrauschen klingen.
2. Beckenkreisen
Wandere aus dem Heldensitz mit beiden Händen nach vorn in den Vierfüßlerstand. Dabei richte die Hände unterhalb der Schultergelenke und die Knie unter den Hüften aus. Spüre auch hier zunächst zur Atmung hin. Dann beginne, das Becken langsam kreisen zu lassen. Die Kreise sind zunächst klein und werden dann immer größer. Dabei wärme nach und nach deine Wirbelsäule auf und finde in ein geschmeidiges Fließen. Wenn du warm genug bist, führe das Becken bis nach hinten auf die Fersen in Balasana (Stellung des Kindes) und verweile dort ein paar Atemzüge lang. Nachdem du mindestens 1 Minute lang in eine Richtung gekreist bist, wechsele in die entgegengesetzte. Nach 1 weiteren Minute hebe das Becken und strecke dich genüßlich in Adho Mukha Shvanasana (herabschauender Hund).
3. Anjaneyasana: tiefer Ausfallschritt
Ziehe aus dem Hund den rechten Fuß nach vorn zum rechten Daumen und setze das linke Knie am Boden ab. Schiebe den Rist des hinteren Fußes gegen die Matte und ziehe den unteren Bauch etwas an. Dabei sollte das vordere Knie etwa senkrecht über dem Fußgelenk stehen. Von dieser stabilen Basis aus hebe den Oberkörper und strecke die Arme längs der Ohren nach oben. Verschränke alle Finger bis auf die Zeigefinger, ziehe die Schultern weg von den Ohren und strecke dich bis durch die aneinandergedrückten Hände. Hebe dein Brustbein und atme in die Region der Flanken und Schlüsselbeine. Dabei geht der Blick locker nach oben, du ziehst die Hüften kraftvoll zur Körpermittelachse und mache die Taille lang. Nach etwa 1 Minute gehe ohne Seitenwechsel zur nächsten Übung über.
4. Ardha Hanumanasana: halber Spagat
Setze die Hände nun beidseits des vorderen Beins auf die Matte oder erhöht auf zwei Blocks. Verlagere Gewicht nach hinten, sodass sich das vordere Bein streckt. Dabei ziehst du die Zehen nach oben und hältst den unteren Rücken lang. Wenn er sich rundet, setze die Hände auf die Fingerspitzen oder stelle die Blocks hochkant. Aus dieser Ausgangsposition beginnst du, den Rumpf mit der Atmung spielerisch in Wellen zu bewegen. Nach 10–12 Atemzügen schiebe dich mit einer Ausatmung in den herabschauenden Hund. Von dort aus ziehe den linken Fuß nach vorn und wiederhole Übung 3 und 4 seitenverkehrt.
5. Utkata Konasana: Göttinnen-Haltung
Stelle dich in eine Grätsche, bei der die Füße schräg nach außen stehen. Wenn du jetzt die Beine auf etwa 90 Grad beugst, sollten die Füße in die selbe Richtung zeigen wie die Knie. Spüre die Kraft in Füßen und Beinen, ziehe den unteren Bauch etwas nach innen und richte das Becken auf. Der Rumpf sollte sich mittig über dem Becken befinden und du wächst durch die Schädeldecke hindurch nach oben. Dabei lege die Hände im Anjali Mudra vor dem Herzen aneinander und entspanne das Gesicht. Wieder verbindest du dich mit dem Atem und lässt vom Becken aus etwa 1 Minute lang weiche, fließende Bewegungen entstehen: ein Schwingen nach links und rechts, oder auch nach vorn und hinten.
6. Virabhadrasana II: Kriegerhaltug II
Aus der Göttinnen-Haltung wende den Blick und die Zehen des rechten Fußes nach rechts und drehe den linken Fuß etwas einwärts. Breite die Arme auf Schulterhöhe locker zu den Seiten aus und wachse gleichmäßig durch beide Hände und Fingerspitzen. Auch hier achtest du darauf, dass vorderes Knie und Zehen in die gleiche Richtung weisen. Atme 6–8 Mal voll und bewusst in dieser kraftvollen Stehhaltung. Dabei bleibst du empfänglich für alles, was sich jetzt zeigt: Erlaube es Körperempfindungen, Gedanken und Gefühlen, ungehindert durch dich hindurch zu gehen. Das fällt dir vielleicht leichter, wenn du dir in Erinnerung rufst, dass jede Erfahrung vorüber gehend ist. Anschließend gehe ohne Seitenwechsel zur nächsten Übung über.
7. Viparta Virabhadrasana II: umgekehrte Heldenhaltung
Halte Beine und Becken in der selben Ausrichtung, wenn du nun die rechte Handfläche nach oben drehst und dich zum hinteren Bein beugst. Dabei gleitet die linke Hand am linken Bein entlang. Während du dich in diese tiefe Seitbeuge hinein öffnest, versuche, das vordere Bein weiterhin in einem rechten Winkel zu halten. Gleichzeitig darf der Oberkörper weicher werden. Lasse die Vorstellung von der “perfekten” Haltung los. Statt dessen spüre in die Übung hinein und wandele sie intuitiv oder kreativ ab, wenn du das Bedürfnis dazu spürst. Nach 6–8 achtsamen Atemzügen kehre zurück in die Göttinnen-Haltung (5). Von dort aus wiederhole Übung 6 und 7 seitenverkehrt und ende wieder in der Göttinnen-Haltung.
8. Prasarita Pdottanasana: Vorwärtsbeuge aus dem gegrätschten Stand
Strecke aus der Göttinnen-Haltung die Beine und setze die Füße parallel. Verschränke die Hände hinter dem Körper. Hebe die Kniescheiben und verwurzele die Fersen am Boden, bevor du dich nun langsam nach vorne beugst. Wenn du magst, kannst du die Schädeldecke am Boden oder einem Block ankommen lassen. Damit die Hüften senkrecht über den Fußgelenken stehen, musst du dein Gewicht vielleicht noch etwas nach vorn verlagern. Atme 1 Minute lang in Ujjayi (siehe Übung 1). Spüre dabei, wie die Hüftgelenke allmählich nachgeben, achte aber auch auf ein gutes Gleichgewicht zwischen Loslassen und Halt wahren. Dazu sauge den Damm etwas nach innen, um die Beckenbodenmuskulatur zu aktivieren. Zum Auflösen der Haltung drehe dich zu deinem rechten Fuß, lege die Hände beidseits auf die Matte und setze den Fuß nach hinten in den herabschauenden Hund.
9. Mandukasana: Frosch auf Knien
Aus dem Hund gelange in den Vierfüßler und beginnen, die Knie nach und nach immer weiter nach außen zu schieben. Dabei achte darauf, dass die Füße etwa auf einer Linie mit den Knien bleiben, Ober- und Unterschenkel bilden also grob einen rechten Winkel. Um die Knie zu schützen, beuge außerdem die Fußgelenke und schiebe die Fersen nach hinten. Wenn es deine Beweglichkeit zulässt und die Knie weit genug außen sind, legen die Unterarme auf die Matte und die Handflächen aneinander. Das Becken bewegt sich allmählich nach hinten Richtung Fersen. Falls der Untergrund zu hart für deine Knie ist, lege eine gefaltete Decke unter. Bleibe etwa 1 Minute lang in der Haltung und atme weich und bewusst. Anschließend entspanne dich 1 Minute in Balasana (Stellung des Kindes). Diese intensive Hüftmobilisierung kann Emotionen wecken. Sei deshalb besonders aufmerksam und bleiben in Verbindung mit dem Atem: Indem du die Ausatmung im Verhältnis zur Einatmung etwas verlängerst, kannst du dich erden und deine Gefühle sanft abfließen lassen.
10. Pashchimottanasana: Vorwärtsbeuge aus dem Langsitz
Breite deine Beine im Sitzen lang nach vorne aus und schaukele etwas vor und zurück oder zu den Seiten, um deine Sitzknochen gut am Boden zu verwurzeln. Die Oberschenkel schieben nach unten, wenn du dich nun mit einer Einatmung lang aufrichtest und die Arme mit zueinander zeigenden Handflächen nach oben streckst. Dabei zieht sich die Wirbelsäule in die Länge und du wächst zu deiner vollen Größe. Aus dieser Länge lasse dich nun ausatmend langsam in die Vorwärtsbeuge sinken. Lege die Hände um die Füße oder seitlich an die Beine. Mit der nächsten Einatmung aktiviere nochmals kräftig die Beine, ziehe die Zehen Richtung Rumpf und strecke die Wirbelsäule lang nach vorn. Dann atme durch den Mund aus, beuge Knie etwas, lasse die Ellenbogen sinken und runde dich weich nach vorn. Wiederhole diesen Atemzyklus 6–8 Mal und spüre die tiefe Erdung und die Dehnung der Körperrückseite, bevor du dich mit einer Einatmung wieder langsam zum Sitzen aufrollen.
11. Supta Baddha Konasana: Gebundene Winkelhaltung im Liegen
Lege in einer bequemen Rückenlage die Fußsohlen aneinander und lasse die Knie locker nach außen sinken. Dazu platziere am besten je einen Block oder ein Kissen unter den Knien. Lasse deine Hände weich auf dem Unterbauch ruhen und schließe die Augen. Spüre, wie sich dein Atem verlangsamt und gebe Körper und Geist einige Minuten lang Gelegenheit, die Praxis zu integrieren. Dann lasse ein Gefühl von Intention in deinen Atem einfließen und spüre zu der Weite, Lebendigkeit und Geschmeidigkeit, die du in Hüften und Becken kultiviert hast. Nimm dir vor, diese Empfindungen mit in deinen Tag zu nehmen und dem Leben mit kreativer Energie und einem offenen Geist zu begegnen.
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Im Gleichgewicht
Zwar haben die meisten Menschen eher zu steife Hüften, die Gelenke können aber auch allzu locker und hypermobil sein. Ganz wichtig ist es hier, sowohl auf körperlicher wie auch auf energetischer Ebene auf ein gutes Gleichgewicht zu achten: Um die Kraft des Sakral-Chakras zu entfalten, brauchst du nämlich nicht nur eine körperliche Offenheit, die deine Kreativität zum Fließen bringt, sondern auch eine haltende Struktur, die diese Energien lenkt und produktiv macht.
Wie sich deine Hüften anfühlen, ist ein oft guter Gradmesser für den Zustand deines zweiten Chakras: Wenn zum Beispiel in Supta Baddha Konasana (Übung 11) die Knie sofort bis zum Boden sinken, kann diese expansive Beweglichkeit auf eine ungezügelte Svadhisthana-Energie hindeuten. Nicht selten spiegelt sich das zum Beispiel in turbulenten, ungesunden Beziehungen oder Eifersuchtsdramen. Dem kann man entgegenwirken, indem man wie bei Übung 3 die Hüften nach innen zieht, das Becken also hält und stabilisiert. Auch das bewusste Verwurzeln nach unten und ein achtsames Aktivieren des Beckenbodens helfen, dem Sakral-Chakra einen klaren, konstruktiven Weg des Selbstausdrucks zu weisen.
Mary Beth Larue lebt als Yoga- und Meditationslehrerin in Los Angeles. Mit durch Yoga inspiriertem Coaching hilft sie Menschen dabei, positive Veränderungen in ihr Leben zu bringen. marybethlarue.com